Kita-Kosten: «Ende Monat bleibt einfach nichts übrig»

Eine Mutter in Wattenwil zahlt fast ihr gesamtes Einkommen für die Kita-Kosten ihrer Kinder. Trotz Betreuungsgutscheinen bleibt der Familie wenig finanzieller Spielraum. Andreia plant eine Ausbildung zur Hotelfachfrau EFZ, was eine zusätzliche Belastung darstellt. Der Berner Grosse Rat erwägt eine «Gratis-Kita» für berufstätige Eltern.

Seit Mitte Juli bringt Andreia (35) ihre beiden Kinder Mathias (4) und Sofia (2) in die neu eröffnete Kindertagesstätte im Dorf Wattenwil BE. Die Entscheidung für eine Betreuungseinrichtung fiel aus beruflichen Gründen, doch die finanzielle Belastung bringt die Familie an ihre Grenzen. «Ende Monat bleibt absolut nichts übrig. Das ist für uns emotional sehr schwierig momentan.»

Fast ganzer Lohn für Kinderbetreuung

Sie verdient derzeit 3500 Franken pro Monat als Mitarbeiterin in der Hauswirtschaft und bezahlt 3100 Franken davon für die Kita – mit eingerechnet dabei sind die Betreuungsgutscheine von 1800 Franken vom Kanton. Ihr Ehemann arbeitet zu 100 Prozent auf dem Bau und verdient monatlich 4800 Franken. Trotz beider Einkommen bleibt der Familie kein finanzieller Spielraum.

Ausbildung trotz Doppelbelastung

Zusätzlich zur Erwerbsarbeit plant Andreia eine berufliche Weiterentwicklung. Sie möchte eine Ausbildung zur Hotelfachfrau EFZ absolvieren. Diese beinhaltet einen wöchentlichen Schultag, was in Kombination mit ihrem derzeitigen Arbeitspensum und den Kindern eine grosse Herausforderung darstellt. «Wir schauen jetzt ein Jahr, ob es aufgeht mit der Ausbildung. Sonst muss ich abbrechen», erklärt sie.

«Ich will ja arbeiten»

Die Doppelbelastung geht nicht spurlos an ihr vorbei. «Ich konnte zwei Wochen lang fast nicht schlafen», berichtet sie. Die Sorge um die langfristige finanzielle Sicherheit ist gross – insbesondere mit Blick auf das Alter. «Wenn ich 20 Jahre nicht arbeite, bleibt mir später nur eine minimale AHV. Ausserdem will ich ja arbeiten», so Andreia.

«Wer würde mich nach 15 Jahren Unterbruch anstellen?»

Trotz dieser Unsicherheiten hat sich Andreia bewusst für die Ausbildung und damit für ihre berufliche Weiterentwicklung entschieden. Ihr Ziel ist es, nach der Lehre auf ein 70-Prozent-Pensum zu reduzieren, um mehr Zeit für die Kinder zu haben. Für Andreia ist klar: Eine lange Erwerbsunterbrechung kommt nicht in Frage. «Wer würde mich einstellen, wenn ich 15 Jahre nicht gearbeitet hätte?», fragt sie. Der Balanceakt zwischen Familie, Arbeit und Ausbildung bleibt für sie eine tägliche Herausforderung, aber auch eine Investition in ihre Zukunft.

Grosser Rat: «Gratis-Kita» für Erwerbstätige?

Die finanzielle Belastung durch Kinderbetreuung ist auch auf politischer Ebene ein Thema. Der Berner Grosse Rat hat im Juni einen Vorstoss angenommen, der vorsieht, den Anspruch auf Betreuungsgutscheine künftig so auszugestalten, dass kein Anreiz besteht, sein Arbeitspensum zu reduzieren. Der Vorstoss hatte in seinem Grundsatz gefordert, dass Paare mit einem kombinierten Arbeitspensum von mindestens 160 Prozent maximale Betreuungsgutscheine erhalten sollen – unabhängig vom Einkommen. Wer weniger arbeitet, sollte gar keine Gutscheine mehr erhalten. Diese Idee verwarf der Rat knapp. Auf Anfrage von 20 Minuten bezeichnet Jan Gnägi, Grossrat der Mitte, das Modell als «gerecht, wirtschaftlich sinnvoll und durchdacht». Auch GLP, FDP und SVP sehen darin faire Bedingungen für leistungsbereite Familien. Kritisch äusserten sich hingegen SP und Grüne. Sie befürchten eine Umverteilung zulasten von Familien mit geringem Einkommen und Teilzeitpensen, wie die Berner Zeitung schreibt. Zudem seien die finanziellen Konsequenzen für Kanton und Gemeinden noch nicht ausreichend geklärt. Ob und wie die Umsetzung erfolgt, ist derzeit noch offen.

Weiterlesen - ein Beitrag von Flurin Pestalozzi erschienen am 11.08.2025 auf 20min.ch