«600 Fr. für Utensilien»: Eltern machen Schulkosten zu schaffen

Ist das Budget eng, kann der Schulstart zur Belastung werden. Bei den Kindern spare man laut einem Experten selten. Eltern geben oft mehrere hundert Franken für die Schulausrüstung ihrer Kinder aus. Für Familien mit kleinem Budget ist die Einschulung eine Herausforderung. Häufig verzichten Eltern auf Dinge, damit sie das Geld für die Kinder ausgeben können.

Mit leuchtenden Augen und vollgepacktem Thek gehen diese Woche Tausende Kinder erstmals zur Schule. Neuste Auswertungen von Digitec Galaxus, die 20 Minuten exklusiv vorliegen, zeigen im Juli eine deutliche Zunahme in allen schulrelevanten Produktkategorien. So verkauften sie 70 Prozent mehr Schreibstifte, 36 Prozent mehr Etuis und 20 Prozent mehr Schultheks als im Vorjahr. Für viele Eltern ist die Schulausrüstung aber eine grosse finanzielle Belastung. Die meistverkauften Schulrucksäcke kosten online um die 150 Franken, nicht selten deutlich mehr. Zudem gehören zum Start ins Schulleben auch noch Sportbeutel, Turnschuhe und manches mehr dazu. Wer online ein Komplettset mit Rucksack, Etui, Turnsack, aber ohne Sportausrüstung kauft, zahlt dafür schnell zwischen 200 und 500 Franken.

«Eltern glauben, Kinder brauchen ein perfekt passendes Schulset»

Laut Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer, werden Schulutensilien wie Theks immer teurer. «Der erste Schultag ist für Eltern und Kinder ein emotionaler Moment – und genau darauf setzt der Markt», sagt sie. Viele Mütter und Väter seien überzeugt, ihre Kinder bräuchten ein perfekt passendes, hochwertiges Schulset, und griffen dafür tief in die Tasche. Tatsächlich, so Rösler, reiche für den Schulstart ein Schulsack, ein leeres Etui und ein Turnbeutel – «und letzterer kann auch einfach ein Stoffbeutel sein». Hefte, Stifte, Gummi, Lineal und Co. stelle die Schule zur Verfügung. Dennoch, so bestätigt die oberste Lehrerin, stünden Eltern teilweise unter Druck, das Neueste und Beste zu kaufen, besonders wenn Kinder entsprechende Wünsche äussern. «Das kann aber auch als Lernmoment dienen», betont sie. «Man kann den Kindern erklären, was möglich ist und was nicht – und weshalb.»

So viel gibt die Community für die Schulausrüstung aus

Auch die 20-Minuten-Community kennt die Belastung durch Schulkosten. Bei D.* (37) beliefen sich diese auf insgesamt 600 Franken. Der grösste Posten: der Schulthek für 280 Franken. Von ähnlichen Zahlen berichten auch andere Leserinnen und Leser. Isabelle aus dem Kanton Baselland kostete die Einschulung ihrer Tochter 530 Franken. «300 Franken für den Ranzen, 110 für Schulsachen, die von der Schule verlangt werden, zum Beispiel bestimmte Stifte. Und ca. 120 für die Schultüte, darin waren Turnschuhe.»

Für Dilek (33) ist die Einschulung des jüngsten ihrer vier Kinder eine finanzielle Herausforderung. «Zuerst meinte meine Tochter, dass sie den Rucksack ihres Bruders übernehme.» Doch ein Kind habe einen Spruch gemacht, weil dieser Fussballsymbole drauf hatte. «Wir wohnen in einer kleinen Gemeinde in Schaffhausen. Wir möchten nicht, dass unsere Kinder ausgeschlossen werden.» Also hat die Familie online geschaut, bis ein Schulthek Aktion war. «Schlussendlich haben wir 80 Franken ausgegeben. Für uns ist das viel Geld. Aber als wir unsere Tochter strahlen sahen, war es uns das wert!»

Von Druck spricht auch L.* (39). Im Kindergarten ihrer Tochter gab es einen «Thek-Zeige-Tag». «Alle Kinder nahmen ihren Rucksack mit und zeigten ihn vor. Das baut natürlich Druck auf die Kinder auf.» Was ihr auffällt: Extreme Sujet seien derzeit in Mode: «Einhörner, viel Pink etc. Dinge, die den Kindern auch schnell verleiden können.»

So ging es Giselda (43) aus Zürich. Ihre Tochter kommt in die zweite Klasse und dieses Jahr gab es einen neuen Rucksack. «Der erste hatte Einhörner drauf.» Der neue Rucksack sei bunt und habe etwa 80 Franken gekostet. «Das Modell war nicht sonderlich teuer.»

«Eltern verzichten für die Kinder»

Phillip Frei, Geschäftsführer des Dachverbands der Budgetberatung Schweiz, erlebt häufig, dass Schulkosten in Beratungen Thema sind. Besonders bei der Einschulung, wenn «das Kind wirklich alles neu braucht», kämen schnell mehrere hundert Franken zusammen. Die grössten Posten seien Rucksack und Sportausrüstung, dazu kämen Ausflüge und Schulreisen. «200 Franken fürs Lager ist für eine Familie mit wenig Einkommen eine grosse Belastung», sagt er. Zwar könne man beim Material sparen, bei Ausflügen jedoch nicht. Betroffen seien nicht nur einkommensschwache Haushalte – auch der Mittelstand müsse rechnen. Viele Familien mit wenig Geld organisierten sich aber gut, gäben Dinge weiter oder kauften Secondhand, so Frei. Gespart werde dann an Freizeit, Ferien oder beim Essen. Problematisch sei aber nicht nur die finanzielle Last, sondern auch das Stigma: «Viele schämen sich, wenn sie ihrem Kind nicht dasselbe bieten können wie andere.» Eltern verzichteten oft selbst, um bei den Kindern nicht sparen zu müssen – doch das habe Grenzen.

Weiterlesen - ein Beitrag von Lynn Sachs, Anja Zingg und Verena Edinger, erschienen am 12.08.25 auf 20min.ch