Bundesrat will Familienverfahrensrecht modernisieren

Sind bei einer Trennung oder einer Scheidung Kinder involviert, müssen die zuständigen Behörden deren Belange regeln. Der Bundesrat kommt im Bericht vom 06. Juni 2025 zum Schluss, dass die Zuständigkeiten zur Regelung der Kinderbelange vereinheitlicht und das Verfahren vereinfacht werden sollen. Der Bericht stützt sich auf Erkenntnisse aus der Wissenschaft sowie auf eine Umfrage in der Praxis. Gerade weil sich die Formen des Familienlebens stark verändert haben, erachtet der Bundesrat eine Anpassung des Familienverfahrensrechts als notwendig. Die entsprechende Vernehmlassung wird voraussichtlich Ende 2026 eröffnet.

Die Formen des Zusammenlebens und der Familienkonstellationen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Die Zahl der Kinder, deren Eltern nicht miteinander verheiratet sind, ist gestiegen. Ausserdem leben viele Kinder im Alltag nicht mit beiden Elternteilen zusammen. Um dieser gesellschaftlichen Realität Rechnung zu tragen, wurde das materielle Familienrecht in den letzten Jahren angepasst.

Der Bundesrat und das Parlament (Postulate 19.3478 Schwander, 19.3503 Müller-Altermatt, 22.3380 RK-N, 22.4540 Gysin und 23.3047 Feri) haben bereits mehrfach festgehalten, dass es auch Anpassungen im Familienverfahrensrecht braucht und eine Modernisierung geprüft werden muss, insbesondere wenn Kinder involviert sind. Zu diesem Schluss kommen auch die Wissenschaft sowie Vertreterinnen und Vertreter aus der Praxis. Auch die Erkenntnisse aus einer Umfrage in den Kantonen, die Diskussionsergebnisse einer öffentlichen Veranstaltung zum Thema sowie ein im Auftrag der Verwaltung erstelltes externes Gutachten zeigen dies.

Schnellere Konfliktdeeskalation durch rasche und einfache Verfahren

Gestützt auf die gewonnenen Erkenntnisse hält der Bundesrat in seinem Bericht vom 06. Juni 2025 fest, dass er das Familienverfahrensrecht verbessern will und die notwendigen Anpassungen der Zivilprozessordnung (ZPO) und des Zivilgesetzbuches (ZGB) zügig an die Hand nehmen wird. So möchte er das gerichtliche Verfahren zur Regelung der Folgen einer Trennung oder Scheidung vereinfachen. Namentlich sollen die Besonderheiten von familienrechtlichen Streitigkeiten mit Kindern künftig besser berücksichtigt werden. Richterinnen und Richter sollen in einem ersten Schritt möglichst rasch mit den betroffenen Familienmitgliedern auf eine Einigung hinarbeiten. Gelingt dies nicht, soll ein grundsätzlich mündliches Verfahren zu einer zügigen Regelung der Familienverhältnisse und damit zur Entlastung der Situation führen.

Einvernehmliche Konfliktlösung stärkt die Beziehung zwischen Eltern und Kindern

Eine Trennung oder Scheidung ist für alle Familienmitglieder oft belastend. Die Kinder sollen indes nicht unter den andauernden Konflikten der Eltern leiden, sondern eine solide Beziehung zu beiden Elternteilen leben können. Der Bundesrat will deshalb den Einbezug unterschiedlicher Methoden zur Lösung eines Konflikts im Familienverfahren gesetzlich regeln und so stärken. Finden Familienmitglieder gemeinsam Lösungen, sind diese meist nachhaltiger und die Beziehungen nach einer Trennung oder Scheidung weniger belastet. Ausserdem erachtet der Bundesrat die Interdisziplinarität durch den Einbezug von Expertinnen und Experten aus verschiedenen Fachrichtungen als besonders wichtig, wie zum Beispiel Psychologinnen und Psychologen oder Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter.

Im Rahmen der Revision des Familienverfahrensrechts sollen ausserdem die Zuständigkeiten zur Beurteilung der Kinderbelange vereinheitlicht werden: Nach geltendem Recht entscheidet entweder die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) oder das Zivilgericht über Fragen, die das Kind betreffen (Zuteilung der elterlichen Sorge, Regelung der Obhut und des persönlichen Verkehrs bzw. der Betreuungsanteile, Unterhalt). Die Zuständigkeit hängt vom Streitgegenstand und Zivilstand der Eltern ab. Sind Unterhaltsbeiträge streitig, so ist das Gericht zuständig. In allen anderen Angelegenheiten entscheidet bei verheirateten Eltern das Gericht, bei unverheirateten Eltern in der Regel die KESB. Diese unterschiedlichen Zuständigkeiten lassen sich aus heutiger Sicht nicht mehr rechtfertigen. Nach Ansicht des Bundesrates sollte diese Aufgabe den Gerichten zukommen. Im Laufe der weiteren Arbeiten wird er diese Frage jedoch noch vertieft prüfen.

Die im Bericht dargelegten Eckpunkte bilden die Grundlage für die weiteren Arbeiten im Hinblick auf eine Vernehmlassungsvorlage, die der Bundesrat voraussichtlich bis Ende 2026 verabschieden wird. Um den Anliegen der Kantone und Praxis im Rahmen dieser Arbeiten gebührend Rechnung tragen zu können, werden diese in die Vorbereitungsarbeiten einbezogen.

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