Soziologin: «Frauen schieben eigentlich doppelte Schichten»

Ständig zuständig. Ständig darauf bedacht, sich um alles und alle zu kümmern: So sieht der Alltag der modernen Frau aus. Hiess es früher «Küche, Kinder, Kirche», so gilt heute: Haushalt, Home-Office und Harmonie.

Dieser Alltagsstress bei Frauen ist allerdings politisch. Zumindest lautet so die These in Franziska Schutzbachs neuem Buch «Die Erschöpfung der Frauen – Wider die weiblichen Verfügbarkeit». Im Gespräch erklärt Schutzbach, inwiefern die Erschöpfung bei Frauen mit Geschlechterrollen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen zu tun hat.

Franziska Schutzbach, erschöpft sind ja viele. Sie aber haben ein Buch speziell über die Erschöpfung der Frauen geschrieben. Warum?

Frauen – weltweit, und auch in der Schweiz – übernehmen noch immer den Löwenanteil der so genannten Care-Arbeit. Das ist die Sorgearbeit in Familien und Haushalt. Ungefähr 75 Prozent dieser Arbeit wird von Frauen übernommen. Gleichzeitig sind Frauen zunehmend erwerbstätig. Das führt zu einer grundlegenden Erschöpfung, weil Frauen eigentlich doppelte Schichten schieben.

Ich denke manchmal, wenn ich Kinder hätte, wäre ich am liebsten ein traditioneller Vater. Das scheint mir viel bequemer.

Ja, es lohnt sich, sich vor der Care-Arbeit zu drücken. Man hat dann mehr Zeit für anderes: für die Karriere, für sich selbst.

Andererseits: Männer sterben früher, sind häufiger krank, haben eine höhere Suizidrate. Der Druck auf Männer ist ebenfalls gross. Und: Heute engagieren sich Männer deutlich mehr in den Familien als noch vor 30 Jahren.

Ja, die Leistungsgesellschaft setzt uns allen zu. Und ja: Es hat Fortschritte gegeben. Aber die Zahlen sprechen für sich. In der Schweiz wird in heterosexuellen Familien mit Kindern ungefähr 80 Prozent der Care-Arbeit von Frauen übernommen. Dies entgegen dem Selbstbild vieler Paare, die von sich behaupten würden, dass sie die Care-Arbeit einigermassen fair aufgeteilt hätten. Ich nenne das den Mythos der bereits erreichten Arbeitsteilung. Oder um es mit Soziologe Ulrich Beck zu sagen: «Wir haben es mit einer verbalen Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre zu tun.»

Frauen arbeiten aber nun mal eher Teilzeit und Männer Vollzeit. Dann ist es ja klar, dass Frauen dafür mehr daheim übernehmen.

Ja, wobei das nicht unproblematisch ist. Stichwort Altersvorsorge. Aber auch in Ländern, wo viel mehr Frauen Vollzeit arbeiten, ist es trotzdem noch so, dass sie zusätzlich den Löwenanteil der unbezahlten Care-Arbeit übernehmen. Eben, diese zweite Schicht.

Wobei diese «zweite Schicht», die Arbeit zu Hause, nicht wirklich als Arbeit wahrgenommen wird.

Es gibt immer noch diese uralte Zuschreibung, dass Frauen von Natur aus fürsorglicher seien, von Natur aus diese Arbeiten gerne erledigen. Davon profitiert letztlich unsere Wirtschaft. Wenn wir behaupten, Frauen erledigen all diese Aufgaben einfach aus Liebe, dann können wir auch weiterhin erwarten, dass sie diese Arbeit gratis erledigen. Oder wenn man sie schon bezahlen muss – in so genannten Care-Berufen, wie die Pflege – dann wenigstens mit einem tiefen Lohn. Das hat historische Gründe. Zugespitzt gesagt: Frauen pflegen ja gerne, das ist Entschädigung genug.

Weiterlesen - ein Beitrag von Franziska Schutzbach erschienen am 18.11.2021 auf www.srf.ch

 

 

 

Beratungen zu Suizid verdoppelt

Der Corona-Report der Pro Juventute verzeichnet neue Rekorde: Statt täglich drei, sind es nun sieben Beratungen zu Suizidgedanken. Der neue Corona-Report von Pro Juventute zeigt: 2021 haben täglich sieben Jugendliche Hilfe gesucht, um über Suizid zu sprechen. Grund dafür: die Folgen der Corona-Krise wie die Einsamkeit während des Lockdown. Bis September schaltete die Pro Juventute in 100 Fällen die Sanität und die Polizei ein, weil nicht sichergestellt werden konnte, ob der oder die Jugendliche sich etwas antun würde.

«Die Beratungen zum Thema Suizid haben sich bei 147 im Vergleich zu vor der Pandemie fast verdoppelt», sagt Lulzana Musliu, Pressesprecherin der Pro Juventute. Konkret: Die Organisation verzeichnet täglich sieben Beratungen zum Thema Suizidgedanken. 2020 waren es noch fünf pro Tag und vor der Pandemie waren es knapp vier Beratungen. Das zeigt der am Montag erschienene Corona-Report von Pro Juventute. Gründe für die Suizidgedanken sollen laut Lulzana Musliu die Unsicherheit und fehlende soziale Kontakte während Corona sein: «Für die Jugendlichen stellt die Pandemie eine grosse psychische Belastung dar.» Gerade im Jugendalter befinde man sich noch in verschiedenen Entwicklungsprozessen und orientiere sich gegen aussen. Die Einschränkungen seien für die junge Generation eine grosse Herausforderung gewesen. Auch die Einsamkeit und die Angst, Freunde zu verlieren, würden eine grosse Rolle spielen. «Die bald zwei Jahre andauernde Krise ist für Jugendliche gefühlt fast eine Ewigkeit», erklärt Musliu.

Suizid ist zweithäufigste Todesursache

Die Schweiz verzeichnete bereits vor der Corona-Pandemie eine im internationalen Vergleich sehr hohe Suizidrate unter Jugendlichen. «Das ist alles schon viele Jahre bekannt, es wurde aber nicht genug getan, um dies zu ändern. Auf politischer Ebene wurde viel versäumt», sagt Musliu. Laut Pro Juventute ist Suizid bei jungen Schweizer*innen zwischen 16 und 25 Jahren die zweithäufigste Todesursache. Schuld daran soll der enorme Leistungsdruck sein. In den letzten Jahren beobachte die Organisation zudem, dass die Anrufer*innen immer jünger werden: «Es gibt Jugendliche, die schon mit 13 oder 14 Suizidgedanken äussern», sagt Musliu.

Lange Wartelisten

In der Telefon- oder Chatberatung der Pro Juventute wägen die Berater*innen ab und entscheiden, ob konkrete Hilfe aufgeboten werden muss, erklärt sie weiter. Bis September schaltete die Pro Juventute in 100 Fällen die Sanität und die Polizei ein, weil nicht sichergestellt werden konnte, ob sich der oder die Jugendliche etwas antun würde. «In den letzten Jahren beobachten wir eine markante Zunahme», sagt Musliu. Zwar sei die jetzige Generation offener, über psychische Probleme zu sprechen. Doch alleine damit lasse sich der Anstieg bei den Suizidgedanken nicht erklären: «Vor allem Kinder und Jugendliche aus belasteten Familien leiden.» Den Jugendlichen, die sich in Form einer Therapie Hilfe suchen, kann jedoch nicht immer sofort geholfen werden, sagt Musliu: «Die Wartezeiten sind an vielen Orten lange und die Angebote, welche ihnen helfen, laufen am Anschlag. Daher braucht es jetzt mehr Ressourcen für Angebote, welche Kinder und Jugendliche stärken, und keine Sparpakete auf dem Rücken der jungen Generation.» Ende April veröffentlichte die Pro Juventute einen Appell, in dem unter anderem mehr Geld für Therapieplätze gefordert wird.

 

Weiterlesen - ein Beitrag von Deborah Gonzalez erschienen am 16.11.2021 auf www.20min.ch

 

Mehr Unterstützung für arbeitstätige Frauen gefordert - Sotomo-Studie

Immer mehr Frauen in der Schweiz sind immer besser ausgebildet. Das ändert aber nichts daran, dass auch hochqualifizierte Frauen im Schnitt weniger arbeiten als Männer. Nicht, weil sie keine Lust hätten – sondern weil sie nach der Familiengründung zu wenig Unterstützung erhalten.

Man könnte sagen, Salomé Hug hat eine Vorzeigekarriere gemacht: Nach der Ausbildung an der ETH ist die 45-jährige Bauingenieurin bei einem Basler Ingenieursbüro inzwischen zum Mitglied der Geschäftsleitung aufgestiegen. Mit drei halbwüchsigen Kindern und einem 80-Prozent-Pensum keine Selbstverständlichkeit. «Es ist auf jeden Fall sehr anspruchsvoll», sagt Hug, die Kinder im Alter zwischen 8 und 13 Jahren hat. In der Kleinkind-Phase war es die Müdigkeit, die sie trotz der vielen Arbeit wegstecken musste. Aber auch jetzt sei es nicht viel einfacher: «Jetzt, wo sie grösser sind, mit der Schule, den Freizeitbeschäftigungen neben der Schule, das erfordert grosse Flexibilität.» Mehr Flexibilität würde sie sich daher auch bei der Kinderbetreuung wünschen. «Gerade für die grösseren Kinder ist hier in Basel zu wenig da, zu wenige Angebote. Das ist immer wahnsinnig schwierig, das zu organisieren.» Aber auch während der Schulzeit sei es schwierig: «Es sind nur wenige Plätze. Man muss die Kinder sehr früh anmelden. Und die Spitzenzeiten sind schlecht abgedeckt.» Das sind Probleme, die offenbar nicht nur die Bauingenieurin aus Basel hat, sondern die auch viele andere gut ausgebildete Frauen in der Schweiz davon abhalten, mit grösserem Arbeitspensum zu arbeiten, wenn einmal Kinder da sind.

Eine Studie des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag des Verbandes freier Berufe zeigt: Es werden zwar immer mehr Architektinnen, Ärztinnen, Juristinnen oder Ingenieurinnen ausgebildet. Und zwischen den 25- bis 64-Jährigen mit einem Hochschulabschluss gibt es ebenso viele Männer wie Frauen. Aber: Sobald das erste Kind kommt, reduzieren viele dieser gut ausgebildeten Frauen die Arbeitszeit. Oder hören ganz auf zu arbeiten.

Mehr Unterstützung von Staat und Wirtschaft

Pirmin Bischof, Mitte-Ständerat aus Solothurn und Präsident des Verbands freier Berufe, sieht Handlungsbedarf: «Bei hochqualifizierten Frauen ist es wichtig, dass man einen relativ grossen Prozentanteil der Arbeit aufrechterhalten kann.» Auch, um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen. Staat und Wirtschaft müssten Frauen daher mehr unterstützen, sagt Bischof. Um jenen, die trotz Kindern gerne mehr arbeiten würden, dies zu ermöglichen. «Deshalb ist es nötig, die Kinderbetreuung hier besser zu fördern. Das machen die Nachbarstaaten wesentlich besser.» Gefragt sei vor allem der Staat, mit mehr und günstigeren Betreuungsangeboten, sagt der Verbandschef und Jurist. Aber auch Unternehmen, mit flexibleren Arbeitsmodellen.

Mehr Flexibilität von Familien und Unternehmen

Nicht alle teilen seine Meinung. Zumindest in den Städten und Agglomerationen gäbe es bereits sehr gute Betreuungsangebote, sagt Nadja Umbricht-Pieren, Vizepräsidentin der SVP und Leiterin einer privaten Kindertagesstätte. Der Staat solle sich nicht weiter einmischen. «Ja nicht zu viel Staat.» Das würde den Markt kaputt machen und das Niveau der Betreuung gegen unten nivellieren. Mehr Flexibilität wäre aber sicher auch von Unternehmen gefordert, sagt sie. Aber ebenfalls von den Familien selbst: «Ich denke, es ist wirklich der freie Entscheid auch der jungen Familien, sich bewusst für Beruf und Familie zu entscheiden und vielleicht mit der Karriere einen Schritt zurückzustehen, damit dann auch genügend Zeit für das Familienleben, für die Kinder bleibt.»

Gleich viel Lohn für die gleichen Jobs

Diversity-Expertin Gudrun Sander von der Universität Sankt Gallen findet dagegen: Es muss mehr geschehen, um arbeitende Mütter zu fördern. Mehr und günstigere Betreuungsangebote allein würden aber nicht reichen, betont sie. «Was wir nicht vergessen dürfen, sind gleiche Löhne. Das wirklich auch durchzusetzen, dass beide Geschlechter für gleichwertige und gleiche Jobs gleich viel verdienen.» Was ja im Gleichstellungsgesetz bereits seit 1981 verankert sei. Doch der allergrösste Hebel, um arbeitende Frauen mit Kindern zu unterstützen, seien die Väter selbst, sagt Sander. «Das allerwichtigste ist, dass die Verteilung der unbezahlten Arbeit besser auf beide Geschlechter verteilt wird.» Die Sotomo-Umfrage zeigt, dass der Weg dahin noch lang ist. Wenn Frauen ihr Arbeitspensum reduzieren, dann wegen der Kinderbetreuung. Wenn Männer reduzieren, dann oft, um mehr Freizeit zu haben. Auch die Basler Bauingenieurin und dreifache Mutter Salomé Hug wünscht sich mehr Engagement der Väter bei der Kinderbetreuung. «Seitens des Staates dürfte der Druck gerne noch steigen», sagt sie. Der neue, zweiwöchige Vaterschaftsurlaub sei daher ein wichtiges Signal in die richtige Richtung. Ein Signal, dass auch noch mehr von der Privatwirtschaft ausgehen müsste, findet sie. Ihr eigenes Unternehmen hat den Vaterschaftsurlaub daher gerade freiwillig auf vier Wochen verlängert.

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Studie zu häuslicher Gewalt: Femizide sind nur die Spitze des Eisbergs

Häusliche Gewalt ist für viele in der Schweiz alltäglich. Das zeigt eine neue Umfrage: Rund ein Drittel der Bevölkerung hat bereits Gewalt in der Beziehung erlebt. Am Ende der Gewaltspirale stehen Femizide.

Die Umfrage der Forschungsstelle Sotomo zeigt: 42 Prozent der Frauen und 24 Prozent der Männer in der Schweiz haben bereits Gewalt in der Beziehung erlebt. 15 Prozent gibt zu, selbst schon einmal gewalttätig geworden zu sein. Die Umfrage umfasst alle Formen häuslicher Gewalt – die physische, psychische und sexuelle Gewalt. Entsprechend sind die Femizide die Spitze des Eisbergs, kommt die Studie zum Schluss. Sie haben meist eine lange Vorgeschichte und mit Grundüberzeugungen zu tun. Als Gründe für häusliche Gewalt nennen die Befragten: Alkoholkonsum, eigene Gewalterfahrung, Besitzansprüche und ein traditionelles Frauenbild. Für die Mehrheit der Befragten ist Gewalt in der Beziehung nicht tolerierbar und Trennungsgrund Nummer eins. Ausserdem sieht eine grosse Mehrheit die gewaltausübende Person in der Verantwortung. Ein guter Fünftel der Männer sieht aber sexy Angezogene in der Mitverantwortung im Falle von Belästigungen, bei den Frauen denkt ein Siebtel so. Vergewaltigungsmythen, die sexuelle Gewalt verharmlosen, erhalten keine mehrheitliche Zustimmung. Doch wissen nur rund 60 Prozent der Befragten, dass sich die Involvierten bei Vergewaltigungen meistens kennen. Die stereotypen Rollenbilder von Frau und Mann liegen teils erheblich auseinander: Dass Männer Frauen beschützen und erobern wollen – dass Frauen beschützt und erobert werden wollen, davon sind mehr Männer überzeugt als Frauen. Ein Fünftel der Männer hält ein Nein für einen möglichen Teil der Verführung, bei den Frauen ist es nur ein Zehntel. Zudem sind zehn Prozent der Befragten der Meinung, dass Frauen, die von einem Mann geschlagen werden, diesen auch in den meisten Fällen provoziert haben.

Gesellschaftliches Problem

Gut die Hälfte der Befragten hält das, was zu Hause geschieht, für eine Privatsache. Doch die grosse Mehrheit bezeichnet häusliche Gewalt als ein gesellschaftliches Problem und ist der Meinung, dass die Politik mehr dagegen unternehmen muss. Sie fordert mehr Prävention und öffentliche Gelder für Kampagnen. Ausserdem sollten Femizide in der Kriminalstatistik separat ausgewiesen und bei ärztlichen Kontrollen sollte häusliche Gewalt standardmässig angesprochen werden. Die Frauenhäuser lancieren gleichzeitig zur Sotomo-Umfrage eine Kampagne, um Wege aus der Gewaltspirale aufzuzeigen. Sie möchten das Thema Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt ins öffentliche Bewusstsein rufen und daran erinnern, dass sich die Schweiz mit der Unterzeichnung der «Istanbul Konvention» des Europarates 2018 dazu verpflichtet hat, umfassende Massnahmen gegen die Gewalt an Frauen und Mädchen zu ergreifen.

Häusliche Gewalt nimmt zu

Im Juni 2021 hat der Bundesrat den ersten Staatenbericht der Schweiz zur Umsetzung der «Istanbul Konvention» gutgeheissen. Darin hält er fest, dass die häusliche Gewalt und die Gewalt gegen Frauen mit der Konvention in den Fokus politischer Debatten gerückt sei. Eine Roadmap sowie Massnahmen- und Aktionspläne auf lokaler, kantonaler und nationaler Ebene sollen Verbesserungen ermöglichen. In den jüngsten Zahlen zum Jahr 2020 weist der Bund aus, dass im Schnitt alle zweieinhalb Wochen eine Frau an den Folgen häuslicher Gewalt stirbt. Von häuslicher Gewalt mitbetroffen sind schätzungsweise 27'000 Kinder jedes Jahr. Seit Jahren gibt es einen Trend zur leichten Zunahme. Mit 20'123 Straftaten wurde im Jahr 2020 ein neuer Höchststand im Bereich der häuslichen Gewalt registriert.

Hilfe für gewaltbetroffene oder -ausübende Personen

Polizei, Tel. 117 (Notruf)
Frauenhäuser für Frauen, auch mit Kindern
Mädchenhaus für Mädchen und junge Frauen
Schlupfhuus für alle Jugendlichen
Zwüschehalt Schutzhäuser für Männer
Opferhilfe Schweiz Beratungsstellen nach Kanton
Alter ohne Gewalt für ältere Menschen und Angehörige
Dargebotene Hand Sorgen-Telefon, Tel. 143
Beratung + Hilfe 147 für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
LGBT-Helpline für queere Menschen
Online-Opferberatung

Gewaltberatung Fachstellen nach Kanton


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Coronavirus: Tausende Angestellte sind noch immer im Homeoffice

Wegen des Coronavirus mussten vergangenes Jahr viele Schweizer ins Homeoffice. Noch jetzt arbeiten bei SBB, Swisscom oder Credit Suisse Tausende von daheim aus. Der Bund empfiehlt Arbeitnehmenden weiterhin, falls möglich von zu Hause zu arbeiten. Daher sind bei der Credit Suisse, SBB und Swisscom weiterhin Tausende im Homeoffice. Einige Unternehmen planen, auch in Zukunft flexible Arbeitsformen zu fördern.

Die Empfehlung des Bundes zu Büroarbeit heisst wegen des Coronavirus weiterhin: Wenn möglich sollen Angestellte aus dem Homeoffice arbeiten. Für viele Schweizer Firmen ist die Arbeit von Zuhause aus also immer noch Realität. «Derzeit arbeiten rund 70 Prozent unserer Mitarbeitenden in der Schweiz weiterhin im Homeoffice», bestätigt etwa die Credit Suisse auf Anfrage.Auch die Swisscom will in der Zukunft wie jetzt schon auf eine hybride Zusammenarbeitsform setzen. Das heisst: «Mitarbeitende können weiterhin, wenn möglich und sinnvoll, im Homeoffice arbeiten, treffen aber auch regelmässig ihr Team vor Ort.»Wie das konkret aussieht, können die Führungspersonen mit ihren jeweiligen Teams selbst gestalten. Einzige Leitlinie sei, dass Mitarbeitende mindestens einmal in der Woche vor Ort arbeiten.

SBB setzte schon vor Coronavirus auf flexible Arbeitsformen

Die SBB setzte schon vor der Pandemie auf flexible Arbeitsformen und will das auch in Zukunft fortführen. Seit August gehe das Transportunternehmen aber bereits wieder einen Schritt in Richtung Normalisierung. «Nun dürfen bis zu maximal 40 Prozent der Mitarbeitenden in ihrer definierten Arbeitsplatzzone arbeiten», heisst es auf Anfrage. Das gelte aber natürlich nur für die Tätigkeiten, die überhaupt im Homeoffice ausgeübt werden konnten. Diese Angestellten dürfen nun bei einem Vollzeitpensum jeweils an zwei Tagen wöchentlich wieder ins Büro gehen.

Weiterlesen - ein Beitrag von Carine Meier erschienen am 06.11.2021 auf www.nau.ch

 

Häusliche Gewalt - Ausländerinnen sollen besser vor Gewalt geschützt werden

Wenn das Aufenthaltsrecht an die Ehe gekoppelt ist, kommt eine Scheidung oft nicht infrage – trotz häuslicher Gewalt. Im Parlament zeichnet sich eine Lösung ab.

Die Situation heute führe dazu, dass Frauen gezwungen werden, in gewalttätigen Ehen zu bleiben, weil sie sonst das Land verlassen oder sich durch alle Instanzen klagen müssen. Dies sagt SP-Nationalrätin Samira Marti. Sie hat den Vorschlag angestossen, unterstützt von weiteren Nationalrätinnen aller Parteien aus der Staatspolitischen Kommission. «Das führt dazu, dass viele Frauen in toxischen und gewalttätigen Beziehungen bleiben. Das darf nicht sein. Deshalb haben wir heute auch mit einem grossen Mehr dieser parlamentarischen Initiative in einer ersten Phase Folge gegeben», so Marti.

Gewalt muss bis anhin bewiesen werden

Denn kommt es aktuell zu einer Trennung, dürfen die Betroffenen – meist sind es Frauen – grundsätzlich nur im Land bleiben, wenn sie mindestens drei Jahre verheiratet waren und als integriert gelten. Ausnahmen für Opfer häuslicher Gewalt gibt es nur, wenn sie nachweisen können, dass die Gewalt gegen sie eine gewisse Intensität und Systematik aufgewiesen hat. So fordern Opferhilfe- und Beratungsstellen schon lange eine Anpassung, bisher ohne Chance im Parlament. Bei der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) in Zürich nennt Nina Lanzi das Beispiel einer 31-jährigen Frau aus Kolumbien. Sie und ihr Schweizer Ehemann haben drei Kinder. «Sie wird regelmässig von ihrem Mann geschlagen, verbal erniedrigt, darf nicht aus der Wohnung und keinen Deutschkurs besuchen. Ihr Mann droht ihr, dass sie ohne die Kinder nach Kolumbien zurückmuss, wenn sie sich trennt und sich gegen die Gewalt wehrt», sagt Lanzi.

Kommission fordert Umdenken

Konkret schlägt die Kommission nun ein Umdenken vor und hat das politisch breit abgestützt: Wird jemand Opfer von häuslicher Gewalt, soll das höher gewichtet werden als das Aufenthaltsrecht. Nationalrätin Marti sagt: «Wir möchten, dass in Zukunft der sogenannte Opferstatus ausreichend Beweis erbringt, um ebendiese häusliche Gewalt nachzuweisen und dann auch eine entsprechende Härtefallbewilligung zu erhalten.» Gestützt auf das Opferhilfegesetz will die Kommission die bestehende Grundlage im Ausländer- und Integrationsgesetz anpassen. Somit soll die Anerkennung der häuslichen Gewalt durch eine Opferhilfe- oder Beratungsstelle ausreichen, auch ohne Strafverfahren. Ohnehin wenden sich nur die wenigsten Gewaltbetroffenen an die Polizei. Im letzten Jahr registrierte die Polizei über 20’000 Straftaten häuslicher Gewalt – neben Drohungen, Tätlichkeiten und Körperverletzung auch Tötungsdelikte.

Da die verschiedenen Statistiken keine Aussage über Aufenthaltsstatus oder Nationalität zulassen, ist nicht klar, wie viele Menschen von einer solchen Konstellation betroffen sind. Für Nationalrätin Marti ist klar: «Jeder Fall ist natürlich einer zu viel. Das müssen wir ganz klar betonen.» Erste Reaktionen auf den Kommissionsentscheid sind positiv, sowohl bei der Fachstelle FIZ als auch bei der Nichtregierungsorganisation Brava in Bern – früher Terre des Femmes. Georgiana Ursprung, Verantwortliche Politik bei Brava erinnert daran, wie wichtig der Schutz vor Gewalt sei, unabhängig von Aufenthaltsrecht der betroffenen Person. «Der Staat ist in der Verantwortlichkeit oder muss eine Möglichkeit schaffen, dass gewaltbetroffene Personen aus solchen Gewaltsituationen rauskommen können und Unterstützung bekommen.» Der politisch breit abgestützte Vorschlag geht nun an die Staatspolitische Kommission des Ständerats – mit entsprechend guten Chancen.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 05.11.2021 auf www.srf.ch