Grüne-Nationalrat fordert das Recht auf Teilzeit nach Geburt eines Kindes

Angestellte sollen nach der Geburt oder Adoption eines Kindes das Pensum reduzieren dürfen – auch gegen den Willen des Arbeitgebers. Die Forderung ist im Parlament umstritten. Mütter und Väter sollten ein Anrecht auf Teilzeit haben, fordert Fabien Fivaz (Grüne, Neuenburg) in einer parlamentarischen Initiative. Der Nationalrat berät voraussichtlich diese Woche darüber. Die Rechtskommission war mit 14 zu zehn Stimmen dagegen. Eine solche Regel korsettiere die Unternehmen unnötig, sagt GLP-Nationalrätin Judith Bellaiche. Florence Brenzikofer hingegen sagt, gerade der Fachkräftemangel lege es nahe, dass man den Arbeitnehmenden diese Möglichkeiten gebe.

Der Gap zwischen Wunsch und Realität ist offenbar gross: 96 Prozent der Mütter wollen Teilzeit arbeiten, aber nur 51 Prozent machen es. Bei den Vätern wollen 87 Prozent, aber nur 19 Prozent arbeiten wirklich Teilzeit. Das besagt eine Studie von Swiss Life. Grüne-Nationalrat Fabien Fivaz will, dass Angestellte von mittleren und grossen Unternehmen «das Recht haben, nach der Geburt oder Adoption eines Kindes ihren Beschäftigungsgrad angemessen zu reduzieren». Sein Vorstoss wird voraussichtlich diese Woche im Nationalrat diskutiert.

«In der Industrie hat Teilzeit ein schlechtes Image»

Doch was heisst angemessen? Denkbar wäre ein Modell, wie es die Bundesverwaltung seit 2013 hat, sagt Fivaz: Mütter und Väter dürfen um höchstens 20 Prozent auf mindestens 60 Prozent reduzieren – und seit 2020 gilt zusätzlich, dass sie das Pensum innerhalb von drei Jahren wieder aufstocken dürfen. Von diesem Recht machen jedes Jahr zwischen 150 und 200 Personen Gebrauch. Das müsste in allen Unternehmen möglich sein – ausgenommen die kleinen, sagt der 44-jährige Neuenburger Fivaz, der vor kurzem selber Vater geworden ist und sein Arbeitspensum bei einer Stiftung auf 80 Prozent reduziert hat. «Meine Arbeitgeberin ist sehr fortschrittlich, das war kein Problem. Doch nicht alle sind so flexibel», sagt er. Gerade in seinem Heimatkanton mit dem grossen Industrie-Sektor sei es für Eltern schwierig. «In der Industrie hat Teilzeitarbeit ein schlechtes Image. Nur schon danach zu fragen trauen sich viele nicht, weil sie ihre Karriere nicht gefährden wollen», sagt Fivaz. Wenn es für alle Pflicht wäre, würde sich das ändern, glaubt er.

«Das Gegenteil wäre nötig»

Die Rechtskommission des Nationalrats hat den Vorstoss im Mai mit 14 zu zehn Stimmen abgelehnt. Nationalrätin Florence Brenzikofer (Grüne, Baselland) gehört zur Minderheit, die zugestimmt hat: «Es ist gerade für Mütter wichtig, dass auch Väter das Pensum reduzieren können. Wenn mein Mann nicht auf 50 Prozent reduziert hätte, dann wäre ich nach der Mutterschaftspause nicht mit 70 Prozent wieder eingestiegen. Denn in der Säuglingsphase ist man darauf angewiesen, dass sich eine Person aus dem nahen Umfeld um das Kind kümmert.» Angesichts des Fachkräftemangels und der Notwendigkeit, dass auch Mütter im Job blieben, sei es wichtig, den Eltern entgegenzukommen, sagt sie. Dagegen ist die Zürcher GLP-Nationalrätin Judith Bellaiche. Auch sie argumentiert mit dem Fachkräftemangel: «Aus volkswirtschaftlicher Sicht müsste man eher dafür sorgen, dass höhere Pensen sich finanziell lohnen. Mit diesem Vorschlag würde man das Gegenteil machen.» Mit einer Pflicht zur Pensumsreduktion würden die Unternehmen einem unnötigen Zwang ausgesetzt, sagt Bellaiche: «Unser liberales Arbeitsrecht hat sich bewährt und der Arbeitsmarkt erweist sich als robust – gerade, weil wir der Versuchung widerstehen, übermässig Vorschriften zu erlassen, wie das teilweise im Ausland geschieht.»

Arbeitgeber sind gegen «Einheitslösung»

Der Arbeitgeberverband hingegen lehnt eine «Einheitslösung» ab, wie Sprecher Andy Müller sagt. Auch wegen des akuten Personalmangels setzten Unternehmen derzeit alles daran, attraktiv zu sein für die Beschäftigten, dazu gehörten auch Teilzeitmodelle. Es gebe hier durchaus eine Entwicklung, das zeige die Zunahme von Teilzeit arbeitenden Vätern von 14 auf 18 Prozent in zehn Jahren – «ganz ohne gesetzliche Regelung». Der Verband habe keine Rückmeldungen aus den Unternehmen, wonach der Wunsch der Beschäftigten nach Teilzeitarbeit und die Wirklichkeit auseinanderklaffen würden.

Weiterlesen - ein Beitrag von Claudia Blumer erschienen am 21.09.2022 auf www.20min.ch

Frauen in Führungspositionen: Hohe Hürden für Frauen auf dem Weg nach oben

Noch immer sind Frauen in Führungspositionen im Vergleich zu Männern eine Seltenheit. Vielen kommt die Schweizer Kultur in die Quere. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie.

Je mehr Schweizer Mitarbeitende in einer Branche arbeiten, desto schwerer haben es Frauen, in eine Führungsposition aufzusteigen. Dies besagt der «Gender Intelligence Report», eine neue Studie der Universität St. Gallen und des Wirtschaftsverbands für Gleichstellung Advance. Zum einen hängt dies mit dem Schweizer Idealbild von Führungskräften zusammen, sagt Ines Hartmann, die die Studie mitverfasst hat: «Führung wird noch immer mit dem typischen Männerbild in Verbindung gebracht.» Führungskräfte müssen durchsetzungsfähig und kompetitiv sein – Attribute, die mit Männern assoziiert werden. Frauen hingegen schreibe man eher Bescheidenheit und Zurückhaltung zu. Zum anderen erschwere die Teilzeitkultur Frauen den Aufstieg. In Führungspositionen sei es die Norm, Vollzeit zu arbeiten. Wer in einem tieferen Pensum tätig sei, habe weniger gute Chancen auf eine Kaderstelle. «Die Teilzeitstrafe trifft alle Geschlechter, jedoch wird sie zum Frauenproblem, weil weitaus mehr Frauen Teilzeit arbeiten», ergänzt Hartmann. Zudem finden gemäss der Studie die Hälfte der Beförderungen im Alter von 31 bis 40 Jahren statt. «Das ist genau der Zeitpunkt, wenn viele Frauen ihr Pensum aufgrund der Familienplanung stärker reduzieren», so Hartmann. Im Ausland hingegen ist es für Frauen weniger üblich, Teilzeit zu arbeiten. Das Verhältnis derjenigen Frauen, die aus einer unteren Funktion ins oberste Kader aufsteigen, ist bei Schweizerinnen kleiner als bei Ausländerinnen. Wenn es Frauen in hohe Führungspositionen schaffen, sind es gemäss der Studie verhältnismässig mehr Frauen ohne Schweizer Pass. 70 bis 80 Prozent der Kaderstellen sind von Männern besetzt. Wenn es Frauen nach oben schaffen, haben sie im Management häufig Rollen mit wenig Einfluss auf den Geschäftsgang, wie Personalchefin oder Kommunikationsverantwortliche. In der Studie zeigen sich jedoch je nach Branche Unterschiede.

Schwererer Aufstieg bei Versicherungen und Banken

Erstmals wurde im Rahmen der Studie der Glass Ceiling Index (GCI) der einzelnen Branchen untersucht. Dieser besagt, wie dick die gläserne Decke ist, also wie schwer es Frauen haben, aufzusteigen. Besonders dünn ist die gläserne Decke in der Pharma- und in der Maschinen-, Elektro- und Metallbauindustrie (MEM-Branche). Schwerer haben es Frauen bei Versicherungen und Banken. Die Bankenbranche hat im unteren Kader einen Frauenanteil von 31 Prozent, die MEM-Branche 19 Prozent. Jedoch haben beide Branchen im oberen Kader einen Frauenanteil von 16 Prozent. Dieses Beispiel zeigt, dass die MEM-Industrie ihr Gender-Diversity-Potenzial gut abschneidet, während die weibliche Talent-Pipeline in der Bankenbranche deutlich weniger genutzt wird, heisst es in der Studie. Gemäss Hartmann geht es für Frauen jedoch bergauf. Bei den untersuchten Unternehmen hat der Frauenanteil im Kader im Vergleich zu 2020 um drei Prozentpunkte zugenommen. Doch wieso verläuft dieser Fortschritt so langsam? «Mann macht gerne das, was man schon immer gemacht hat», vermutet Hartmann. Sie sieht jedoch einen Hoffnungsschimmer: Die Pensionierungen der Babyboomer stehen an. «Nun ist ein guter Zeitpunkt für Unternehmen, um zu reflektieren, wie die Führung der Zukunft aussehen soll und welche Kompetenzen gefragt sind. Das führt dazu, dass mehr Vielfalt möglich sein wird.»

Weiterlesen - ein Beitrag von erschienen am 15.09.2022 auf www.srf.ch

Teure Kinderbetreuung Kita-Krach der Wirtschaftsverbände

Der Arbeitgeberverband engagiert sich an vorderster Front für günstigere Kita-Plätze. Economiesuisse will davon nichts wissen.

Valentin Vogt (61), Patron alter Schule und Präsident des Arbeitgeberverbands, steht nicht im Verdacht, ein verkappter Linker zu sein. Umso bemerkenswerter ist sein Engagement für günstigere Kita-Plätze: Vogt ist der Kopf einer parteiübergreifenden Allianz für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Vogts Einsatz ist nicht frei von Eigennutz. Die Wirtschaft ist in Zeiten des Fachkräftemangels auf jede Mitarbeiterin angewiesen. Auch auf Mütter, von denen viele in tiefen Pensen tätig sind. Denn mancherorts kostet die Kinderbetreuung mehr, als ein höheres Pensum einbringen würde.

Gesetz soll Kosten senken

Die Bildungskommission des Nationalrats möchte das Problem angehen: mit einem Gesetz, das unter anderem die Kosten für Kita-Plätze senken soll. Das Gesamtpaket würde den Bund jährlich 570 Millionen Franken kosten; die Vernehmlassung dazu ging am Mittwoch zu Ende. Beim Arbeitgeberverband begrüsst man die Vorlage ausdrücklich.Das Gesetz sei ein «überfälliger Meilenstein», schreibt der Verband auf seiner Website. Mehr noch: Die heutigen Rahmenbedingungen zur Vereinbarung von Familie und Beruf seien «im internationalen Vergleich nachweislich ungenügend». Zwar fordern die Arbeitgeber eine Reduktion der Gelder, mit denen sich der Bund an der Finanzierung der externen Kinderbetreuung beteiligt. Insgesamt ist die Tonalität aber positiv.

Pikante Stellungnahme

Ganz anders beurteilt der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse das Gesetz. Es sei «nicht ersichtlich», inwiefern die Vorlage den Fachkräftemangel bekämpfe, heisst es in der Vernehmlassungsantwort knapp. Wenn der Bund Gelder zahle, dann nur, sofern beide Eltern ein «minimales Arbeitspensum» leisteten. Die abschlägige Stellungnahme von Economiesuisse ist pikant – denn natürlich ist dem Verband Vogts Engagement wohlbekannt. Damit konfrontiert, wiegelt Rudolf Minsch, Chefökonom bei Economiesuisse, ab. Die Differenzen zum Arbeitgeberverband seien «nicht gross», meint Minsch. Und: Man teile das Anliegen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Eine diplomatische Antwort – die den Kita-Graben zwischen den Schwesterverbänden indes nur notdürftig übertüncht.

Weiterlesen - ein Beitrag von Camilla Alabor erschienen am 11.09.2022 auf www.blick.ch

Studie beweist: Homeoffice tut Müttern (und auch Vätern und Kindern) richtig gut!

Eine Studie zeigt, was wir bei der SI-Family-Redaktion schon lange gemerkt haben: Dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Homeoffice besser gelingt. Offenbar profitieren vor allem Mütter von einer Entlastung durch Homeoffice.

Wer viel im Homeoffice arbeitet, der kriegt Beruf und Familie besser unter einen Hut. So die zentrale Aussage einer neuen Untersuchung, welche ein internationales Forscherteam rund um die deutsche Soziologin Dr. Inga Lass vom Bundesamt für Bevölkerungsforschung im Fachmagazin «Work, Employment and Society» veröffentlicht hat. Das Forscherteam kam zum Schluss, dass Eltern, die viel im Homeoffice arbeiten (also nicht nur einen Tag, sondern den grössten Teil ihres Pensums) deutlich weniger Konflikte zwischen Familie und Beruf erleben. Dass das Homeoffice ein wichtiger Schritt Richtung Vereinbarkeit ist, überrascht vor allem Mütter nicht. Sie, die immer noch einen Grossteil der Care-Arbeit zuhause erledigen, werden durch den Wegfall von Pendelzeiten und durch selbstbestimmteres Arbeiten entlastet. Die Studie belegt: Mütter profitieren insgesamt stärker von Homeoffice-Angeboten seitens der Arbeitgeber als Väter. Das Autorenteam sieht eine mögliche Ursache in «geschlechtsspezifischen Nutzungsmustern von Homeoffice.» Dr. Inga Lass erklärt, dass «Mütter den Gewinn an Flexibilität und Zeit, der aus dem Homeoffice resultiert, häufiger als Väter dazu nutzen, familiären Anforderungen gerecht zu werden.» Davon profitiert die ganze Familie. Der daraus entstehende konfliktreduzierende Effekt kommt Müttern genauso wie Vätern (und natürlich auch Kindern) zugute.

So erleben es Mütter der SI-Family-Redaktion
 

Bei SI-Family arbeiten ausschliesslich berufstätige Mütter und allesamt vorwiegend aus dem Homeoffice. Die Studie belegt, was wir längst wussten! Von zuhause aus arbeiten zu können, bedeutet, Ressourcen viel effizienter einzusetzen und von Synergien zu profitieren. Ein Beispiel: Dem Arbeitgeber geht nichts verloren, wenn man in der Kaffeepause noch rasch die Wäsche in die Maschine stopft. Aber der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin gewinnt dadurch an Haushaltseffizienz, weil zum Beispiel eine Waschmaschine in einem Mietshaus mit mehreren Parteien nach Feierabend nicht immer frei ist.

Homeoffice-Mütter haben mehr Zeit mit ihren Kindern
 

Mütter auf der SI-Redaktion freuen sich auch, wenn sie nicht schon vor den Kindern aus dem Haus müssen, sondern sie um 8 Uhr (ungefähr) liebevoll in den Schulalltag entlassen dürfen und auch in die Arme nehmen können, wenn sie mit guten oder schwierigen Emotionen geladen zurückkommen. Plötzlich liegt es drin, mit den Kindern Zmittag zu essen – und mit etwas Planung beeinträchtigt die Kocherei die Arbeitszeiten überhaupt nicht. Forscher des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung haben herausgefunden, dass Mütter, die mehrheitlich im Homeoffice arbeiten, im Durchschnitt pro Woche drei Stunden mehr Zeit mit ihren Kindern zur Verfügung haben – ohne dass dem Arbeitgeber eine einzige Minute an Output verloren geht. Inga Lass und ihr Forscherteam bestätigen dies. «Beschäftigte mit grosszügiger Homeoffice-Nutzung verfügen der Studie zufolge über eine bessere Kontrolle ihrer Arbeitszeit und gewinnen durch reduzierte Pendelwege mehr Familienzeit», heisst es in der Pressemeldung.

Einen Haken hat das Ganze
 

Den einzigen Nachteil eines hohen Homeoffice-Anteils für Eltern sieht Dr. Inga Lass darin, dass Homeoffice auch die Arbeit zu Randzeiten und am Wochenende begünstigt. Ob das wirklich ein Nachteil ist? Hier muss sich eben Jeder / Jede selber lieb sein und lernen, seine / ihre Grenzen klar abzustecken.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 10.09.2022 in der Schweizer Illustrierten

 

Gender Overall Earnings Gap: Die Schweiz hinkt bei der Einkommensgleichheit hinterher

Ob unbezahlte Arbeit oder Pensionskasse: Ein neuer Bericht des Bundesrats zeigt die deutlichen Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau. Was muss sich ändern?

Samira Marti, Basler SP-Nationalrätin, hatte 2019 ein Postulat an den Bundesrat verfasst. Darin heisst es, dass der Bundesrat im Rahmen eines Berichtes klären soll, wie der Gender Overall Earnings Gap (GOEG) sowie andere wichtige Daten zu unbezahlter Arbeit und Lohndiskriminierung in Zukunft regelmässig als Zeitreihendaten erhoben oder berechnet und veröffentlicht werden können. Dieser Bericht liegt nun vor und erstmals wurde der GOEG für die Schweiz berechnet. Nebst der bekannten Lohnungleichheit (19 Prozent) wurden weitere Punkte analysiert.

Gender Overall Earnings Gap
Über alles gerechnet, haben Frauen im Erwerbsalter in der Schweiz im Jahr 2018 um 43.2 Prozent weniger verdient als Männer. 2018 gehörte die Schweiz zu den Ländern mit den insgesamt grössten Erwerbseinkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern.

Gender Pension Gap
Im Jahr 2020 betrug die durchschnittliche Höhe der Renten von Frauen 35'840 Franken; jene der Männer 54'764 Franken. Die durchschnittliche jährliche Gesamtrente der Frauen im Jahr 2020 ist somit um 18'924 Franken tiefer als jene der Männer. Im europäischen Vergleich gehört die Schweiz zu den Ländern mit einem relativ hohen Gender Pension Gap.

Unbezahlte Arbeit
Frauen wendeten mehr Zeit für Haus- und Familienarbeit auf (30 Std. pro Woche gegenüber 19 Std.). Umgekehrt setzten Männer im Durchschnitt mehr Zeit für bezahlte Erwerbsarbeit ein (31 Std. pro Woche gegenüber 21 Std.).

Weiterlesen - ein Beitrag von erschienen am 08.09.2022

Geldsorgen nach der Trennung

Nach der Trennung haben viele Mütter Geldsorgen. So auch Sandra (Name geändert), die heute einiges anders machen würde.

Sandra ist Architektin, Mutter von zwei Kindern und hat Geldsorgen: «Angefangen hat es damit, dass ich eines Tages merkte, dass das Konto im Minus ist», sagt sie. Sie und ihr Ex-Partner hatten stets getrennte Kassen, verheiratet waren sie nicht. Sandra zahlte von jeher vieles selber; jetzt, nach der Trennung, sei das Geld knapp. Sandra hatte wegen der Kinder stets weniger gearbeitet als ihr Ex-Partner, der ebenfalls Architekt ist. Sie arbeitete jeweils 50-60 Prozent, er immer mindestens 80 Prozent. Auf ein Haushaltskonto bezahlten Sandra und ihr Ex-Partner Geld ein – anteilsmässig zum Einkommen. Davon bezahlten sie Ausgaben für Wohnen, Essen und die Kinder. Doch den Rest, auch Arztkosten, bezahlten sie getrennt. Heute würde Sandra einiges anders machen und etwa einfordern, dass ausserordentliche Kosten, wie etwa hohe Arztkosten, gemeinsam bezahlt werden.

«Mir war Geld lange nicht so wichtig», sagt Sandra. Doch nun habe sie gemerkt, dass ihr Ex-Partner nach der Trennung finanziell deutlich besser dastehe als sie. «Er hat ein Auto, ein Ferienhaus, ein eigenes Büro.» Sie selber hingegen habe kaum etwas auf die Seite legen können, weil sie stets weniger gearbeitet und somit weniger verdient habe als er. «Das wurmt mich jetzt», sagt die Mutter. Immerhin habe sie immer gearbeitet und in die AHV, die Pensionskasse und die 3. Säule einbezahlt. Aber im Vergleich zu ihrem Mann steht sie auch im Alter schlechter da. Wegen seines höheren Einkommens konnte er etwa mehr in die Pensionskasse einzahlen.

Trennung mit finanziellen Folgen

Leider sei es oft so, dass sich solche finanziellen Unterschiede erst bei einer Trennung bemerkbar machten, sagt Olga Miler. Sie ist Geschäftsführerin und Gründerin von Smartpurse. Das Unternehmen berät Frauen in Geld- und Vorsorgefragen. Wäre sie verheiratet, stünde Sandra nach der Trennung finanziell besser da als heute. Alles Geld, das sie und ihr Partner während der gemeinsamen Zeit verdient und gespart hätten, würde dann im Normalfall beiden gehören. Auch die Pensionskassengelder würde bei einer Scheidung halbiert. Allerdings sei Heiraten nicht per se besser, sagt Olga Miler. Auch im Konkubinat könne man sich mit entsprechenden Vereinbarungen absichern. «Egal, ob verheiratet oder nicht, man müsse sich unbedingt damit befassen, was bei einer Trennung finanziell passieren könnte», sagt sie.

Frauen stehen im Alter oft schlechter da

Weil meist die Frauen mehr unbezahlte und weniger bezahlte Arbeit leisten als ihre Partner, stehen sie nach einer Trennung im Alter oft finanziell schlechter da. Eine Studie der Berner Fachhochschule aus dem Jahr 2016 zeigt: Die Renten der Männer, also AHV, Pensionskasse und 3. Säule zusammen, sind im Schnitt 37 Prozent höher als jene der Frauen. Dieser Unterschied ist fast ausschliesslich auf die viel geringeren Pensionskassenrenten zurückzuführen: Die Pensionskassenrenten der Frauen sind 67 Prozent tiefer als jene der Männer. Frauen können oft weniger in die berufliche Vorsorge einzahlen, weil sie weniger verdienen. Und Pensionskassen benachteiligen tiefe Einkommen. Unter anderem, weil erst ab einem gewissen Betrag überhaupt Pensionskassengelder angespart werden können. Dazu kommt, dass die viele unbezahlte Arbeit, die Frauen leisten, in der Pensionskasse gar nicht abgedeckt ist.

Alte Rollenbilder

Gründe, warum heute immer noch mehrheitlich die Frauen das Pensum für die Kinderbetreuung reduzieren, gibt es viele. Helena Trachsel leitet den Fachbereich Gleichstellung beim Kanton Zürich. Sie sagt, die Gesellschaft trage eine grosse Mitverantwortung: «Frauen, die mit kleinen Kindern hochprozentig arbeiten wollen, müssen sich immer noch rechtfertigen – gegenüber dem Arbeitgeber, aber auch im privaten Umfeld.» Auch scheuten sich viele Frauen davor, mit ihren Männern über die Kinderbetreuung zu verhandeln, und zwar, bevor Kinder da seien, sagt Helena Trachsel. Aber nicht nur in der Gesellschaft, auch politisch müsse sich einiges bewegen. Zum Beispiel brauche es flächendeckend Kitas, die auch bezahlbar sind. «Gerade bei tieferen Löhnen und bei mehreren Kindern macht es für Paare oft keinen Sinn, dass beide arbeiten», sagt Helena Trachsel.» Ausserdem fehle es auch an Strukturen, in denen auch Kinder ab dem Kindergartenalter den ganzen Tag betreut wären.

Teilzeitfreundliche Arbeitsbedingungen – auch für Männer

Auch die Unternehmen stünden in der Verantwortung, sagt Olga Miler von der Finanzplattform Smartpurse. Sie fordert teilzeitfreundliche Arbeitsbedingungen. «Die Unternehmen müssen klar kommunizieren, dass dies auch für Männer gilt.» Noch immer würden Männer belächelt, wenn sie Teilzeit arbeiten möchten. Da brauche es mehr Offenheit. Auch beim Wissen über Geld und Finanzplanung gibt es noch Nachholbedarf. Eine Umfrage der Finanzplattform Smartpurse vom Juli 2022 zeigt: Fast die Hälfte der befragten 2500 Frauen scheint sich mit der Finanzplanung schwer zu tun. Auch Sandra sagt von sich, dass sie wenig über Geld wusste. Unter anderem auch deshalb macht sie jetzt ein Finanzcoaching – zum Beispiel, um zu lernen, wie sie Geld anlegen und mehr fürs Alter ansparen könnte.

Pensumsreduktion: Worauf man achten muss – das sagen Expertinnen

  • Verhandeln Sie mit dem Partner/der Partnerin über die Kinderbetreuung – bevor Kinder da sind. Können z.B. beide das Pensum reduzieren?
  • Informieren Sie sich, was eine Pensumsreduktion und die Übernahme von unbezahlter Arbeit für finanzielle Auswirkungen hat, wenn der Partner/die Partnerin stirbt oder es zu einer Trennung kommt. Sprechen Sie darüber, wie das ausgeglichen werden kann.
  • Erkundigen Sie sich, was Sie tun müssen, damit keine Vorsorgelücken entstehen.
  • Das Risiko von Altersarmut können Sie reduzieren, wenn Sie nach einer Geburt schnell wieder ins Erwerbsleben zurückgehen und mindestens 3 Tage arbeiten.

Weiterlesen - ein Beitrag von erschienen am 08.09.2022 auf www.srf.ch