Viele Bedürftige verzichten auf Sozialhilfe – Kirche hilft

Immer mehr Menschen verzichten freiwillig auf Sozialhilfe. Hilfsorganisationen stossen darum an ihre Grenzen. Die Stadt Bern ergreift Massnahmen. Unter anderem aus Angst, ausgewiesen zu werden, verzichten viele auf Sozialhilfe. Zusammen mit der Kirche möchte die Stadt Bern nun mit einem Pilotprojekt gegensteuern.

2019 wurde das revidierte Ausländer- und Integrationsgesetz eingeführt. Eine der Folgen: Wer mit einem B-Ausweis Sozialhilfe bezieht, dem kann die Aufenthaltsbewilligung entzogen werden. Und zwar, wenn jemand «dauerhaft und in erheblichem Mass auf Sozialhilfe angewiesen ist». Darum verzichten viele Menschen auf Sozialhilfe. Neben der drohenden Ausschaffung können aber auch Scham oder Stolz Gründe für den freiwilligen Verzicht sein. Wie «Schweiz aktuell» berichtet, hätten Hilfsorganisationen darum derzeit einen besonders grossen Anlauf. In der Stadt Bern schreitet nun die katholische Kirche ein. Zusammen mit der Stadt soll eine Überbrückungshilfe geschaffen werden. Erstere finanziert das Unterfangen, während die Kirche die Hilfen organisiert.

Der Leiter der Fachstelle Sozialarbeit der katholischen Kirche Bern, Mathias Arbogast, sagt: «Wir haben Familien mit unsicheren Einkünften, Menschen mit Erwerbsarmut, alleinerziehende Elternteile und: Menschen in akuten Krisen.» Hinzu käme dann ein Teil von Migranten, die ihren Sozialhilfeanspruch bewusst nicht geltend machen. Arbogast rechnet damit, dass sich die Situation aufgrund der Inflation weiter verschärft. Franziska Teuscher, Sozialdirektorin der Stadt Bern (GB), schildert weitere Gründe für den freiwilligen Verzicht auf Sozialhilfe. So hätten manche die falsche Vorstellung, dass sie bei Sozialhilfe oder Nothilfe registriert oder gar überwacht würden. «Das ist eine Fehlinformation», so Teuscher. Bei der Überbrückungshilfe über die katholische Kirche sei der Zugang jedoch niederschwelliger, die Angst vor Überwachung geringer.

Gegen «parallele Sozialhilfe»: FDP machte Hilfsprojekt Strich durch die Rechnung

Das Pilotprojekt der Stadt Bern läuft noch dieses Jahr und soll im Herbst ausgewertet werden. Doch juristisch könnte sich die Sache auf wackeligen Beinen bewegen. Ein ähnliches Unterfangen in der Stadt Zürich schlug nämlich fehl: Während der Pandemie hatte die Stadt eine Basishilfe aufgezogen, von der auch Sans-Papiers, also Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung, Gebrauch machen konnten. Die FDP schritt ein und stoppte das Projekt mit einer Beschwerde, die vom Bezirksgericht gutgeheissen wurde. Michael Schmid (FDP) vom Gemeinderat der Stadt Zürich begründet: «Ausländerrecht und Sozialhilferecht geben klar vor, wer Anspruch hat auf Sozialhilfe.» Alle Menschen hätten grundsätzlich das Recht auf verfassungsrechtliche Nothilfe, doch: Die Stadt könne nicht «von sich aus Sozialhilfe oder eine Parallel-Sozialhilfe aufbauen, wenn dies das übergeordnete Recht nicht zulässt.» In Bern hingegen sei die Überbrückungshilfe so ausgestaltet worden, dass sie mit dem kantonalen Gesetz vereinbar ist, versichert Teuscher. Somit handle es sich nicht um «Sozialhilfe auf städtischer Ebene».

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 18.01.2023 auf www.nau.ch

 

Weniger Stress: Lohn für pflegende Angehörige zahlt sich aus

Caritas zahlt pflegenden Angehörigen in den Kantonen Luzern und Zug einen Lohn. Ziel ist es, dies schweizweit zu tun.

Seit sechs Jahren pflegt Vincenza Pappalardo ihren heute 84-jährigen Vater. Als er eine Hirnblutung erlitt, beschloss sie, zu ihm zu ziehen und ihn zu pflegen. Seither kann sie nur noch in einem kleinen Pensum ihrer sonstigen Arbeit nachgehen.

Jährliche Kosten von 3.7 Milliarden Franken

Seit einem halben Jahr ist die 45-Jährige nun von der Caritas angestellt und erhält für die Pflege ihres Vaters einen Lohn von 35 Franken pro Stunde. Dies entlaste sie enorm. Sie habe jahrelang immer wieder Jobs für ein paar Monate gesucht. Wenn ihr Vater wieder mehr Pflege brauchte, musste sie wieder reduzieren. «Das ist ein Stress. In der Arbeitswelt musst du ja dann auch schauen, dass es irgendwie passt.» In der Schweiz pflegen fast 600'000 Menschen ihre Angehörigen. Freiwillig, ohne Bezahlung. Die Gefahr, in die Armut abzurutschen, weil die Angehörigen Pflege und Beruf nicht aneinander vorbeibringen, ist gross. Würde man all diese Angehörigen für ihre Betreuungsarbeit entschädigen, hätte dies Kosten von 3.7 Milliarden Franken pro Jahr zur Folge. Dies hat das Bundesamt für Statistik ausgerechnet.

Nicht nur Geld – auch Beratung

Die Caritas setzt seit einem halben Jahr genau da an. Was als Pilotprojekt begann, wurde inzwischen in den Kantonen Luzern und Zug fix eingeführt. «Wir sind auf grosses Interesse gestossen bei den pflegenden Angehörigen in den Kantonen Luzern und Zug. Wir haben aber auch gesamtschweizerisch Anfragen erhalten, wann dieses Angebot auch in anderen Kantonen gelte», sagt Veronika Lagger, Pflegeverantwortliche bei Caritas. Die Caritas zahlt allerdings nicht nur Lohn: Zum Angebot gehört auch, dass die Angehörigen professionelle Betreuung erhalten. Etwas, was Vincenza Pappalardo sehr schätzt: «Ich bin viel gelassener, weil ich weiss, dass ich nicht mehr alleine bin.» Pflegeleiterin Veronika Lagger besucht Vincenza Pappalardo regelmässig und berät sie. «Wenn sich ein neues Pflegeproblem ergibt, dann erhalte ich ein Feedback, wie ich mit der Situation am besten umgehen kann», sagt Vincenza Pappalardo. Es seien vor allem Frauen, die die sogenannte Care-Arbeit erledigen. Töchter pflegen ihre Eltern, Ehefrauen ihre Partner. Auch bei dem Pilotprojekt der Caritas sei das nicht anders. «Inzwischen haben wir 13 pflegende Angehörige angestellt. Vier stehen vor einem Vertragsabschluss», führt Veronika Lagger aus. Lediglich ein Viertel davon sei männlich.

Nur Pflege wird bezahlt

Sie sei dankbar, dass die Caritas gesehen habe, dass pflegende Angehörige Hilfe benötigen, sagt Vincenza Pappalardo. Allerdings wird nur die pflegerische Arbeit bezahlt. Die zusätzliche Betreuung ist dabei nicht enthalten. Das sind die gesetzlichen Grundlagen und darauf stützt sich die Caritas. Veronika Lagger sieht bei der Abgrenzung von Pflege und Betreuung durchaus offene Fragen: «Betreuung ist ein grosser Teil, den die pflegenden Angehörigen leisten, und der wird bei diesem Projekt tatsächlich so nicht entschädigt.» Und sie fügt hinzu: Die Gesellschaft müsse sich überlegen, was ihnen auch die freiwillige Betreuungsarbeit wert sei. Bei der Caritas sei man froh, dass immerhin die pflegerische Arbeit entlohnt wird. Und dass das Projekt bald auf die ganze Zentralschweiz ausgeweitet wird. In den Kantonen Obwalden, Nidwalden und Schwyz laufen Bewilligungsverfahren. Ziel sei es, dass Caritas pflegende Angehörige in der ganzen Schweiz anstellen und für ihre Arbeit bezahlen kann.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 17.01.2023 auf www.srf.ch

Die Schweiz wird immer älter – erstmals 100’000 Neurentner

Die wachsende Zahl an Menschen, die in Rente gehen, stellt die Schweizer Wirtschaft vor Herausforderungen. Neben Fachkräftemangel gibt es auch einen generellen Arbeitskräftemangel. Die Zahl der Pensionierten nimmt in der Schweiz stetig zu, im Jahr 2021 haben erstmals 96’292 Menschen zum ersten Mal AHV bezogen. Bis 2040 könnten potenziell bis zu 321’000 Arbeitskräfte fehlen, da es mehr Menschen gibt, die 65 werden, und es weniger 20-Jährige gibt. Die Zuwanderung kann zwar helfen, die anstehenden Probleme etwas abzuschwächen, doch die wichtigsten Zuwanderungsländer sind von einer noch drastischeren Alterung der Bevölkerung betroffen.

Im Jahr 2021 haben laut einer am Donnerstag veröffentlichten Auswertung des Bundesamtes für Statistik (BFS) 96’292 Menschen in der Schweiz zum ersten Mal die AHV bezogen. Diese Zahl wächst stetig weiter an. Noch im letzten Jahr waren es rund 10’000 Personen weniger. Gegen Ende von diesem Jahrzehnt wird laut dem «Tages-Anzeiger» erwartet, dass über 2,2 Millionen Menschen innerhalb der Schweiz pensioniert sein werden. Heute sind es 1,7 Millionen. Während das Geschlechterverhältnis beim Bezug von Leistungen aus der AHV relativ ausgeglichen sei, bezogen deutlich mehr Männer eine Leistung aus der zweiten oder dritten Säule als Frauen, heisst es in der Medienmitteilung des Bundes. Dies, weil Frauen aus familiären Gründen häufiger als Männer auf eine Erwerbstätigkeit verzichten beziehungsweise Löhne beziehen, die unter der Eintrittsschwelle für die berufliche Vorsorge liegen.

Gravierende Auswirkungen

Die Generation der Babyboomer geht in Rente und nicht genügend junge Arbeitskräfte rücken nach, deshalb entsteht eine Lücke bei den Erwerbstätigen. Zwischen 2023 und 2029 werden 788’000 Personen das Alter von 65 Jahren erreicht haben, während es nur 640’000 neue 20-Jährige gibt. Der «Tages-Anzeiger» bezieht sich bei dieser Zahl auf Berechnungen des Kompetenzzentrums für Demografie in Basel. Die Differenz von 148’000 stellt die Lücke der potenziellen Arbeitskräfte dar. Diese soll sich bis 2040 auf 321’000 potenzielle Arbeitskräfte erhöhen.Die Folgen, wenn sich die Zahl stetig vergrössert: «Neben einem Fachkräftemangel haben wir mittlerweile auch einen generellen Arbeitskräftemangel», sagt der Basler Demograf Manuel Buchmann gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Nicht nur hoch qualifizierte Informatiker und Ingenieure würden fehlen, sondern auch mittel und tief qualifizierte Arbeitskräfte in der Gastronomie und der Pflege.

Zuwanderung als Lösung?

In der Zukunft werden sich diverse Fragen in Bezug auf die Schweizer Wirtschaft stellen. Eine davon: Wie verändern sich die Steuereinnahmen und Ausgaben? Insbesondere für Arbeitgebende sei es wichtig, die Bedeutung der Fachkräftesituation auf Ebene der Unternehmensstrategie zu verstehen und frühzeitig Massnahmen zu treffen, so Manuel Buchmann. Zwar könne die Zuwanderung dazu beitragen, die anstehenden Probleme etwas abzuschwächen, doch reichen werde das nicht.Die Nettozuwanderung müsste deutlich und nachhaltig ansteigen, doch: «Weil unsere wichtigsten Zuwanderungsländer von einer noch drastischeren Alterung der Bevölkerung betroffen sind, ist dies nicht wirklich wahrscheinlich», so Buchmann. 

Weiterlesen - ein Beitrag von Justin Arber erschienen am 13.01.2023 auf www.20min.ch

Stärkung der Anerkennung von betreuenden Angehörigen auf Bundesebene

Fast alle betreuen irgendwann im Leben während einiger Zeit eine angehörige Person. Zwei Drittel dieser Betreuenden tun dies im erwerbsfähigen Alter. Ein Viertel von ihnen reduziert infolgedessen das Erwerbspensum. Die betreuenden Angehörigen erfahren mit wenigen Ausnahmen weder eine finanzielle noch eine gesellschaftliche Anerkennung. Diese könnte mit einfachen Massnahmen auf Bundesebene für alle Betroffenen optimiert werden. Das EKFF-Policy Brief Nr. 5, verfasst vom Kommissionsmitglied Valérie Borioli Sandoz, zeigt die Herausforderungen in der Schweiz auf und macht Verbesserungsvorschläge.

Die meist unentgeltliche Hilfeleistung an emotional verbundenen verwandten oder befreundeten Personen kann weitreichende Auswirkungen auf die Gesundheit, die Berufslaufbahn, das Einkommen und die Altersvorsorge haben. Massnahmen zur Entlastung und Anerkennung der Care-Leistungen der betreuenden Angehörigen sind in erster Linie Entlastungsangebote (Ferienbetreuung, rasche Hilfe in Krisensituationen, Fachberatung und Austausch, Transportdienste etc.), aber auch Hilfestellungen bei einer nachfolgenden Wiederaufnahme der Erwerbslaufbahn unter Berücksichtigung der während der Betreuung erworbenen Kompetenzen und eine grosszügigere Gewährung von Betreuungsgutschriften in der AHV. Zudem würde auch eine einheitliche Definition und Anerkennung von betreuenden Angehörigen, bspw. mittels einer Notfallkarte, wie diese die Kantone Genf und Waadt gewähren, in der Zusammenarbeit mit Gesundheits- und Sozialinstitutionen sowie kommunalen Verwaltungen ihr Leben erleichtern.

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Der Preis für Kind und Karriere

Von wegen Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Noch immer müssen sich arbeitende Frauen mit Kindern anhören, sie seien schlechte Mütter oder unprofessionell im Job.
 
«Die verdammte Fiktion dieser Vereinbarkeit beginnt schon dort», sagt Denise Petrikat (41) und wirft die Hände in die Luft. Mit «dort» meint die Grafikerin die Schwangerschaft. Als sie ihre Kinder erwartete, musste sie gleichzeitig Geld sparen, damit sie sich einen längeren Mutterschaftsurlaub leisten konnte. «Gleichzeitig wird im Job die gleiche Leistungsfähigkeit erwartet und unterschwellig vermittelt, dass man Arzttermine bitte schön nach Feierabend wahrnehmen soll. Als wäre man nebenbei noch so ein bisschen schwanger. Aber vielleicht war ich manchmal wirklich müde, weil mein Körper gerade eine Niere baute.»
 
Illusion Gleichberechtigung?
 
«Zwischen 20 und 30 hatte ich das Gefühl, ich sei absolut gleichberechtigt», erinnert sich Silvana Leasi. «Aber wenn die Kinderfrage aufkommt, dann wird das zur Illusion.» Die 41-Jährige politisiert im Grossen Stadtrat Luzern, arbeitet bei der Emmi-Gruppe im Management und hat vor einem Jahr ihren zweiten Sohn zur Welt gebracht. «Kürzlich dauerte ein Meeting bis 18.45 Uhr. Und die Kita schliesst um 18.30 Uhr.» Entweder ist man eine schlechte Mutter oder eine unprofessionelle Arbeitnehmerin; der Clinch ist allgegenwärtig. «Wo ziehe ich Grenzen? Wo hole ich mir Hilfe? In der Arbeitswelt zu sagen, dass Dinge nicht gehen, braucht Selbstbewusstsein.» Dazu kommt das permanente schlechte Gewissen: «Mein älterer Sohn sagt oft, ich sei nicht da, und die anderen Mamis seien immer da. Dann versuche ich ihm zu erklären, dass er viele Dinge auch machen kann, wenn seine Mutter arbeitet.» Das schlechte Gewissen werde von aussen befeuert.
 
Fragen, die Männer nie hören
 
Silvana Leasi ging 14 Wochen nach der Geburt ihres ersten Kindes wieder zurück ins Büro. «Eine Arbeitskollegin sagte mir, man müsse doch keine Kinder haben, wenn man nie bei ihnen ist.» Eine Erfahrung, die sie geprägt hat: «Es war so unfair, dass man mir zu verstehen gab, dass ich eine schlechte Mutter sei, weil ich meine Familie ernähre.» Ihrem Ex-Mann habe man diese Frage nie gestellt. Auch Denise Petrikat kennt solche Bemerkungen. «In meinem vorherigen Büro waren es Kunden oder Teammitglieder, die es kaum fassen konnten, dass ich 80 Prozent arbeite. Als ich jedoch einmal zu Hause bleiben musste, um für meine Tochter zu sorgen, die Windpocken hatte, rollte man die Augen.»

 

Lieber selbständig

Seit Juli arbeitet Petrikat selbständig und baut mit «Mamahanna» als sogenannte Doula ein Begleitangebot für Frauen nach der Geburt auf. «Die Selbständigkeit ist immer noch schwierig, aber ich muss mich nicht mehr ständig gegenüber Vorgesetzten erklären oder meine Kinder verstecken.» Ihr Mann Patrick (34) arbeitet ebenfalls 80 Prozent, rechtfertigen muss er sich nie. «Wir Mütter sollen hingegen arbeiten, als hätten wir keine Kinder, und Kinder grossziehen, als würden wir nicht arbeiten.» «Geht mein Partner am Samstag mit den Kindern einkaufen und entsorgt noch Glas, wird er gelobt. Wir Frauen machen alles Mögliche, und es ist selbstverständlich. Das ist für mich keine Gleichstellung», sagt auch Silvana Leasi.

Einsam mit Kind

Das Leben als berufstätige Frau benötigt viel Energie – die nicht immer vorhanden ist. Daniela Huwiler litt fast ein Jahr an einer postpartalen Depression. Ihre Tochter Elena kam mit einem verkürzten Bein zur Welt, die Geburt war schmerzhaft und mit viel Druck verbunden – eine einschneidende Erfahrung. In einer Therapie konnte die junge Mutter das Erlebte aufarbeiten und sich wieder fangen. «Alle fragten, wie es Elenas Beinchen geht, wenige fragten nach mir. Und mein Mann musste abends im Stall arbeiten.» Es ist diese Einsamkeit, von der viele Mütter berichten, die die ersten Monate allein mit den Kindern verbringen. Huwilers Therapeutin riet ihr, etwas nur für sich zu machen. «Ich wusste, dass ich unbedingt wieder arbeiten will. Zurück im Büro bin ich aufgegangen wie eine Blume. Das hat mir so viel gegeben.»

Kein Job bedeutet Verzicht

Heute arbeitet Huwiler in einem Teilzeitpensum bei einer lokalen Firma, die Whirlpools vertreibt. «Viele Mütter in meinem Umfeld opfern sich gänzlich auf, aber ich bin ausgeglichen eine bessere Mutter.» Zudem will sie ihrer Tochter vorleben, wie wichtig es ist, für sich zu schauen. «Andere gehen joggen, ich gehe ins Büro. Dort bin ich Daniela, nicht das Mami oder die Ehefrau.» Hinter ihrer Berufstätigkeit stecken auch finanzielle Motive: «Patricks Lohn allein würde zwar grundsätzlich reichen. Aber Ferien oder spontane Restaurantbesuche wären nicht möglich. Zudem wollen wir den Stall umbauen.» Hinzu kommt ein realistischer Blick in die Zukunft: «Unser Rentensystem ist instabil, und man kann nie darauf zählen, dass eine Beziehung hält. Ich will auf eigenen Beinen stehen können.»

Weiterlesen - ein Beitrag von Anne-Sophie Keller erschienen am 06.01.2023 im Migros Magazin

 

Sorgometer 2022

Zum vierten Mal in Serie haben wir mit dem Sorgometer den Puls der watson-User gefühlt. Von Klimakrise über Energiefragen bis Gleichberechtigung: Wir zeigen dir, was unsere Leser im Leben wirklich beschäftigt.

Das beschäftigt am meisten

Auf jede Aussage habt ihr geantwortet, wie sehr euch das Thema beschäftigt auf einer Skala von 0 («beschäftigt mich nicht») bis 10 («beschäftigt mich sehr»). Das sind die Aussagen, welche die höchsten Werte erzielten. Wie in den letzten Jahren ist auch 2022 der Klimawandel die Hauptsorge. Auf Rang 2 kommen die Krankenkassen-Prämien, welche 2021 noch auf Platz 7 lagen.

  1. Der Klimawandel gibt mir zu denken: 7,29 (Vorjahres-Rang 1: 7,31)
  2. Die Krankenkassen-Prämien sind viel zu hoch: 7,02 (Vorjahres-Rang 7: 6,36)
  3. Die Gletscherschmelze bestürzt mich: 6,94 (Vorjahres-Rang 3: 6,87)
  4. Der ganze Plastikmüll beelendet mich: 6,81 (Vorjahres-Rang 6: 6,74)
  5. Es beelendet mich, dass Europa Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken lässt: 6,55 (Vorjahres-Rang 4: 6,81)
  6. Ich setze mich für alternative Energieformen ein: 6,35 (neue Frage)
  7. Die Debattenkultur im Internet macht mir Sorgen: 6,33 (Vorjahres-Rang 5: 6,76)
  8. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein grosses Problem: 6,32 (Vorjahres-Rang 8: 6,32)
  9. Der rasante Aufstieg Chinas macht mir Angst: 6,27 (Vorjahres-Rang 10: 6,19)
  10. Ich befürchte, im Alter keine ausreichende Rente zu erhalten: 6,24 (Vorjahres-Rang 11: 6,17)

Unterschiede zwischen den Geschlechtern

Betrachten wir noch den Unterschied zwischen Männern und Frauen, stechen zwei Unterschiede besonders heraus. Für Frauen sind die Gleichberechtigung in der Schweiz (Rang 4) und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Rang 7) zwei der Hauptsorgen, bei den Männern liegen diese nur auf den Plätzen 20 und 12.

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