Anzahl Eheschliessungen gleichgeschlechtlicher Paare, Anzahl Geschlechtsänderungen im Personenstandsregister: erste provisorische Ergebnisse 2022

Die Ehe für alle und die Möglichkeit, das Geschlecht im Personenstandsregister zu ändern, sind beide im Jahr 2022 in Kraft getreten. Zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember haben 749 gleichgeschlechtliche Paare geheiratet und 2234 Paare liessen ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln. Zudem wurden bei den Schweizer Zivilstandsämtern zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember 2022 insgesamt 1171 Geschlechtsänderungen registriert. Dies zeigen die ersten, auf dem Zivilstandsregister beruhenden provisorischen Ergebnisse des Bundesamtes für Statistik (BFS) für das Jahr 2022.

Seit 2022 gibt es neue Zivilstandsereignisse: die Eheschliessung zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren, die Umwandlung von eingetragenen Partnerschaften in eine Ehe und Geschlechtsänderungen im Personenstandsregister.

Ehe für alle

Am 1. Juli 2022 ist in der Schweiz die Ehe für alle in Kraft getreten. Bis am 31. Dezember 2022 wurden 749 gleichgeschlechtliche Ehen registriert; 394 waren Männerpaare (53%), 355 Frauenpaare (47%). Zwei Drittel dieser Ehen wurden in der Grossregion Zürich, in der Genferseeregion und im Espace Mittelland geschlossen. In den beiden ersten Regionen gaben sich mehr Männerpaare das Ja-Wort als Frauenpaare (Zürich: 59%; Genferseeregion: 61%). Im Espace Mittelland waren hingegen Frauenpaare in der Mehrzahl (63% gegenüber 37% Männerpaare). Mit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung können eingetragene Partnerschaften mittels gemeinsamer Erklärung beim Zivilstandsamt in eine Ehe umgewandelt werden. Zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 2022 wurden 2234 Unwandlungsgesuche gestellt, 60% (1337) stammten von Männerpaaren. 30% der Umwandlungen einer eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe wurden allein in der Grossregion Zürich beantragt, wobei deutlich mehr Gesuche von Männerpaaren gestellt wurden. Der Espace Mittelland, die Genferseeregion und die Nordwestschweiz folgten mit 403, 342 bzw. 337 Anträgen. Die eingetragene Partnerschaft war seit ihrem Inkrafttreten (2007) bei Männern stets beliebter als bei Frauen. Dies erklärt teilweise, warum mehr Männerpaare eine Umwandlung der eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe beantragen als Frauenpaare.

Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister

Seit dem 1. Januar 2022 kann jede in der Schweiz wohnhafte Person den Geschlechtseintrag auf administrativer Ebene ändern lassen, indem sie beim Zivilstandsamt einen entsprechenden Antrag stellt. Gemäss der im Schweizer Gesetz verankerten binären Geschlechterordnung ist die Wahl allerdings auf die Kategorien «männlich» und «weiblich» beschränkt. Bis Ende 2022 wurden bei den Zivilstandsämtern 1171 Geschlechtsänderungen vorgenommen. 616 Einträge im Personenstandsregister wurden von Mann in Frau (53%) und 555 von Frau in Mann (47%) geändert. Die meisten Geschlechtsänderungen wurden in der Genferseeregion, im Espace Mittelland und in der Grossregion Zürich verzeichnet (276, 251 bzw. 219). Während in der Genferseeregion, in der Ostschweiz und im Tessin gleich viele Männer wie Frauen im Personenstandsregister ihr Geschlecht änderten, waren es in der Grossregion Zürich, im Espace Mittelland, in der Nordwestschweiz und in der Zentralschweiz mehr Männer. 2022 stammten die meisten Anträge für eine Änderung des Geschlechts von 15- bis 24-Jährigen (622, d.h. 53% aller registrierten Geschlechtsänderungen). Darauf folgen die 25- bis 29-Jährigen und die 30- bis 34-Jährigen mit 196 bzw. 96 Anträgen. 39 Personen, die ihr Geschlecht im Personenstandsregister ändern liessen, waren jünger als 15 Jahre, und niemand älter als 79 Jahre. Bei den Personen unter 15 Jahren und den 15- bis 19-Jährigen haben mehr Frauen ihr Geschlecht geändert als Männer, in allen anderen Altersklassen war es umgekehrt.

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Auch 2021 sinkende Ausgaben für wirtschaftliche Sozialhilfe

8,8 Milliarden Franken wurden 2021 für armutsbekämpfende bedarfsabhängige Sozialleistungen ausgegeben. 804 966 Personen oder 9,3% der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz bezogen mindestens eine solche bedarfsabhängige Sozialleistung. Die Ausgaben für diese Sozialhilfeleistungen nahmen 2021 mit +0,7% weniger stark zu als im Jahr zuvor (+1,8%). Die Ausgaben für die wirtschaftliche Sozialhilfe gingen um 34 Millionen Franken zurück und sind nun seit drei Jahren rückläufig. Wie im Vorjahr hatte die Covid-19-Pandemie keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Höhe der Ausgaben für Sozialhilfe. Dies besagen die neuen Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) aus der Sozialhilfestatistik.

Im Jahr 2021 gaben Bund, Kantone und Gemeinden 8,8 Milliarden Franken für armutsbekämpfende bedarfsabhängige Sozialleistungen bzw. Leistungen der Sozialhilfe im weiteren Sinn aus. 62,1% davon (5,4 Mrd. Fr.) entfielen auf die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV, ein weiteres knappes Drittel auf die wirtschaftliche Sozialhilfe. Die übrigen armutsbekämpfenden bedarfsabhängigen Sozialleistungen, also die Alters- und Invaliditätsbeihilfen, Arbeitslosenhilfen, Familienbeihilfen, Alimentenbevorschussungen und Wohnbeihilfen, umfassten 6,4% der Ausgaben (559 Mio. Fr.). Mit Ausnahme der Alimentenbevorschussungen werden diese übrigen Leistungen nicht in allen Kantonen ausgerichtet. Bezogen auf die Bevölkerung blieben die jährlichen Ausgaben pro Einwohnerin und Einwohner für armutsbekämpfende bedarfsabhängige Sozialleistungen mit 1003 Franken auf dem Vorjahresniveau (2020: 1004 Franken).

Rückgang der Ausgaben für wirtschaftliche Sozialhilfe um 1,2%

Zum dritten Mal in Folge ist im Jahr 2021 bei den Nettoausgaben für die wirtschaftliche Sozialhilfe eine leichte Abnahme gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. Diese beträgt nominal –34 Mio. Franken. Bei einem Nettoausgabenvolumen von 2,8 Milliarden Franken entspricht das einem Minus von 1,2%. Dieser Rückgang ist grösser als in den beiden vorangehenden Jahren, wo die Rückgänge jeweils noch deutlich unter 1% lagen. Die Anzahl der mit wirtschaftlicher Sozialhilfe unterstützten Personen nahm 2021 gegenüber dem Vorjahr um –2,5% ab. Dies führte in der Summe zu einem Anstieg der durchschnittlichen jährlichen Nettoausgaben pro Empfängerin und Empfänger um nominal 1,4% von 10 278 auf 10 419 Franken. Im Vorjahr betrug die Veränderung der Pro-Kopf-Ausgaben noch –0,9%, dies bei einer Zunahme der Anzahl der Beziehenden um 0,2%. Insgesamt entsprechen die Nettoausgaben von 2,8 Milliarden Franken für wirtschaftliche Sozialhilfe einem Anteil von 1,3% an den Gesamtausgaben für alle Sozialleistungen, welche sich gemäss Gesamtrechnung der Sozialen Sicherheit (GRSS) 2021 auf 207 Milliarden Franken beliefen. Im Vorjahr lag dieser Anteil leicht höher bei 1,4%.

Rund 75 Mio. Franken höhere Ausgaben für Ergänzungsleistungen

Die grösste absolute Ausgabenzunahme unter den armutsbekämpfenden bedarfsabhängigen Sozialleistungen verzeichneten 2021 mit 75 Millionen Franken die Ergänzungsleistungen (+1,4%), gefolgt von den Familienbeihilfen mit Mehrausgaben von 6,6 Millionen Franken (+3,9%). Die Ausgaben für die Arbeitslosenhilfe und für Alimentenbevorschussungen stiegen jeweils um gut 4 Millionen Franken (+10,6% bzw. +4,6%) und diejenigen für Alters- und Invaliditätsbeihilfen um 3,4 Millionen Franken (+1;7%). Neben der oben erwähnten Sozialhilfe verzeichneten nur noch die Wohnbeihilfen rückläufige Ausgaben (–0,2 Mio. Fr.). Die Zahl der Bezügerinnen und Bezüger von armutsbekämpfenden bedarfsabhängigen Sozialleistungen sank um –1,1%. Dabei sank auch deren Anteil an der Bevölkerung mit einer Quote von 9,3% gegenüber 9,5% im Vorjahr. Durch die steigenden Ausgaben und die sinkende Zahl der Beziehenden erhöhten sich die durchschnittlichen jährlichen Ausgaben pro Bezügerin und Bezüger um 1,8%.

Neue armutsbekämpfende bedarfsabhängige Sozialleistungen

Wie bereits im Jahr 2020 haben sich die negativen wirtschaftlichen Konsequenzen der Covid-19-Pandemie auch im Beobachtungsjahr 2021 kaum unmittelbar auf die Sozialhilfeausgaben im weiteren Sinn ausgewirkt. Vorgelagerte Massnahmen des Bundes und der Kantone zur sozialen Abfederung der pandemiebedingten Einschränkungen konnten dem entgegenwirken. So wurden unter anderem die maximale Bezugsdauer der Arbeitslosenentschädigung verlängert und Entschädigungen bei Erwerbsausfällen geleistet. Zusätzlich ist seit 1. Juli 2021 mit den Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜL) eine neue bedarfsabhängige Sozialleistung auf Ebene Bund in Kraft getreten. Die ÜL sichern die Existenz von älteren ausgesteuerten Personen bis zum Erreichen des Rentenalters und tragen wie die hier präsentierten Leistungen zur Armutsbekämpfung bei. Gemäss der Schweizerischen Sozialversicherungsstatistik wurden 2021 Überbrückungsleistungen im Umfang von 1,8 Millionen Franken gewährt. Einige Kantone und Städte haben weitere Massnahmen ergriffen und eigene Leistungen erbracht. In der Regel erfüllten aber diese Leistungen die Kriterien des der Statistik zugrundeliegenden Inventars nicht – oft wegen fehlender Bedarfsabhängigkeit. Einzig im Kanton Tessin wurde 2021 im Zusammenhang mit der Pandemie eine Leistung eingeführt, welche die Kriterien des Inventars erfüllt. Es handelt sich um eine Arbeitslosenhilfe zur Überbrückung von pandemiebedingten Einkommens- oder Umsatzrückgängen.

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Bundesrat will die Rechte von Menschen mit Behinderungen stärken

Menschen mit Behinderungen sollen im Erwerbsleben und beim Zugang zu Dienstleistungen besser vor Diskriminierung geschützt werden. Dies hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 10. März 2023 entschieden. Zudem will er die Gebärdensprache anerkennen und die Gleichstellung von gehörlosen Personen fördern. Er hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) damit beauftragt, bis Ende Jahr eine entsprechende Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) vorzulegen. Der Bundesrat will zudem prüfen, wie die aktive Partizipation von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben mit gesetzlichen Massnahmen gefördert werden kann.

In der Schweiz leben rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Behinderung, unter ihnen auch Kinder und Jugendliche sowie betagte Menschen. Diese Menschen sollen gleichgestellt und möglichst selbstbestimmt leben und am öffentlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. In den letzten Jahren ist die Schweiz diesem Ziel nähergekommen. Insbesondere beim Zugang zu Gebäuden und zum öffentlichen Verkehr sind dank des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) Fortschritte erzielt worden.

Arbeit und Dienstleistungen: Eckwerte für Gesetzesrevision

Menschen mit Behinderungen sind in ihrem Alltag aber nach wie vor benachteiligt. Sie stossen beim Zugang zum Arbeitsmarkt und im Arbeitsumfeld auf Hürden, etwa durch Vorurteile im Bewerbungsverfahren oder Arbeitsinstrumente, die nicht barrierefrei sind. Viele zentrale Dienstleistungen etwa in der Gesundheitsversorgung oder dem Bankwesen sowie viele Beratungsangebote, sind für Menschen mit Behinderungen nur eingeschränkt zugänglich. Um Menschen mit Behinderungen im Erwerbsleben und beim Zugang zu Dienstleistungen besser vor Diskriminierung zu schützen, hat der Bundesrat das EDI beauftragt, bis Ende 2023 eine Vernehmlassungsvorlage für eine Teilrevision des BehiG vorzulegen. Er hat dafür Eckwerte verabschiedet. Arbeitgebende sollen verpflichtet werden, zumutbare Massnahmen zu treffen, damit Mitarbeitende mit Behinderungen gleichgestellt einer Arbeit nachgehen können. Menschen mit Behinderung sollen im Erwerbsleben explizit vor Diskriminierung geschützt werden. Zu Dienstleistungen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, sollen Menschen mit Behinderung Zugang haben. Private sollen verpflichtet werden, angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit Menschen mit Behinderungen diese Dienstleistungen ohne erschwerende Bedingungen in Anspruch nehmen können.

Anerkennung der Gebärdensprache

Gleichzeitig will der Bundesrat auch die Anerkennung der Schweizer Gebärdensprachen verbindlich regeln und die Gleichstellung von gehörlosen Personen beim Zugang zu Dienstleistungen und im Arbeitsleben fördern. Er erfüllt damit auch eine Forderung des Parlaments (Motion WBK-N 22.3373).

Prüfen, wie selbstbestimmtes Wohnen verbessert werden kann

Bei der Ausarbeitung der Vernehmlassungsvorlage muss das EDI zudem prüfen, ob auch das selbstbestimmte Wohnen von Menschen mit Behinderungen im BehiG verbessert werden kann. In der Schweiz leben rund 150'000 Menschen mit Behinderungen in einem institutionellen Rahmen, etwa in Wohn- oder Altersheimen. Schwierigkeiten, die Wohnform und den Wohnort frei zu wählen, bestehen insbesondere beim zugänglichen und erschwinglichen Wohnraum und beim eingeschränkten Zugang zu Dienstleistungen und Einrichtungen.

Prüfen, wie aktive Partizipation verbessert werden kann

Die Verbesserung der Zugänglichkeit ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Es ist allerdings unklar, ob dies ausreicht, um eine effektive Partizipation von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben zu ermöglichen. Vielfach ist bereits das Fehlen von Informationen über die Zugänglichkeit von Angeboten ein Hindernis. Der Bundesrat hat deshalb das EDI beauftragt zu prüfen, wie mit gesetzlichen Massnahmen die Partizipation von Menschen mit Behinderungen verbessert werden könnten. Analysiert wird dabei gemeinsam mit dem EJPD auch die umfassende Beistandschaft. Sie beschränkt die Handlungsfähigkeit und damit auch die Autonomie der betroffenen Person stark.

Vier Schwerpunktprogramme: Arbeit, Dienstleistungen, Wohnen, Partizipation

Bei der Arbeit, den Dienstleistungen, dem Wohnen und der Partizipation braucht es neben gesetzlichen Vorgaben eine enge Zusammenarbeit verschiedener Akteure, um die Situation von Menschen mit Behinderungen zu fördern. Diese Zusammenarbeit erfolgt in Programmen, welche die Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ergänzen. Der Bundesrat hat das EDI beauftragt, diese Programme bis Ende 2023 auszuarbeiten. Danach entscheidet der Bundesrat über die Umsetzung der Programme und den Ressourcenbedarf. Die Erarbeitung der Programme wie auch die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen erfolgt in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.

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«Vereinbarkeit ist kein Frauenproblem»

Was bringen Kita-Subventionen? Ganz gewiss: hitzige­ ­Diskussionen! Die Zürcher Frauenhistorikerin Elisabeth Joris über alte Rollenbilder und neue Familienmodelle, über Teilzeitväter und selbstlose Grossmütter.

Frau Joris, haben Sie nach der Geburt Ihres ersten Sohnes 1977 weniger gearbeitet als vorher?
Nein, ich war gerade dabei, mein Studium als Historikerin abzuschliessen, und unterrichtete daneben an einer Kantonsschule. Natürlich war diese Dreifachbelastung – Forschung, Beruf und Muttersein – anstrengend. Aber ich wollte finanziell unabhängig sein und mit der Gewissheit leben: Sollten mein Mann und ich uns irgendwann trennen, könnte ich auch alleine für mich und meinen Sohn sorgen. Nun – wir sind immer noch zusammen (lacht).

Wie haben Sie die Kinderbetreuung gelöst? 
Als ich schwanger war, zogen mein Mann und ich in eine Wohngemeinschaft mit sechs anderen Erwachsenen. Alle halfen bei der Betreuung des Babys mit. Später – da war unser zweiter Sohn schon auf der Welt – gründeten wir eine Wohngenossenschaft mit anderen Eltern, weil wir wollten, dass unsere Kinder mit mehreren Bezugspersonen aufwachsen.

Eine Kinderkrippe war kein Thema? 
Doch, beide Söhne besuchten die Kita der ETH Zürich. Aber erst mit zwei Jahren, das war das Mindestalter.

Eine Mutter, die arbeitet und forscht – das war Ende der 1970er eher unüblich, oder? 
Absolut. Als ich einmal mit meinem jüngeren Sohn in der Babytrage unterwegs war, traf ich eine Frau aus dem Quartier: «Jö, so herzig», sagte sie, «ich wusste doch, dass du keine Rabenmutter bist, die ihre Kinder weggibt.» Was sie nicht wusste: Mein älterer Sohn war gerade in der Kinderkrippe. Damals betreuten gut ausgebildete Frauen ihre Kinder selbst – oder sie engagierten eine Nanny. Kitas waren hauptsächlich als Notbehelf für Mütter gedacht, die arbeiten mussten. Das ist heute anders: Kita-Betreuung ist normal, auch in ländlichen Regionen. Und auch die Erwerbstätigkeit der Mütter hat zugenommen.

Allerdings arbeiten die meisten Mütter – im Gegensatz zu den Vätern – nur Teilzeit. Warum? 
Weil die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie noch immer als Frauensache abgehandelt wird. Seit ich Kinder habe, werde ich gefragt: Wie organisierst du dich? Wie schaffst du das? Hast du schon Guetsli gebacken? Mein Mann musste nie solche Fragen beantworten. In der Politik ist es dasselbe: Wenn es um Vereinbarkeit geht, liegt das Augenmerk auf den Frauen. Aktuellstes Beispiel ist die parlamentarische Initiative, wonach der Bund in Zukunft bis zu 20 Prozent der Kita-Kosten übernehmen soll.

Sie hat die Diskussion entfacht, ob billigere Kitas tatsächlich dazu führen, dass Frauen mehr arbeiten – oder eben nicht.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich unterstütze diese Anschubfinanzierung zu 100 Prozent. Heute fressen Kita-Kosten unter Umständen einen beträchtlichen Teil des Zweiteinkommens weg. Aber wenn wir über Massnahmen zur Vereinbarkeit sprechen, dann betrifft das die ganze Gesellschaft, nicht nur die Frauen. Wir müssen uns fragen: Welche Infrastruktur braucht es, damit man Kinder haben und gleichzeitig erwerbstätig sein kann, unabhängig vom Geschlecht? Wie schaffen wir diesen Service public? Überspitzt gesagt: Kitas müssen so bezahlbar sein wie das Trambillett. Aber dies setzt voraus, dass wir die Kinderbetreuung nicht mehr nur als Privatsache behandeln.

Das sehen nicht alle so. SVP-Nationalrätin Nadja Umbricht-Pieren etwa sagte kürzlich in der «NZZ am Sonntag: «Es ist nicht die Aufgabe des Bundes, alles zu bezahlen und vorzuschreiben.» 
Und was ist ihre Lösung? Eine Nanny!

Was spricht dagegen? 
Eine Nanny kann im Einzelfall eine Lösung sein. Aber 90 Prozent der Eltern können sich keine Nanny leisten. Ausserdem hat der Fachkräftemangel auch die Kinderbetreuung erfasst. Da ist es doch absurd, wenn Eltern individuell Nannys für ihre Kinder beschäftigen. Kinder sollten in einem gemeinschaftlichen Rahmen betreut werden, in dem soziale Interaktionen automatisch stattfinden.

Wen sehen Sie nun in der Pflicht? 
Allen voran die Politik und die Wirtschaft. Neben der Anschubfinanzierung braucht es für werdende Eltern einen gesetzlichen Anspruch auf Teilzeit, unabhängig vom Geschlecht. Wissen Sie, was mich traurig macht? Als mein Mann und ich 30 waren, mussten wir uns ein Teilzeitpensum hart erkämpfen. Heute sind wir 77 und stellen fest, dass unsere Söhne und ihre Partnerinnen vor der gleichen Herausforderung stehen. Besonders Väter, die weniger arbeiten möchten, müssen um jedes Prozent Reduktion kämpfen.

… und werden gefragt, ob ihre Ambitionen denn nicht gross genug seien. 
Diese Frage sollte verboten sein! Vielmehr müssen werdende Väter gefragt werden: Wie werden Sie sich als Familie organisieren? Das würde bedeuten: Die Wirtschaft interessiert sich für den Arbeitnehmer als Ganzes und passt die Abläufe der Kinderbetreuung an. Wie gesagt: Vereinbarkeit ist keine Privatsache!

Ein Grund, warum vor allem Mütter oft Teilzeit arbeiten, ist auch die Tatsache, dass sie noch immer weniger verdienen als Männer. Was tun?
Neben der Umsetzung der alten Forderung «Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit» geht es auch um die grundsätzliche Neubewertung von Arbeit. Denn: Alle weiblich konnotierten Tätigkeiten sind tendenziell schlechter bezahlt als männlich konnotierte, vorab im Finanzbereich.

Sie betreuen die Kinder Ihrer beiden Söhne an je einem Tag pro Woche. Wegen der finanziellen Entlastung?
Keine Frage, sie sparen damit Tausende Franken. Aber wir machen das nicht nur deswegen. Auch der Austausch mit unseren Enkelkindern ist uns wichtig. Wobei ich betonen muss: Grosseltern gehen damit eine grosse Verpflichtung ein.

Sollten Grosseltern für regelmässiges Hüten Geld erhalten? 
Diese Frage ist Teil einer grösseren Frage: Wie gehen wir als Gesellschaft mit unbezahlter Arbeit um? Es ist zentral, statistisch zu erfassen, wie viel volkswirtschaftlicher Wert damit geschaffen wird – um diese Leistung bewusst zu machen.

Aber es gibt auch Grossmütter, die sagen: «Ich mache das einfach gern.»
Meine Enkelin schrieb mir kürzlich einen wunderschönen Brief zum Geburtstag: «Du bist die beste aller Grossmütter» – das ging runter wie Butter. Aber diese Emotionalität, ja diese Liebe kann man eben nicht nur im Privaten erfahren, sondern auch im Berufsleben. Ich habe immer gern gearbeitet. Aber deswegen habe ich die Arbeit doch nicht gratis gemacht. 

Weiterlesen - ein Beitrag von Michelle Schwarzenbach erschienen am 08.03.2023 auf schweizer-illustrierte.ch

Kanton Basel-Stadt bewilligt Swisslos-Fonds-Mittel für Projekte

Wie der Kanton Basel-Stadt mitteilt, hat der Regierungsrat für verschiedene Projekte Swisslos-Fonds-Mittel in Höhe von insgesamt 285’400 Franken bewilligt.

Der Regierungsrat hat für die «Groove Now Blues Weeks Basel» im Juni 2023 im Atlantis Basel einen Beitrag aus dem Swisslos-Fonds Basel-Stadt in Höhe von 50'000 Franken bewilligt.

Das Programm wird zu zwei Dritteln von US-amerikanischen Bluesmusikerinnen wie den Chicago Blues Queens, Bia Marchese, Kate Moss, Terrie Odabi und den Northwestern All Stars oder Sue Foley bestritten.

Neben grossen Namen des Blues Music Awards der USA treten auch aufstrebende jüngere Bands auf.

Bis zu 100 Besuchende pro Nachmittag

Weiter hat der Regierungsrat den Vereinen Pro Familia Basel Regio sowie Netzwerk Bildung und Familie für das Projekt «Kleines Pensum – grosse Wirkung. Minijobs in Familienzentren zur Stärkung von Eltern» Mittel in Höhe von 50'000 Franken bewilligt.

Das Pilotprojekt dauert zwei Jahre.

In vier Familienzentren und Quartiertreffpunkten (MaKly, FAZ Gundeli, Quartiertreffpunkt Hirzbrunnen und ELCH ELtern Centrum Hirzbrunnen), die zum Teil bis zu 100 Besuchende pro Nachmittag zählen, werden neu Mitarbeitende mit kleinen Pensen die Arbeit der Freiwilligen unterstützen.

Dabei bieten die Minijobs Müttern oder Vätern die Möglichkeit, sich in einer familienfreundlichen Umgebung aktiv einzubringen und Arbeitserfahrungen ausserhalb der Familie zu sammeln, wovon wiederum die Quartierbevölkerung profitiert.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 07.03.2023 auf nau.ch

Immer mehr Menschen in der Schweiz haben kein Geld zum Essen

Für arme Menschen wird die Teuerung zum Problem. Bei der Gassenarbeit Bern fragen immer mehr Menschen auch nach Essen. Und es soll noch schlimmer werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Teuerung macht armutsbetroffenen oder von Armut gefährdeten Menschen zu schaffen.
  • Bei der Gassenarbeit Bern fragen immer mehr Menschen nach Essen.
  • Dort geht man sogar davon aus, dass die Situation im Frühling noch heftiger wird.

Am Mittwoch hat der Nationalrat beschlossen: kein voller Teuerungsausgleich bei den AHV-Renten. Der Ständerat ist am Donnerstag nachgezogen. Rentnern bleibt somit aufgrund der Teuerung trotz Rentenerhöhung unter dem Strich weniger übrig als zuvor.

Schwierig für all jene, die ohnehin schon knapp bei Kasse sind. «Aufgrund der Teuerung geraten Menschen unter die Armutsgrenze, die bereits zuvor nur wenig Geld zum Leben hatten», sagt eine Sprecherin der Schweizer Tafel zu Nau.ch. «Die gestiegenen Kosten belasten das ohnehin knappe Haushaltsbudget zusätzlich.»

Immer mehr Menschen fragen nach Essen

Diese Personen wenden sich dann an Sozialeinrichtungen wie etwa die Kirchliche Gassenarbeit Bern. «Das sind Menschen, die uns vorher nicht gebraucht hätten und jetzt schauen müssen, wie sie überleben», sagt Nora Hunziker von der Gassenarbeit. Und es werden immer mehr.

Hunziker sagt, sie erhielten immer mehr Anfragen wie: «Habt ihr Lebensmittel?» oder: «Wer hat Lebensmittel?». Und das, obwohl die Gassenarbeit selbst gar kein Essen ausgibt. Das sei bedenklich, insbesondere, weil die Nachfrage schon längere Zeit ansteige, so Hunziker.

Die Gassenarbeit teile in solchen Fällen Zugangskarten aus, mit denen die Menschen etwa in Caritas-Märkten vergünstigt einkaufen könnten.

«Die Kunden spüren den Druck der höheren Preise», sagte Thomas Künzler, Geschäftsleiter der Caritas-Märkte, im November zu Nau.ch. Seither ist es nicht besser geworden. «Aktuell sehen wir keine Beruhigung», sagt Künzler jetzt auf Anfrage. Die Nachfrage sei weiterhin sehr hoch.

Hunziker: «Situation wird noch heftiger»

Die Berner Gassenarbeit sieht ebenfalls keine Beruhigung, ganz im Gegenteil: «Wir gehen davon aus, dass die Situation im Frühling noch heftiger wird», so Nora Hunziker. Zum einen trudelten dann die Heizkostenabrechnungen ein, zum anderen hätten die Leute jetzt vielleicht noch etwas Geld vom 13. Monatslohn übrig.

Ein weiteres Problem: «Armut ist in der Schweiz stark stigmatisiert», so Hunziker. Armutsbetroffene oder Armutsgefährdete würden sich dadurch erst viel zu spät Hilfe holen. Etwa erst dann, wenn sie schon betrieben würden oder eine Kündigungsandrohung für die Wohnung erhielten.

Weiterlesen - ein Beitrag von Julian Blatter erschienen am 04.03.2023 auf nau.ch