So kommen Menschen in Finanznot zu Geld

2 Millionen Franken schlummerten beim Bundesamt für Sozialversicherung in Bern während Jahren im «Fonds zur Behebung besonderer Notlagen von Betagten und Hinterlassenen». Das Amt fand für das Geld, das aus Legaten zugunsten der AHV stammt, seit 2019 keine «potenziellen Anspruchsberechtigten» mehr, meldete es vergangene Woche. Grund: Das Bundesamt verfügt nicht über die Infrastruktur, um Antragsteller zu finden. Ende März soll das Geld an Pro Senectute überwiesen werden. Der Millionenbetrag wird in den bereits bestehenden Einzelhilfefonds der Organisation fliessen, die sich für ältere Menschen einsetzt. «Dieser Fonds ist zweckgebunden und dient ausschliesslich der finanziellen Unterstützung von vulnerablen Seniorinnen und Senioren, die den festgelegten Kriterien entsprechen», sagt Sprecher Peter Burri Follath.Wer finanzielle Unterstützung beantragen möchte, kann dies über eine der 24 kantonalen oder interkantonalen Pro-Senectute-Organisationen tun. 2022 hat die gemeinnützige Organisation über ihren Einzelhilfefonds laut Burri Follath mehr als 13,2 Millionen Franken an individuellen Finanzhilfen ausbezahlt.

So wird der Weg zur passenden Stiftung kürzer

Der Fall des ungenutzten AHV-Fonds ist symptomatisch für viele gemeinnützige Geldtöpfe, in denen teilweise hohe Summen schlummern. In der Schweiz gibt es mehr als 13’000 Stiftungen mit einem gemeinnützigen Zweck. Sie verwalten rund 100 Milliarden Franken, wie die Dachorganisation Swiss Foundations weiss. Jeder fünfte dieser Fonds engagiert sich für soziale und gesellschaftliche Zwecke. Von diesen wiederum verteilen viele ihre Gelder an Menschen, die in Not stecken und direkt bei ihnen um finanzielle Unterstützung ersuchen. Wie aber findet jemand in finanziellen Nöten die geeignete Institution? Allein ihre Anzahl überfordert potenzielle Antragstellerinnen und Antragsteller. Dazu kommt: Häufig sind die Voraussetzungen für eine Unterstützung sehr eng definiert. Die eine Stiftung unterstützt zum Beispiel lediglich Handwerker in der Ausbildung, die andere nur Familien in Bedrängnis, die in einem bestimmten Kanton leben. Erschwerend kommt hinzu, dass längst nicht alle gemeinnützigen Stiftungen online präsent sind. Für Organisationen, die Geld verteilten, erscheine eine bessere Sichtbarkeit wie ein zweischneidiges Schwert, sagt Claudia Dutli vom Onlineportal Stiftungschweiz.ch: «Mehr Transparenz in der Förderpraxis ist von zentraler Bedeutung für die zielgerichtete Mittelvergabe. Doch fürchten viele Förderer, von Anträgen überflutet zu werden.» Dennoch schaffe die digitale Sichtbarkeit mit präzisen und aktuell gehaltenen Angaben Orientierung, damit Empfängerinnen und Empfänger von Fonds- und Stiftungsgeldern wirkungsvoll ohne Umwege zusammenfinden könnten.

Basel-Stadt macht die Angebote online transparent

«Es gibt viele Angebote, und man verliert leicht die Übersicht», sagt Ruedi Illes, Amtsleiter Sozialhilfe im Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Kantons Basel-Stadt. Eine Aufgabe seiner Mitarbeitenden ist es, den Klientinnen und Klienten bei der Suche nach einer geeigneten Stiftung zu helfen. «Dabei wird geprüft, ob es für Fälle private Unterstützungsmöglichkeiten gibt, in denen unser Amt eine solche nicht leisten kann.» Auf seinem Amt hätten früher Listen mit Stiftungen kursiert, an die sich Hilfsbedürftige richten konnte. Heute gibt es sie in digitaler Form. Seit 2016 hilft die öffentliche Onlineplattform «GGG Wegweiser» unter der Adresse «Soziales Basel», eine Vielzahl sozialer Unterstützungsangebote zu finden – unter anderem Stiftungen und Fonds. Sie wird ständig aufdatiert – von Freiwilligen. Barbara Heinz, die Leiterin des Angebots, sagt: «Die Datenbank beinhaltet 1300 Angebote von 565 Organisationen. Damit man diese findet, wurde ein Schlagwortkatalog mit rund 5000 Keywords hinterlegt.» Die Onlineplattform müsse auch technisch immer wieder aufdatiert werden. «Der Aufbau war eine Herausforderung», sagt Heinz. Heute besitzt Basel-Stadt damit das schweizweit zugänglichste Angebot für Menschen auf der Suche nach finanziellen und anderen Hilfsangeboten.

«Soziales Basel» ist ganz auf die Bedürfnisse von Antragstellerinnen und -stellern aus Basel ausgerichtet. Andere Kantone und Gemeinden veröffentlichen meist nur Listen mit Stiftungen, Fonds und Vereinen, die Bedürftigen in ihrer Region finanziell aushelfen können.

Der Kanton Zürich macht online unter der Adresse Foundations.zuerich auf einer Karte sichtbar, wo welche Stiftungen beheimatet sind. Allerdings ist sie für Menschen, die Gesuche stellen möchten, wenig praktikabel. Ähnlich verhält es sich für Bernerinnen und Berner. Der Kanton kennt zwar ein «Verzeichnis der Fonds, Stiftungen und anderen finanziellen Hilfsquellen im Kanton Bern». Dieses besteht aber lediglich aus einer rudimentären Liste im PDF-Format, das man von der Website herunterladen kann.

Manchmal hilft es auch, die Suchmaschine zu fragen

Häufig führt der direkteste Weg zur Finanzhilfe über die Google-Suche. Wer etwa «finanzielle Hilfe für medizinische Hilfsmittel Aargau» eingibt, wird unter anderem auf eine Seite des Kantons mit Hilfsangeboten, auf die kantonale Sozialversicherungsanstalt und die kantonale Pro-Infirmis-Stelle verwiesen. Die vier Stiftungen Pro Infirmis, Pro Senectute, Pro Familia und Pro Juventute führen in ihrer Onlinepräsenz ebenfalls staatliche und private Organisationen auf, die finanzielle Unterstützung in Notlagen ermöglichen. Sie vermitteln zudem – wie die Sozialhilfestellen – telefonisch und in persönlichen Beratungen passende Stiftungen oder andere Organisationen mit Geldmitteln. Wohin die Suche nach einer passenden Stiftung auch immer führt, einen Ratschlag des Basler Sozialhilfe-Leiters Ruedi Illes gilt es zu beherzigen: «Fragen Sie sich durch. Und geben Sie nicht gleich bei der ersten Ablehnung auf.»

Weiterlesen - ein Beitrag von Roberto Zimmermann erschienen am 06.03.2024 auf www.bernerzeitung.ch

Wollen mehr Freizeit: Beeinflusst die Gen Z jetzt schon die Boomer?

Die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit ist in vielen Unternehmen neu – und mit ihr auch der Wunsch vieler Boomer nach einer besseren Work-Life-Balance. Der Wunsch nach Teilzeitarbeit nimmt in allen Generationen zu. Immer mehr Firmen ermöglichen die Teilzeit-Arbeit auch. Weil Junge Teilzeit fordern, merken nun auch Ältere, dass dies möglich ist.

Ein breites Vorurteil über die Gen Z lautet, dass sie weniger arbeiten möchte als die früheren Generationen. Doch: Der Wunsch nach Teilzeitarbeit und einer besseren Work-Life-Balance betrifft mittlerweile alle Generationen. Eine kürzlich erschienene Studie des Beratungsunternehmens «Deloitte» zeigt, dass diese Präferenz mit zunehmendem Alter sogar steigt. Von den 1900 Befragten im Alter zwischen 18 und 64 Jahren wünschten sich nur 30 Prozent, Vollzeit zu arbeiten. Mehr als die Hälfte der Männer würden laut Bundesamt für Statistik BfS gerne Teilzeit arbeiten – wenn sie dies könnten. Bei den über 50-Jährigen liegt die Quote sogar bei zwei Dritteln. Bei den Frauen kommt das BfS auf 70 Prozent.

Wunsch nach Teilzeitarbeit ist neu, weil die Möglichkeit dazu neu ist

Dass immer mehr ältere Menschen Teilzeit arbeiten wollen, sei neu, erklärt Generationenforscher Rüdiger Maas gegenüber Nau.ch. «Die Möglichkeit ist aber auch neu – in vielen Unternehmen war das bis vor zehn Jahren noch undenkbar.» Deswegen könne man auch nur bedingt sagen, dass immer mehr ältere Arbeitnehmer diese Möglichkeit wahrnehmen, so Maas weiter. «Wenn Teilzeitarbeit auch vor 10 bis 20 Jahren in dem Masse möglich gewesen wäre, hätten sie vielleicht genauso viele wahrgenommen.» Hat sich die Boomer-Generation von den Wünschen der Gen Z inspirieren lassen? Der Experte erläutert: «Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, Generationen losgelöst voneinander zu betrachten. Es wird immer Interaktionseffekte geben – wir alle lernen voneinander.» Laut Rüdiger Maas legen Unternehmen den Fokus zunehmend auf die Wünsche der jüngeren Generation. Dies sorge dafür, dass auch die älteren dann diese Möglichkeiten einfordern könnten. Heisst: Wenn die Jungen Teilzeit fordern und erhalten, können dies auch die Älteren für sich nutzen. Das bestätigt auf Anfrage auch Yannick Blättler, Gründer und CEO der Unternehmensberatungsfirma Neoviso. «Die Gen Z hat die Boomer nicht im Bedürfnis nach Teilzeitarbeit beeinflusst. Sondern eher in der Motivation, dies nun auch nachzufragen, weil es möglich ist.»

Weiterlesen - ein Beitrag von Karin Aebischer und Dominik Neuhaus erschienen am 1. März 2024 auf www.nau.ch

Karriere-Pause mit weitreichenden Folgen

Der berufliche Werdegang von Frauen verläuft – im Gegensatz zu demjenigen der Männer – häufig nicht linear. Eine Heirat und die Geburt eines Kinds haben erhebliche Auswirkungen auf die Berufstätigkeit. Vor allem Frauen leiden unter den Folgen in Bezug auf Lohnentwicklung, Karrieremöglichkeiten, Rente oder Scheidung.

Nach Abschluss ihrer Ausbildung ist die grosse Mehrheit der jungen Frauen vollzeitlich oder beinahe vollzeitlich erwerbstätig. Kinderlose Frauen sind bis Mitte 50 weiterhin in hohem Masse erwerbstätig, danach sinkt die Beschäftigungsquote. Frauen mit Kindern haben ein anderes, weniger lineares Karriereprofil. 50 Prozent aller Frauen mit Kindern zwischen 0 und 12 Jahren arbeiten mit einem Pensum von weniger als 50 Prozent (zirka 20 Prozent sind gar nicht erwerbstätig, und 30 Prozent arbeiten 50 Prozent oder weniger). Mit zunehmendem Alter der Kinder kehren die Frauen in den Arbeitsmarkt zurück, jedoch häufig nur an einen Teilzeitarbeitsplatz. Diese Verringe­rung der Erwerbsquote kann auf eine Entscheidung der Eltern zurückzuführen sein, aber auch auf externe Bedingungen, wie fehlende oder zu teure Kinderbetreuungseinrichtungen.

Im Durchschnitt überrascht die Dauer der Unterbrechung während der gesamten beruf­lichen Laufbahn, denn diese liegt bei 9,2 Jahren. Für Frauen, die einen Abschluss auf tertiärer Ebene haben, beträgt die durchschnittliche Dauer 6,7 Jahre und entspricht einem Einkommensver­lust von etwa einer halben Million Franken.

Diese statistische Feststellung hat wichtige soziale und wirtschaftliche Folgen, sowohl auf der persönlichen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene. Auf persönlicher Ebene beeinflusst die Unterbrechung der beruflichen Laufbahn das Lohnniveau und dessen Erhöhung, die Be­rufserfahrung, die Möglichkeit, von Weiterbildungsmassnahmen zu profitieren, die Wahrschein­lichkeit, eine Führungsposition zu übernehmen, die finanzielle Unabhängigkeit innerhalb der Partnerschaft und die Höhe der Altersrente. Auf gesellschaftlicher Ebene kosten uns diese Karriereunterbrüche Milliarden, sowohl in Bezug auf die Rendite der Investitionen in die Ausbildung als auch in Bezug auf den Verlust von Humankapital auf dem Arbeitsmarkt.2

Es ist wahr, dass eine rein wirtschaftliche Analyse nur partiell ist. Man muss sich jedoch be­wusst sein, dass zwei von fünf Ehen geschieden werden und die Frau, die ihre berufliche Karriere unterbrochen hat, in prekären Verhältnissen zurückbleibt.

Die Entscheidung, auf eine berufliche Karriere zu verzichten, um sich der Erziehung der Kinder zu widmen, muss respektiert werden. Eine Wahl setzt jedoch voraus, dass die Eltern sich der Konsequenzen bewusst sind und dass die Entscheidung reiflich überlegt wurde. Heutzutage ist festzustellen, dass die Option, die Berufstätigkeit zu reduzieren, hauptsächlich von Frauen «gewählt» wird. Die jüngste Geschichte erklärt diese Situation auch heute noch: So führte der letzte Schweizer Kanton das Wahlrecht erst 1990 ein, und das Schweizer Zivilgesetzbuch aner­kannte bis zum 31. Dezember 1987 den Mann als «Familienoberhaupt». Die Frau musste ihn um Erlaubnis fragen, um eine berufliche Tätigkeit ausüben zu können.

Die Welt hat sich verändert und entwickelt sich rasant weiter. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist Sache der Eltern (beider Elternteile und nicht nur der Frauen), aber auch der Gesell­schaft, welche die Rahmenbedingungen schaffen muss, um dies zu fördern.

Der Aspekt, der am schwierigsten zu ändern ist, ist jedoch der, der mit unseren Vorstellungen zusammenhängt. Diese hängen von der Geschichte unseres Landes, unserer Familien- und Bildungserziehung sowie dem sozialen und beruflichen Umfeld, in dem wir leben, ab. Im Schweizer Familienbarometer, das Pax und Pro Familia Schweiz am 14. März veröffentlichen werden (www.familienbarometer.ch), wurde ein weiteres Element zu dieser langen Liste hinzugefügt: die finanziellen Ressourcen. Für viele Familien ist es der Mangel an finanziellen Ressourcen, der 90 Prozent – laut der Umfrage – dazu veranlasst, ihre Erwerbsquote (eines oder beider Partner) zu erhöhen. Dieser schwierige Umstand wird unsere Gesellschaft jedoch sicherlich in Richtung einer grösseren Gleichberechtigung der Eltern so­wohl bei den Erziehungs- und Haushaltsaufgaben als auch bei den beruflichen Aufgaben weiterentwickeln.

Dr. Philippe Gnaegi ist Direktor von Pro Familia Schweiz. Er unterrichtet als Dozent an der Universität Freiburg und Neuchâtel im Bereich Sozialversicherung und Familienpolitik. Er wird am 18. April 2024 um 18.30 Uhr an der NZZ Live-Veranstaltung zum Thema «Kind und Karriere – ein Widerspruch?» mit weiteren Experten teilnehmen. Weitere Informationen und Tickets unter nzz.ch/live

Weiterlesen - ein Beitrag von Rebecca Darlington erschienen am 04.03.2024 auf www.nzz.ch

Aus für Mehrfahrtenkarte: Wer kein Handy hat, bleibt aussen vor

Die SBB schaffen Mehrfahrtenkarten zum Stempeln ab. Doch nicht alle können mit dieser Digitalisierung mithalten. 

Die orangefarbenen Entwerter an Bahnhöfen wirken fast schon retro. Und sind bald Geschichte. 

Die SBB und andere Verkehrsbetriebe schaffen die Mehrfahrtenkarten zum Stempeln ab. Der ÖV-Branchenverband Alliance Swisspass hat diese Woche einen Bericht des «K-Tipp» bestätigt. Fixes Ablaufdatum aller Karten ist der 15. Dezember 2025. 

Schweizweit wurden im letzten Jahr 6,3 Millionen Stempelkarten verkauft. Das sei gemessen an der Gesamtzahl der Billette und den Kosten für die Stempelautomaten zu wenig, heisst es bei SBB und Co.

Als Ersatz will die ÖV-Branche ab dem kommenden Jahr eine digitale Mehrfahrtenkarte für die Handy-App anbieten. Bei vielen Passagieren kommen diese Pläne gar nicht gut an. «Immer mehr Schalter werden geschlossen, wo man ein Billett besorgen konnte und Beratung erhielt. Was übrig blieb, waren die Mehrfahrtenkarten, die einfach zu handhaben sind», schreibt eine Beobachter-Leserin. Und die sollen nun weg. 

Vor allem für ältere Menschen, Kinder, aber auch für Menschen am Rand der Gesellschaft ergäben sich Nachteile, kritisieren Seniorenverbände, Familienorganisationen oder die Caritas.

«Es braucht mehr Zeit und Schulungen» 

So sagt Peter Burri Follath, Kommunikationsleiter von Pro Senectute, man sei vor allem über die Geschwindigkeit überrascht. «Für solche Veränderungen muss ausreichend Zeit eingeplant werden – mehrere Jahre.» Nur so könnte dies durch Beratungsangebote und spezielle Schulungen begleitet werden.

Auch Kinder müssten im Umgang mit den neuen Medien geschult werden, so Pro Familia gegenüber dem Beobachter. Doch Kinder seien heute IT-affin und wüssten schnell, wie man ein Ticket in einer App löst. Aber Handy oder Drucker bräuchte man dafür – und das könnten sich nicht alle leisten.

Dass nicht alle Zugang zu Geräten hätten, betont Daria Jenni von Caritas. «Digitalisierung kann eine Chance sein – doch niemand darf ausgeschlossen werden.»

Tieferes Einkommen, weniger Mobilität

Auch wenn jemand keine digitalen Kompetenzen, Ausweispapiere, keine Handynummer oder Meldeadresse hat, könne die Person die digitale Karte nicht kaufen. «Menschen mit tiefem Einkommen legen nicht einmal halb so viele Kilometer zurück wie Menschen mit hohem Einkommen», sagt sie. Und genau jene trifft es nun wieder.

Mehrfahrtenkarten können heute anonym gekauft werden. «Sans Papiers ohne Pass können die digitalen Karten nicht nutzen», erklärt Bea Schwager, Leiterin der Sans-Papiers-Anlaufstelle Zürich (SPAZ). 

Und Fabio Weiler, Co-Leiter des Kafi Klick, eines Internetcafés für Armutsbetroffene in Zürich, sagt: «Man kann nicht erwarten, dass jemand, der das Leben lang einen Kran bedient oder im Restaurant kocht, digitale Kommunikationsmittel einwandfrei beherrscht.» Doch oft seien es genau Menschen mit wenig Geld und Jobs mit tiefen Löhnen, die Mehrfahrtenkarten nutzen.

Weiterlesen - ein Bericht von Antonella Nagel erschienen am 1.3.2024 auf www.beobachter.ch

Häusliche Gewalt trifft immer mehr Männer

In den vergangenen Jahren hat die Gewalt von Frauen gegenüber ihren Partnern zugenommen – und es betrifft nicht nur psychische Gewalt. Wer häusliche Gewalt hört, denkt häufig an Gewalt von Männern gegen Frauen. Doch Gewalt gegenüber Männern nimmt zu, wie Zahlen belegen. Ein Sicherheitspolitiker fordert deshalb auch Kurse für Täterinnen.

Mitte Januar berichtete 20 Minuten von einem Fall, bei dem eine Frau vom Bezirksgericht Bülach wegen rund eines Dutzends Delikte von häuslicher Gewalt und Stalking verurteilt wurde. Dass Männer Opfer von häuslicher Gewalt werden, ist längst kein Einzelfall mehr, wie nun Zahlen der «NZZ am Sonntag» (Bezahl-Artikel) belegen. Habe der Bund 2009 noch 2300 männliche Geschädigte gezählt, sind es nun inzwischen 3400.  

Die häusliche Gewalt von Frauen an Männern sei dabei nicht nur psychischer Natur – wie auch der Fall aus Bülach zeigt, bei dem die Verurteilte ihren Ehemann mit einem Rüstmesser attackiert hatte. So habe es laut «NZZ am Sonntag» 2022 fast gleich viele versuchte Tötungsdelikte an Männern wie an Frauen gegeben – 27 gegenüber 34. Es seien zudem 41 schwere Körperverletzungen an Männern und 79 an Frauen verzeichnet worden. Einzig bei Sexualdelikten seien Frauen fast ausschliesslich Opfer.

Markus Theunert, Leiter des Dachverbands der Schweizer Männer- und Väterorganisation, sagt zur Zeitung: «Die kontinuierliche Zunahme an Gewalt gegen Männer im häuslichen Umfeld ist bemerkenswert.» Vielleicht würde häusliche Gewalt generell stärker thematisiert werden, «vielleicht gibt es mittlerweile auch unter Männern eine tiefere Schwelle, Übergriffe zur Anzeige zu bringen».

Für den Berner Nationalrat und Sicherheitspolitiker Reto Nause ist klar, dass Präventionskurse und Beratungsangebote auch auf Täterinnen ausgerichtet werden müssten. Bislang seien Kurse hauptsächlich für Männer gedacht. Doch: «Auch für Frauen, die ihre Partner schlagen, braucht es solche Kurse.»

Weiterlesen - ein Beitrag von Yasmin Rosner erschienen am 25.02.2024 auf www.20min.ch 

Jetzt wollen auch Boomer nur noch Teilzeit arbeiten

Die Gen Z will nicht arbeiten, so lautet das Vorurteil. Doch laut einer Studie sind es gerade die älteren Arbeitnehmenden, die Teilzeit arbeiten wollen. Eine Schweizer Studie zeigt: Die Präferenz für Teilzeitarbeit steigt mit dem Alter. Zwei Drittel aller über 50-Jährigen Arbeitnehmenden bevorzugen kein volles Arbeitspensum. Bei den Jüngeren ist die Zahl geringer.

Die Vorliebe für Teilzeitarbeit ist nicht nur bei jungen Menschen verbreitet. Eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens «Deloitte» zeigt, dass diese Präferenz mit zunehmendem Alter sogar steigt. Nur 30 Prozent der 1900 Befragten im Alter von 18 bis 64 Jahren bevorzugen eine Vollzeitbeschäftigung. Laut Bundesamt für Statistik (BFS) arbeiten nur 18 Prozent der Männer Teilzeit. Doch mehr als die Hälfte würden dies gerne tun, wenn sie die Möglichkeit hätten. Bei den über 50-Jährigen würden sogar zwei Drittel Teilzeit bevorzugen – bei den Jüngeren knapp 60 Prozent. Frauen hingegen sind mit ihrer aktuellen Arbeitssituation zufriedener. Laut BFS beträgt hier die Teilzeitquote bereits 57 Prozent. Wobei mehr als 70 Prozent den Wunsch nach einer solchen Beschäftigung äussern.

Arbeitskräftemangel trotz Rekordzuwanderung

In der Schweiz ist die Arbeitslosigkeit niedrig und gleichzeitig verlassen viele Babyboomer den Arbeitsmarkt. Der Mangel an Arbeitskräften wird sich aufgrund demografischer Faktoren verschärfen, berichtet «Tamedia». Zuwanderung war in den letzten Jahren oft die einfachste Antwort auf dieses Problem. Doch das könne nicht länger die Lösung sein, meint Deliotte-Chefökonom Michael Grampp. «Zuwanderung kann das Problem des Arbeitskräftemangels nicht lösen, das hat man in den letzten Jahren gesehen», sagt er. Die Alternative besteht darin, das inländische Potenzial besser zu nutzen. Japan ist ein gutes Beispiel dafür: Trotz einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung konnte es ein beachtliches Wirtschaftswachstum pro Kopf erzielen. Dies konnte durch die Mobilisierung von Frauen und Senioren für den Arbeitsmarkt erreicht werden, so «Tamedia».

Aufgaben von Staat und Unternehmen

Nicht nur der Staat muss handeln – auch Unternehmen haben Handelbedarf. «Die Unternehmen können nicht einfach alles auf den Staat schieben», findet Michel Grampp. Sie müssten mehr tun: Etwa Investitionen in Weiterbildung älterer Mitarbeiter tätigen oder flexible Arbeitszeiten anbieten. Es sei an der Zeit, dass sowohl Staat als auch Unternehmen ihre Verantwortung wahrnehmen. So können Lösungen für den Arbeitskräftemangel gefunden werden, so Grampp gegenüber «Tamedia».

Teilzeitarbeit: Eine Frage der Work-Life-Balance

In der Schweiz wird dieses Unterfangen durch den stark ausgeprägten Wunsch nach Teilzeit erschwert. Überraschenderweise sind Kinder nicht der Hauptgrund für diese Präferenz – vielmehr möchten die Befragten mehr Zeit für persönliche Hobbys haben.«Allgemein zeigt sich, dass das häufig erwähnte Argument für die Teilzeitarbeit, die Familie, zunehmend ins Leere läuft», sagt Michael Grampp. Es scheint einen kulturellen Wandel gegeben zu haben: Selbstoptimierung und Work-Life-Balance gewinnen an Bedeutung.

Weiterlesen - ein Beitrag von Janis Meier erschienen am 24.02.2024 auf www.nau.ch