Der Kinderwunsch ist vom Zwei-Kind-Modell geprägt

Gut die Hälfte der jungen Erwachsenen wünscht sich zwei Kinder (53%). Wunsch und Realität liegen allerdings deutlich auseinander, was die Anzahl Kinder betrifft. Bei den meisten Familien sind die Mütter stärker in die Kinderbetreuung eingebunden als die Väter. Viele Aufgaben, wie mit den Kindern spielen oder sie ins Bett bringen, werden aber von beiden Eltern übernommen. Auch die Grosseltern leisten einen wichtigen Beitrag: 75% hüten mindestens eines ihrer Enkelkinder unter 13 Jahren. Dies zeigen die ersten Ergebnisse der Erhebung zu Familien und Generationen 2023 des Bundesamtes für Statistik (BFS).

Das Familienmodell mit zwei Kindern ist beliebt: 53% aller Personen im Alter von 20 bis 29 Jahren wünschen sich zwei Kinder. 25% möchten drei oder mehr Kinder und 5% ein Kind. Knapp jede fünfte junge Person möchte keine Kinder haben (17%). Verglichen mit älteren Personengruppen sieht die Realität allerdings anders aus: Bei Personen im Alter von 50 bis 59 Jahren haben 38% zwei Kinder, 19% drei Kinder oder mehr und 17% ein Kind. Jede vierte Person bleibt kinderlos (25%).

Eltern haben wenig Zeit zum Erholen

In vielen Familien sind heute beide Eltern erwerbstätig und müssen Familienarbeit und Beruf vereinbaren. Dementsprechend ist für Personen mit Kindern unter 25 Jahren im Haushalt die mit Abstand häufigste Schwierigkeit der Mangel an Zeit zum Entspannen und Abschalten. Gut drei Viertel der 25- bis 54-Jährigen geben an, dies sei in ihrer Familie sehr oft, oft oder manchmal der Fall. Andere Schwierigkeiten, wie z.B. gesundheitliche Probleme einer Person im Haushalt (38%) oder berufliche Schwierigkeiten (34%), kommen seltener vor.

Die Kinderbetreuung ist mehrheitlich Sache der Mütter

Wenn Kinder krank sind, sind es mehrheitlich die Mütter, die zu Hause bleiben (63%). Sie kümmern sich auch darum, die Kinder anzukleiden oder ihnen dabei zu helfen (51%). Andere Aufgaben werden hauptsächlich von beiden Elternteilen übernommen, wie zum Beispiel mit den Kindern spielen (73%) oder die Kinder ins Bett bringen (68%). Dass die Väter hauptsächlich die Kinderbetreuung übernehmen, ist selten. In 6% der Paarhaushalte sind sie vorwiegend zuständig, ihre Kinder in die Kita oder in die Schule zu bringen oder ihnen bei den Hausaufgaben zu helfen.

Grosseltern leisten einen wichtigen Beitrag bei der Betreuung

45% der Personen im Alter von 55 bis 80 Jahren haben ein oder mehrere Enkelkinder. Dieser Anteil nimmt mit dem Alter zu: Bei den 55- bis 64-Jährigen sind es 28%, bei den 65- bis 80-Jährigen 62%. Drei Viertel der Grosseltern mit Enkelkindern unter 13 Jahren betreuen diese regelmässig oder gelegentlich: 42% hüten mindestens einmal pro Woche ihre Enkelkinder, 21% mindestens einmal im Monat und 12% weniger als einmal pro Monat oder während den Ferien. Lediglich ein Viertel hütet die Enkelkinder nie.

Kitas oder schulergänzende Betreuungseinrichtungen in den Städten am häufigsten

Schweizweit nutzen etwas weniger als die Hälfte (44%) aller Haushalte mit Kindern unter 13 Jahren Kitas oder schulergänzende Betreuungseinrichtungen. Besonders häufig wird diese Betreuungsform in den sechs grössten Städten, Basel, Bern, Genf, Lausanne, Winterthur, Zürich genutzt. Dort stützen sich 71% der Familien mit Kindern unter 13 Jahren auf diese Betreuungsform. In den übrigen städtischen Gebieten liegt dieser Anteil bei deutlich tieferen 43% und in den ländlichen Gebieten ist er mit 33% nicht einmal halb so hoch. Insbesondere in den ländlichen Regionen ist dafür die Betreuung durch die Grosseltern (47% der Haushalte) sowie durch Tagesfamilien (12%) verbreiteter. In den Grossstädten liegen diese Anteile bei 26 bzw. 6%.

Weiterlesen - Neue statistische Informationen vom BFS erschienen am 02.10.2024

Zwangsrückkehr ins Büro: Droht Unternehmen eine Kündigungswelle?

Nach Schindler, Swatch und Swisscom holt Sulzer seine Mitarbeitenden zurück ins Büro. In den USA spürt Amazon derweil die Folgen dieser Politik: Mitarbeiter suchen sich eine neue Stelle. Immer mehr Firmen wollen das Homeoffice verbieten.Die Firmenchefinnen und -chefs glauben, dass die Angestellten im Büro besser arbeiten. Doch bei den Angestellten sorgt der Entscheid für miese Stimmung. Viele kündigen jetzt.

Schluss mit Homeoffice: Immer mehr Schweizer Firmen erwarten von ihren Mitarbeitern Präsenz im Büro – zuletzt Sulzer. Als Gründe wird oft der physische Austausch und der Teamgeist angeführt. Die Angestellten würden im Büro besser arbeiten. Nicht allen gefällt der Wechsel. In den USA bekommt der Onlinehandel-Gigant Amazon nach vergleichbaren Schritten aktuell die Konsequenzen zu spüren. Mitarbeiter verlassen den Job für eine neue Stelle, die Homeoffice anbietet. 

Miese Stimmung und Kündigungen

Ein Schritt, den auch Angestellte von Schweizer Unternehmen in Betracht ziehen – oder schon vorgenommen haben. «Ich habe gekündigt und bin nun bei einem Arbeitgeber, der das Homeoffice weiterhin fördert», sagt etwa ein News-Scout, unter der Bedingung, anonym zu bleiben. Mit dieser Einstellung ist er nicht allein. Ein weiterer Leser berichtet von einer miesen Stimmung im Büro und mehreren Kündigungen, weil sein Arbeitgeber die Anzahl Homeoffice-Tage reduziert habe.

«Ohne Homeoffice fühlt sich altmodisch an»

Für junge Berufseinsteiger kann die Büropflicht gar eine gänzlich neue Erfahrung mit der Arbeitswelt darstellen. «Nach fast zwei Jahren im Homeoffice in der Lehre, war ich daran gewöhnt von zu Hause aus zu arbeiten und flexibel zu sein», so der News-Scout. «In dem Betrieb jetzt, wo es gar kein Homeoffice gibt, fühle ich mich recht altmodisch.» Er denkt, Unternehmen werden es schwer haben, ohne Homeoffice junge Leute für sich zu begeistern. «Ich finde, Homeoffice ist jetzt modern und sollte überall zumindest für ein bis zwei Tage pro Woche angeboten werden.» Auch die Begründung der Arbeitgeber mit einer höheren Effizienz sieht sie nicht ein. «Ich bin effizienter im Homeoffice, da ich nicht so viel mit meinen Arbeitskollegen schwätze. Und im Arbeitsumfeld spüre ich, keiner will ganz zurück ins Büro.»

Herausforderungen nicht für alle reizvoll

Sulzer äussert sich währenddessen auf Anfrage nicht dazu, ob eine Kündigungswelle befürchtet wird. Stattdessen wird erneut erwähnt, dass physische Präsenz vor Ort die Zusammenarbeit und den Teamgeist stärken, und somit sowohl die persönliche Weiterentwicklung als auch das geschäftliche Wachstum positiv beeinflussen würden.

Effizienter im Homeoffice

Eine weitere Gruppe, die besonders unter der Umstellung leidet, sind Eltern: «Mit Homeoffice musste ich mich nicht abmelden, wenn mein Kind krank war, jetzt schon», so eine Mutter. Wie der Kurs bei den Mitarbeitenden aufgenommen wird, kommentiert, das Unternehmen ebenfalls nicht. Nur so viel: «Sulzer ist auf einem wichtigen und anspruchsvollen Weg zu einem starken Industrieunternehmen. Dieser Weg bringt Herausforderungen mit sich, die für viele Mitarbeitenden reizvoll sind, aber nicht für alle.»

Viele Unternehmen wollen Homeoffice beibehalten

 Wie wichtig die Option zum Homeoffice für Angestellte ist, bestätigen auch grosse Unternehmen wie die Zurich Versicherung, ABB, Baloise oder die Post auf Anfrage. «Es wird von den Mitarbeitenden auch sehr geschätzt – gar erwartet», so die Medienstelle der ABB. Allerdings verweisen etwa Coop oder die SBB darauf, dass bei vielen Stellen die Möglichkeit nicht bestehe, aufgrund der Art der Arbeit. Bei denjenigen, bei denen Homeoffice aber möglich ist, wollen die meisten Unternehmen das bisherige Modell beibehalten.
 

Das sagt der Arbeitgeberverband

 Der Schweizerische Arbeitgeberverband geht auf Anfrage davon aus, dass die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, von den Arbeitnehmenden auch künftig in Anspruch genommen wird. «Das Homeoffice und generell flexible Arbeitszeitmodelle haben sich etabliert», so Jonas Lehner von der Kommunikationsabteilung. Die Arbeitgeber seien in diesem Rahmen gewillt, Lösungen zu finden, die sowohl für die Arbeitnehmenden als auch für die Unternehmen interessant sind. «Gerade auch angesichts des Arbeitskräftemangels gehören solche flexiblen Lösungen zu einem attraktiven Arbeitgeber.» Doch: «Es besteht keinerlei Anspruch auf Homeoffice vonseiten der Arbeitnehmenden», so der Arbeitgeberverband. Die betrieblichen Regelungen zur Homeoffice-Auslegung seien zudem jederzeit umkehrbar.
 
Weiterlesen - ein Beitrag von Jan Janssen erschienen am 01.10.2024 auf 20min.ch

Niemand sollte auf medizinische Pflege verzichten müssen

Die Realität zeigt uns, dass ein gewisser Prozentsatz der Familien aus finanziellen Gründen auf medizinische Versorgung verzichten muss. Davon betroffen sind auch Kinder. Dies legt das Schweizer Familienbarometer von Pro Familia Schweiz und Pax dar, das dieses Jahr erschienen ist.

Die Schweiz hat eines der leistungsfähigsten Gesundheitssysteme der Welt – mit einem Zugang zur Gesundheitsversorgung, der sich über die gesamte Bevölkerung erstreckt. Darauf können wir stolz sein. Eine qualitativ so hochstehende Gesundheitsversorgung ist jedoch nicht günstig oder kostenlos. Jede:r Einzelne von uns muss zwingend Krankenversicherungsprämien bezahlen, eine Franchise übernehmen, wenn sie oder er zum Arzt geht, einen Selbstbehalt von zehn Prozent bis zu einem Betrag von maximal 700 Franken tragen oder auch die gesamten Zahnarztkosten übernehmen.

Pro Familia Schweiz und Pax haben im Jahr 2023 das erste Familienbarometer der Schweiz herausgegeben. Mehr als 2000 Familien aus allen Landesteilen wurden zu relevanten Themen rund um das Familienleben befragt: aktuelle Themen, Situation und Erwartungen von Familien, finanzielle Situation, finanzielle Absicherung und Vorsorge, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Vereinbarkeit von Beruf und Angehörigenbetreuung. Dabei wurden verschiedene Familien­formen berücksichtigt. Auffällig war, dass im Jahr 2024 die Lebenswelt der Familien in der Schweiz noch stärker von finanziellen Themen und Sorgen geprägt wurde als 2023. Am stärksten beschäftigt die Familien die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge.

Auch sehen 30 Prozent der Familien keine Möglichkeit zum Sparen. Gegenüber dem Vorjahr ist diese Zahl leicht gestiegen, und mehr als ein Drittel – beziehungsweise 37 Prozent der Familien – konnte maximal 500 Franken pro Monat auf die Seite legen (diese Zahlen entsprechen der jährlichen Erhebung des BFS). Leider haben elf Prozent der Familien geantwortet, dass sie aus Kostengründen am stärksten auf Gesundheitsleistungen (etwa Zahnarzt- und Arztbesuche) verzichten. Auch wenn 80 Prozent, also die grosse Mehrheit der Familien, in der Schweiz mit dem Familienleben zufrieden sind (was ein tolles Ergebnis ist), so sollte niemand aus finanziellen Gründen auf eine medizinische Behandlung verzichten müssen. Die Stärke unseres Landes liegt in einem niederschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung, von dem alle Menschen – und vor allem alle Familien – profitieren sollten.

Weiterlesen - ein Artikel im Gesundheitsratgeber publiziert bei Brigitte

Indikatoren der Gleichstellung von Frau und Mann und Vereinbarkeit von Beruf und Familie 3/2024

Erwerbssituation von Müttern und Vätern kleiner Kinder

Elternschaft heisst für Mütter und Väter auch, sich den Herausforderungen der Vereinbarkeit zu stellen. Die Erwerbsquote der Väter mit Kindern unter 4 Jahren ist seit 2010 stabil bei hohen 96-98%. Die Teilzeiterwerbstätigkeit ist in der Tendenz steigend. Im Jahr 2023 waren doppelt so viele Väter (16%) Teilzeit erwerbstätig im Vergleich zu 2010 (8%).

Die Erwerbsquote der Mütter mit Kindern unter 4 Jahren war im Jahr 2023 mit 79% um 11 Prozentpunkte höher als im 2010. Dem entspricht ein Rückgang der Nichterwerbspersonen (2010: 33%, 2023: 21%). In der gleichen Zeitspanne ist der Anteil Vollzeit erwerbstätiger Mütter von 12% auf 18% und jener der Teilzeiterwerbstätigen von 51% auf 56% gestiegen. Zudem ist bei der Teilzeit eine Verschiebung von tieferen (unter 50%) hin zu höheren Beschäftigungsgraden (50-89%) zu verzeichnen.

Geschlechtsspezifische Berufswahl auf Sekundarstufe II

Nach der obligatorischen Schule entscheiden sich junge Frauen häufiger als junge Männer für eine allgemeinbildende Ausbildung (Maturitäts- und Fachmittelschulen). Junge Männer ziehen hingegen mehrheitlich eine berufliche Grundbildung auf Sekundarstufe II vor. Ausbildungsgänge der Wirtschaft und Verwaltung sind die meistgewählten beruflichen Grundbildungen auf Sekundarstufe II. Die Geschlechterverteilung ist seit 2017 relativ ausgeglichen. Der Frauenanteil bei den unter 20-jährigen Lernenden im ersten Ausbildungsjahr betrug im Jahr 2022 49% (1990: 69%).

 Die Berufswahl ist jedoch in vielen Bildungsfeldern im Jahr 2022 weiterhin deutlich geschlechtsspezifisch geprägt. Im ebenfalls häufig gewählten Bildungsfeld Ingenieurwesen und Technik war der Frauenanteil 8% (1990: 4%). Demgegenüber entschieden sich junge Frauen mit einem Anteil von 89% deutlich häufiger als junge Männer für Ausbildungsgänge im Gesundheitswesen (1990: 95%).

Weiterlesen - Neue statistische Informationen vom Bundesamt für Statistik veröffentlicht am 26.09.2024

Hat die AHV viele Mütter benachteiligt? Ein brisantes Gerichtsurteil sagt Ja

Eigentlich soll sie die Gleichberechtigung fördern. Doch offenbar wird die Erziehungsgutschrift falsch abgerechnet. Es geht um Tausende von Franken.

Für Ruth Dreifuss war es ein persönlicher Triumph: Im Jahr 1995 erreichte die SP-Magistratin beim Volk ein deutliches Ja für die 10. AHV-Revision – bis heute ist dies die letzte grosse Reform der Altersvorsorge. Eine zentrale Neuerung bildete dabei die Einführung der Erziehungsgutschrift.

Schon als Gewerkschafterin, bevor sie in den Bundesrat kam, kämpfte Dreifuss für die Gleichberechtigung der Frauen in der AHV: «Die Erziehungsgutschrift dient als Anerkennung für die unbezahlte Arbeit: in Form eines fiktiven Lohns, um die Renten von Frauen aufzubessern», erklärte sie ihre Forderung.

30 Jahre später jedoch sieht sich die AHV plötzlich einem brisanten Vorwurf ausgesetzt: Ist das Sozialwerk gar nicht so frauenfreundlich, wie es damals versprochen wurde? Das Neuenburger Kantonsgericht hält in einem neuen Urteil nämlich fest, die geltende Regelung bei den Erziehungsgutschriften bedeute für Mütter eine Benachteiligung.

Worum geht es? Hinter dem Fall steht der 62-jährige FDP-Politiker Philippe Gnaegi, der unter anderem dem Neuenburger Staatsrat angehörte. Zurzeit ist er Direktor der Organisation Pro Familia. Zudem arbeitet er als Lehrbeauftragter an der Universität Freiburg und hat ein Standardwerk zur Geschichte der Sozialversicherungen publiziert.

Benachteiligung der Ehefrau

Gnaegi hat im Fall seiner eigenen Ehefrau Beschwerde gegen die AHV-Ausgleichskasse eingereicht. Seine Gattin ist älter als er und hat daher bereits das Pensionsalter erreicht. Das heisst für die Berechnung ihrer Rente: Solange nur sie AHV-berechtigt ist und der Mann noch arbeitet, richtet sich die Rentenhöhe nach ihrem eigenen lebenslangen Einkommen bis zur Pensionierung. Erst wenn der Ehepartner ebenfalls den Ruhestand erreicht, werden die beiden Einkommen hälftig geteilt.

Allerdings behandelt die AHV-Ausgleichskasse das Erwerbseinkommen und die Erziehungsgutschrift unterschiedlich: Während Ersteres zu 100 Prozent angerechnet wird, fliesst die Erziehungsgutschrift nur zur Hälfte in die AHV-Berechnung ein. Diese Praxis kam auch bei Gnaegis Ehefrau zur Anwendung. «Im Fall meiner Frau erachte ich diese Regelung als diskriminierend», erklärt Philippe Gnaegi. «Denn während ich als Vater zu 100 Prozent erwerbstätig blieb, hat allein meine Frau ihr Pensum reduziert, um unsere drei Kinder besser betreuen zu können.»

Die heutige Praxis, die Erziehungsgutschrift zu splitten, widerspreche dem ursprünglichen Gleichstellungsgedanken bei der Einführung der AHV-Reform, betont der Direktor von Pro Familia. «Wenn einzig die Frau wegen der Kinder eine Einkommenseinbusse erleidet, so muss sie konsequenterweise auch die gesamte Kompensation erhalten.»

Tausende Mütter sind betroffen

Er habe diesen Musterprozess nicht primär wegen seiner Frau angestrengt, sondern um die Altersvorsorge von Tausenden Müttern zu verbessern, sagt Gnaegi. Er verweist auf die AHV-Statistik zur Rentenhöhe bei Verheirateten, bei denen erst ein Partner rentenberechtigt ist: Während Männer eine monatliche Rente von 2047 Franken erreichen, kommen Frauen im Schnitt auf lediglich 1574 Franken.

Das Problem betreffe nicht nur Frauen, so Gnaegi, denn zunehmend würden auch Väter ihr Pensum reduzieren. «Der Zweck der Erziehungsgutschrift besteht darin, den entstandenen Lohnausfall auszugleichen. Das wird mit dem Splitting aber genau wieder rückgängig gemacht.» Das Gericht des Kantons Neuenburg hat diese Argumentation nun gestützt.

Die Differenz bei der Rente erreicht rasch einmal mehrere tausend Franken. Die Erziehungsgutschrift beträgt das Dreifache der jährlichen Minimalrente, was gegenwärtig einem Betrag von 44 100 Franken entspricht. Dieses fiktive Einkommen wird so lange gutgeschrieben, bis das jüngste Kind das 16. Altersjahr erreicht hat.

Ein Fall für die Politik

Das bedeutet am Beispiel einer verheirateten Frau mit zwei Kindern, die über das gesamte Erwerbsleben ein jährliches Einkommen von 30 000 Franken erzielt hat: Wird sie vor dem Mann pensioniert, so beträgt ihre monatliche AHV-Rente gemäss der heutigen Praxis 1798 Franken im Monat. Die Kalkulation basiert auf dem offiziellen Rechner der Ausgleichskassen.

Nimmt man dagegen das Urteil von Neuenburg zum Massstab, also ohne gesplittete Erziehungsgutschrift, dann steigt ihre Rente auf 1960 Franken. Das ergibt eine stattliche Differenz von 162 Franken pro Monat oder – mit der 13. AHV-Rente – von 2106 Franken pro Jahr. Sobald ihr Mann ebenfalls AHV-berechtigt ist, werden ohnehin sämtliche Einkommen seit der Eheschliessung zusammengezählt und durch zwei dividiert. Dann fällt die Verbesserung folglich weg.

Noch ist das Urteil von Neuenburg nicht rechtskräftig. Laut Gnaegi hat die Ausgleichskasse den Fall ans Bundesgericht weitergezogen. Der Direktor von Pro Familia erwartet allerdings ebenso, dass die Politik den Ball aufnimmt. «Die damalige AHV-Revision wollte verhindern, dass die Mutterschaft zu einem Nachteil bei der Rente führt. Doch das Splitting der Erziehungsgutschrift widerspricht genau diesem Ziel.»

Die Genfer SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz erklärt auf Anfrage, sie begrüsse das Urteil und sehe ebenfalls politischen Handlungsbedarf. «Offensichtlich besteht hier eine gesetzliche Lücke. Diesen Fehler müssen wir bei der nächsten AHV-Revision behandeln.» Gnaegi ergänzt, das sei für ihn auch keine Frage von rechts oder links. Es gehe ihm lediglich um die Gleichstellung. Jede zweite Frau mit Kindern unter zwölf Jahren reduziere laut der Statistik des Bundes ihr Arbeitspensum auf 50 Prozent oder weniger. Dies sei nach wie vor die Realität, welche auch die AHV berücksichtigen müsse.

Weiterlesen - ein Beitrag von Albert Steck erschienen am 10.09.2024 in der NZZ

Grosse Kostenübersicht: So teuer ist das Uni-Studium in der Schweiz

Semestergebühren, WG-Zimmer und Mate-Infusion haben ihren Preis. Wo ist das Studium in der Schweiz am günstigsten? War früher alles besser? Und lohnt sich das ganze überhaupt noch? Das Studium in der Schweiz kann ins Geld gehen. Die Studiengebühren variieren dabei aber stark zwischen den Universitäten. Über die letzten Jahre ist Studieren immer teurer geworden. Neben den Studiengebühren warten aber auch noch die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Trotzdem lohne sich ein Studium immer noch, sagt ein Arbeitsmarkt-Experte. Der Lohnunterschied zu Personen ohne Hochschulabschluss bleibe bestehen.

Zwischen Bildungsadel und Studentenarmut: Während für manche die beste Zeit des Lebens beginnt, fangen andere an jeden Rappen zu zählen. «Wenn mich meine Eltern nicht unterstützen würden, wäre das nicht finanzierbar», erzählt der Luzerner Masterstudent Fabio (28) – Mit seiner Erfahrung ist er nicht allein. «Wir teilen uns die Bücher mit anderen Studierenden», berichten etwa zwei Wirtschaftsstudenten. «Den Fehler, die teure Pflichtlektüre der Professoren zu kaufen, habe ich nur im ersten Semester gemacht», erzählt Masterstudent Michel. Eine 28-jährige Jura-Studentin sagt, sie könne sich den Wocheneinkauf nur noch im Aldi leisten. 20 Minuten gibt einen Überblick auf die Gebühren, Lebenshaltungskosten und die Frage – die besonders Verwandte interessiert – was der Abschluss denn überhaupt bringt.

Studiengebühren in der Schweiz

Wo studiert wird, hat einen grossen Einfluss aufs Portemonnaie. Während das Studium in Neuchâtel oder Genf nur rund 500 Franken pro Semester kostet, geht der Uni-Besuch im Tessin mit 2000 Franken pro Semester ordentlich ins Geld.

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Noch teurer kann es aber für Studenten ohne Schweizer Pass werden. An der Università della Svizzera Italiana (USI) und an der Universität St. Gallen verdreifachen sich die Kosten gar. Oftmals kommen dabei noch einmalige Gebühren für den Vorbildungsausweis dazu.

Studieren wird immer teurer

War das schon immer so teuer? Im Zeitraum von 2001 bis 2019 sind die Studiengebühren etwa um 20 Prozent angestiegen – die Inflation im Vergleich um gut acht Prozent – wie eine Studie eines Basler Beratungsunternehmens zeigt. Gestiegene Lebenshaltungskosten mal ausgelassen: Studieren wird im Schnitt immer teurer. Auffällig dabei ist jedoch der Unterschied zwischen den Universitäten. Die Treiber des Kostenanstiegs sind die Universitäten Fribourg, St. Gallen und Basel. Deren Gebühren stiegen zwischen 40 und 50 Prozent. Die teuerste Uni, die USI, hat ihre Gebühren währenddessen kaum erhöht. 

13'500 Franken Lebenshaltungskosten

Mit den Semestergebühren hat es sich aber noch lange nicht getan. Das Leben in der Schweiz kostet – und nicht gerade wenig. Im Durchschnitt haben Studierende Kosten von 13'500 Franken pro Semester gemäss dem Portal Berufsberatung.ch. Den grössten Batzen müssen die Studierenden dabei für die Miete hinblättern – wenn denn überhaupt ein WG-Zimmer gefunden wurde. Wer also noch im Hotel Elternhaus nächtigen darf, kann viel Geld sparen.

Und was machst du mit deinem Abschluss?

Eine Frage, die jeden Studierenden spätestens nach dem zehnten Mal nervt. Doch aus finanzieller Sicht ist sie nicht ganz unwichtig. Denn: «Ein Studium ‹rentiert› sich nicht in jedem Fall gleichermassen», weiss Michael Siegenthaler, Arbeitsmarktforscher am Schweizer Ökonomischen Institut. So gibt es grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Studiengängen. Ein Abschluss allein sei aber nicht ausreichend, um schnell und erfolgreich im Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. «Arbeitgeber legen auch grossen Wert auf Arbeits- und Berufserfahrung und Kompetenzen wie Teamfähigkeit, die man an der Uni nicht zwingend erlernt.» Deshalb seien jene im Vorteil, die neben dem Studium auch bereits in verschiedenen Bereichen Arbeitserfahrung gesammelt haben.

Lohnt sich das Studium also noch?

Ja, im Schnitt schon, findet Siegenthaler. «Der Lohnvorteil von Tertiärgebildeten gegenüber jenen, die als höchsten Abschluss einen Sek-II-Abschluss aufweisen, ist in der Schweiz in den letzten 20 Jahren auch konstant geblieben.» Gleichzeitig seien aber auch Abgänger gewisser Berufslehren im Arbeitsmarkt gefragt – in Bereichen wie der Pflege, dem Handwerk oder bei technischen Berufen im Baugewerbe gar so gefragt wie lange nicht.

Was tun, wenn das Geld für das Studium fehlt?

In der Schweiz gibt es viele Möglichkeiten, finanzielle Unterstützung für die Ausbildung in Anspruch zu nehmen. Bei diesen Adressen findest du Informationen zu privaten und staatlichen Stipendien:

Stipendium.ch
Educa Swiss
EDK

Weiterlesen - ein Beitrag von Jan Janssen erschienen am 18.09.2024 auf 20min.ch