Witwen- und Witwerrente der AHV: Bundesrat verabschiedet Botschaft

Der Bundesrat will die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bei den AHV-Hinterlassenenrenten beseitigen und das System an die gesellschaftliche Entwicklung anpassen. An seiner Sitzung vom 23. Oktober 2024 hat er die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) zur Kenntnis genommen und die Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet. Die Vorlage sieht unter anderem vor, dass der hinterlassene Elternteil bis zum vollendeten 25. Altersjahr des jüngsten Kindes eine Hinterlassenenrente erhält, unabhängig vom Zivilstand der Eltern. Die laufenden Renten von über 55-jährigen Witwen und Witwern sowie jene für über 50-jährige Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen werden weiter ausgerichtet. Bei jüngeren Personen bleibt der Anspruch noch zwei Jahre bestehen. Die Vorlage geht auch auf den Finanzierungsbedarf der AHV und den Auftrag zur Sanierung der Bundesfinanzen ein.

Nach aktueller Gesetzgebung haben Witwen Anspruch auf eine lebenslange Rente, selbst wenn sie keine unterhaltsberechtigten Kinder haben, während Witwer diese nur bis zur Volljährigkeit des jüngsten Kindes erhalten. 2022 stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem Urteil diese Ungleichbehandlung der Geschlechter fest. Seither hat die Schweiz eine Übergangsregelung eingerichtet, die Witwern mit Kindern eine lebenslange Rente gewährt und so lange gilt, bis das System, das noch auf einer traditionellen Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen beruht, einer Reform unterzogen wird. Nun will der Bundesrat die Hinterlassenenrenten der Entwicklung der Familienstrukturen, zu denen auch Patchworkfamilien und unverheiratete Eltern gehören, anpassen. Vorgesehen sind vom Zivilstand unabhängige Hinterlassenenleistungen für Haushalte mit Kindern. Entsprechend hat er eine Anpassung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) vorgeschlagen. Nachdem der Bundesrat die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Kenntnis genommen hat, hat er an seiner Sitzung vom 23. Oktober 2024 die Botschaft ans Parlament verabschiedet.

Vorgeschlagene Massnahmen

Mit der Revision sollen Hinterbliebene nach einem Todesfall oder solange sie unterhaltsberechtigte Kinder haben, gezielt unterstützt werden. Die Revision berücksichtigt sowohl Personen, die durch die Verwitwung armutsgefährdet sind, als auch altersbedingte Umstände. Ausserhalb dieser schwierigen Zeiten ist es nicht mehr gerechtfertigt, unabhängig von der finanziellen Situation der Versicherten lebenslange Renten auszurichten.

Anspruch von Personen, die nach dem Inkrafttreten der Reform verwitwen

  • Hinterlassenenrente für Eltern bis zum vollendeten 25. Altersjahr des jüngsten Kindes, unabhängig von Zivilstand und Geschlecht; Ausrichtung über das vollendete 25. Altersjahr hinaus, wenn ein erwachsenes Kind mit Behinderung betreut wird und dafür ein Anspruch auf Betreuungsgutschriften der AHV besteht;

  • zweijährige Übergangsrente bei Verwitwung zur Unterstützung von Hinterbliebenen ohne unterhaltsberechtigte Kinder. Das gilt für verheiratete Paare sowie für geschiedene Personen, die von der verstorbenen Person einen Unterhaltsbeitrag erhielten.

  • Unterstützung im Rahmen der Ergänzungsleistungen für Witwen und Witwer, die das 58. Altersjahr vollendet und keine unterhaltsberechtigten Kinder mehr haben, sofern der Tod einen Armutsfaktor darstellt;

  • In der Unfallversicherung: Gewährung einer Rente auch für Witwer, wenn sie beim Tod der Ehefrau Kinder haben, die keinen Rentenanspruch mehr haben, oder wenn sie das 45. Altersjahr vollendet haben, wie dies aktuell für Witwen gilt.

Anspruch von Personen, die bereits vor der Reform eine Witwen- oder Witwerrente beziehen

  • Beibehaltung der laufenden Renten für Witwen und Witwer, die bei Inkrafttreten das 55. Altersjahr vollendet haben; Aufhebung der Renten für Personen unter 55 Jahren innerhalb von zwei Jahren ab Inkrafttreten der Änderung, sofern sie keine unterhaltsberechtigten Kinder mehr haben (Übergangsbestimmung);

  • Beibehaltung der laufenden Renten für Witwen und Witwer, die bei Inkrafttreten das 50. Altersjahr vollendet haben und Ergänzungsleistungen zur AHV und IV beziehen (Übergangsbestimmung).

Von der Reform nicht betroffen ist der Anspruch auf eine Witwen- und Witwerrente der beruflichen Vorsorge, da in diesem Bereich keine Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen besteht. Die Rente der beruflichen Vorsorge wird grundsätzlich bis zum Tod oder zur Wiederverheiratung der hinterlassenen Ehegattin oder des hinterlassenen Ehegatten ausbezahlt. Viele Vorsorgeeinrichtungen sehen bereits heute Hinterlassenenleistungen für Personen vor, die für den Unterhalt eines gemeinsamen Kindes aufkommen. Diese reglementarischen Leistungen erlauben es, die heutigen Lebensmodelle zu berücksichtigen.

Die Reform trägt überdies dem Finanzierungsbedarf der AHV und dem Bundeshaushalt Rechnung. Tritt sie 2026 in Kraft, wird sie bis 2030 eine Verringerung der AHV-Ausgaben um rund 350 Millionen Franken ermöglichen, davon Einsparungen für den Bund von 70 Millionen Franken. In diesen Zahlen sind die vom BSV am 16. September 2024 aktualisierten Finanzperspektiven und die Finanzierung der 13. AHV-Rente berücksichtigt.

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Massnahmen gegen Heiraten von Minderjährigen treten Anfang 2025 in Kraft

Minderjährig verheiratete Personen sollen künftig besser geschützt und Minderjährigenheiraten noch effizienter bekämpft werden. Im Ausland geschlossene Minderjährigenheiraten werden generell nicht mehr anerkannt, sofern mindestens einer der Ehegatten bei der Eheschliessung seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 23. Oktober 2024 entschieden, die entsprechenden Gesetzesänderungen auf den 1. Januar 2025 in Kraft zu setzen.

In Zukunft werden Minderjährigenheiraten in der Schweiz noch wirksamer bekämpft und der Schutz der Betroffenen erhöht. Das Parlament hat die entsprechende Revision insbesondere des Zivilgesetzbuches (ZGB) und des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) am 14. Juni 2024 verabschiedet.

In der Schweiz ist es seit 2013 nicht mehr möglich, eine minderjährige Person zu heiraten. Im Ausland hingegen ist das teilweise erlaubt. Mit einer Anpassung im ZGB kann eine im Ausland geschlossene Ehe mit einer minderjährigen Person insbesondere auf Klage der Behörden oder der Betroffenen neu bis zum 25. Geburtstag der betroffenen Person für ungültig erklärt werden; bisher ist dies nur bis zu deren 18. Geburtstag möglich. Damit erhalten gerade auch Betroffene mehr Zeit, um ihre Situation beurteilen zu können und die notwendigen Schritte für die Ungültigerklärung der Ehe zu veranlassen.

Ausnahmsweise können Ehen mit minderjährig verheirateten Personen aufrechterhalten werden. Ist die Person zum Zeitpunkt der Prüfung noch minderjährig, nimmt das Gericht eine Interessenabwägung vor. Die Ehe kann aufrechterhalten werden, wenn dies ausnahmsweise im Interesse und zum Schutz der betroffenen Person ist und ihrem freien Willen entspricht. Diese bereits heute bestehende Ausnahme wird mit der Revision weiter präzisiert: Ist die betroffene Person zum Zeitpunkt der Prüfung bereits volljährig, bleibt die Ehe gültig, sofern das Gericht zum Schluss kommt, dass dies ihrem freien Willen entspricht.  

"Sommerferienheiraten" konsequent verhindern

Neu werden im Ausland geschlossene Minderjährigenheiraten generell nicht mehr anerkannt, sofern mindestens einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Heirat seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte. Mit den entsprechenden Änderungen im IPRG sollen sogenannte Sommerferienheiraten konsequent verhindert werden. Zudem werden Ehen von Personen unter 16 Jahren in der Schweiz nicht anerkannt, solange nicht beide Ehegatten das 16. Altersjahr vollendet haben.

An seiner Sitzung vom 23. Oktober 2024 hat der Bundesrat die entsprechenden Änderungen im ZGB und im IPRG auf den 1. Januar 2025 in Kraft gesetzt. Gleichzeitig werden weitere Bestimmungen im Strafgesetzbuch, im Partnerschaftsgesetz, im Ausländer- und Integrationsgesetz sowie im Asylgesetz entsprechend angepasst.

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Armutszeugnis, wenn die Schweiz Kinder im Regen stehen lässt

Die Studie zur ungenügenden Sozialhilfe für Kinder und Jugendliche sorgt für politischen Zündstoff. Während die SVP an der Umsetzbarkeit von höheren Beiträgen zweifelt, fordert die Linke schnelle Verbesserungen. Eine Studie zeigt, dass die Unterstützungsleistungen der Sozialhilfe für Kinder und Jugendliche ungenügend sind. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe fordert unter anderem eine Erhöhung des Grundbedarfs für Familien mit Kindern. Die SVP zweifelt an der Umsetzbarkeit der Forderungen, während die SP deren Wichtigkeit betont.


Eine Studie im Auftrag der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) zeigt, dass die heutigen Unterstützungsleistungen für Kinder und Jugendliche in der Schweiz ungenügend sind und Lücken bei der Existenzsicherung bestehen. Sie fordert deshalb konkrete Massnahmen, wie die Erhöhung des Grundbedarfs für Familien mit Kindern und eine nach Kindesalter abgestufte Bemessung des Grundbedarfs.

Rémy Wyssmann (SVP): «Kaum vorstellbar, dass
diese Kantone die Sozialhilfeansätze erhöhen»

Schlussendlich können die Kantone selber entscheiden, ob sie die vorgeschlagenen Massnahmen umsetzen wollen. SVP-Nationalrat Rémy Wyssmann zweifelt auch so an der Umsetzbarkeit: «Ich kann mir kaum vorstellen, dass alle Kantone die Sozialhilfeansätze erhöhen werden.» Einigen Kantone stehe das Wasser finanziell bis zum Hals. Wyssmann, der Mitglied der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit ist, schliesst aus der Studie, dass Migration ein entscheidender Faktor für den Anstieg der Armut sei. Er fordert deshalb stärkere Kontrollen: «Die Schweiz ist kein Welt-Sozialamt, deshalb brauchen wir zwingend eine Schutzklausel.»

Sarah Wyss (SP): «Armutszeugnis für die reiche Schweiz»

Es sei schon länger bekannt, dass Kinder und Jugendliche benachteiligt seien, wenn ihre Familie von Sozialhilfe abhängig ist, sagt SP-Nationalrätin Sarah Wyss. Diese Studie bestätige es und unterstreiche nochmals den «dringenden Handlungsbedarf», so Wyss, die ebenfalls Mitglied der SGK ist. «Es ist ein Armutszeugnis für die reiche Schweiz, wenn sie die Kinder im Regen stehen lässt – und damit auch ihre Zukunftsaussichten verbaut», kritisiert sie. Die Anzahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen sei «sehr alarmierend». «Ich erwarte, dass nun alle Ebenen zusammenspannen und für das Kindeswohl und die Chancengleichheit tiefgreifende Massnahmen ergreifen», fordert die SP-Frau. Es brauche unter anderem eine bessere, gerade auch finanzielle Unterstützung der Kinder. «Und die Kinder selbst sollen angehört werden, wenn sie genug alt sind», so Wyss.

Weiterlesen - ein Beitrag von Melissa Greiter erschienen am 18.10.2024 auf 20min.ch

Kinderarmut in der Schweiz Die Sozialhilfe für Kinder reicht nicht aus

Viele Familien sind auf Sozialhilfe angewiesen. Doch die genügt oft nicht, um den Lebensstandard zu sichern. Das zeigt eine neue Studie.


Mehr als ein Sechstel aller Minderjährigen in der Schweiz war 2022 armutsgefährdet. Bereits im vergangenen Jahr kritisierte deshalb das Kinderhilfswerk Unicef das Land: «Die Schweiz ist eines der reichsten Länder Europas, trotzdem ist in den letzten zehn Jahren die Kinderarmut um zehn Prozent gestiegen.» Ein neuer Bericht des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (Bass) zeigt nun: Die Sozialhilfe ist zu wenig an die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen angepasst.

«Der Grundbedarf für Familienhaushalte ist in der
Sozialhilfe tendenziell zu niedrig angesetzt.»

Mirjam Ballmer, Skos

«Die Studie zeigt erstmals, dass der Grundbedarf für Familienhaushalte in der Sozialhilfe tendenziell zu niedrig angesetzt ist. Dies führt zu einer strukturellen Unterdeckung, die die Existenzsicherung gefährdet», sagt dazu Mirjam Ballmer. Sie ist Vizepräsidentin der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos), welche die Untersuchung in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis ist klar: Vor allem bei Familien mit mehreren Kindern reicht das Geld von der Sozialhilfe oft nicht für die soziale Existenzsicherung aus. Laut dem Bass wird das Alter der Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, zu wenig beachtet: Die aktuellen Skos-Richtlinien sehen für ein Kleinkind dieselben Unterstützungsleistungen vor wie für Teenager. Das Problem liege am System, sagt Corinne Strebel, Leiterin des Beobachter-Beratungszentrums und Rechtsexpertin. Bei Familien wird das Geld nach Anzahl Köpfen aufgeteilt – und je mehr Mitglieder eine Familie hat, desto weniger Geld gibt es pro Person. So erhält eine Einzelperson laut Skos-Vorgaben 1031 Franken im Monat, eine fünfköpfige Familie aber nur rund 2495 Franken, um ihren Grundbedarf zu decken. Pro Person sind das nur noch 499 Franken. Eine Unterteilung nach Alter würde daran nichts ändern, denn mehr als eine erwachsene Person erhalte ein Kind ohnehin nie. «Man kann aber darüber diskutieren, ob diese Skos-Abstufungen gemäss Anzahl Personen angepasst werden müssen», sagt Strebel.

Zu wenig Geld für Skilager oder Musikstunden

Gerade für Kinder ist es belastend, knapp über der Armutsgrenze zu leben, weil es ihnen oft kaum möglich ist, an einem normalen Sozialleben teilzunehmen. Ob ein Kind einen Sportkurs, den Klavierunterricht oder das Skilager besuchen kann, wird durch die Höhe von sogenannten situationsbedingten Leistungen definiert – doch die fallen von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich hoch aus. Chancengleichheit gibt es nicht.

«Am besten könnte dieses Problem gelöst werden, wenn die
Sozialhilfe auf Bundesebene geregelt wird.»

Corinne Strebel, Leiterin des Beobachter-Beratungszentrums

Es fehlen klare Richtlinien der Skos. Für Strebel ist das ein grosses Problem: «Man kann sich nicht darauf verlassen, dass sie eine Leistung wie das Skilager übernimmt», sagt sie. «Am besten könnte dieses Problem gelöst werden, wenn die Sozialhilfe nicht mehr auf Kantonsebene, sondern auf Bundesebene geregelt wird.» Auch die Studienverfasser fordern eine einheitliche Regelung und deutliche Vorgaben der Skos. Politische Gremien wie die Sozialdirektorenkonferenz und die Städteinitiative Sozialpolitik diskutieren nun über notwendige Anpassungen, um die Sozialhilfe und damit das Kindeswohl zu stärken.

Wie SOS Beobachter hilft

Die Grenzen der situationsbedingten Leistungen spürte zuletzt auch die Familie Rohrer, die in Wirklichkeit anders heisst: Als die Mutter ihre Stelle verlor, reichte es trotz Arbeitslosenversicherung nur noch für das Nötigste. Das neue Handballtrikot für die Tochter, das diese für die Teilnahme an Ligaspielen benötigt, lag nicht mehr drin. Hier konnte die Stiftung SOS Beobachter im Frühling Abhilfe verschaffen: Sie bezahlte das Trikot und stellte so sicher, dass die Tochter auch zukünftig an ihren Handballspielen teilnehmen kann. Unterstützung erhalten

Weiterlesen - ein Beitrag von erschienen am 17.10. auf beobachter.ch




Neue Studie zu Sozialhilfe: Kinder und Jugendliche sind besonders oft von Armut betroffen

Kinder und Jugendliche weisen von allen Altersgruppen die höchste Sozialhilfequote auf. Das zeigt eine neue Studie. Die bestehenden Hilfsangebote seien ungenügend, kritisieren die Autorinnen und Autoren. Nun wollen Kantone und Städte die Kinderarmut bekämpfen. Dazu sollen der Grundbedarf für Familien mit Kindern erhöht und die Berechnung angepasst werden. Ausserdem sollen die Bedürfnisse von Kindern in der Sozialhilfe besser berücksichtigt werden.

76'000 Kinder und Jugendliche wurden im Jahr 2022 in der Schweiz von der Sozialhilfe unterstützt. Die Sozialhilfequote betrug bei unter 18-Jährigen damit 4.8 Prozent. Kinder in der Sozialhilfe würden oft in ihrer Teilhabe am sozialen Leben sowie beim Zugang zu schulischen Unterstützungsangeboten eingeschränkt. «Dadurch werden ihre Bildungschancen geschmälert», so die Verantwortlichen.

Anpassungen bei Sozialhilfeleistungen gefordert

Die Untersuchung sei zum Schluss gekommen, dass bei der Höhe und der Ausgestaltung der Sozialhilfeleistungen Handlungsbedarf bestehe. So schmälerten sich für Familien mit mehreren Kindern etwa die Beitragsleistungen. Auch würden Leistungen nicht an das Alter der Empfängerinnen und Empfänger angepasst. «Die Studie zeigt, dass der Grundbedarf bei Familienhaushalten tendenziell zu tief angesetzt ist, um die Existenzsicherung zu gewährleisten», so SKOS-Vizepräsidentin Mirjam Ballmer.

Aufstiegschancen erschwert

Weiter brauche es auch Verbesserungen bei der Beratung und Begleitung von Kindern in Sozialhilfe. Diese seien oft benachteiligt in Bezug auf ihre soziale Integration und den Zugang zu schulischen Unterstützungsangeboten. Das erschwere die Chancen auf eine gute Ausbildung, die ihnen helfen könnte, aus der Armut auszubrechen. Und schliesslich gebe es grosse kommunale Unterschiede bei den «situationsbedingten Förderleistungen» wie Musikunterricht oder Sport. Doch genau diese hätten für das Kindeswohl einen hohen Stellenwert.

Höhere Kosten für Kindeswohl

Insgesamt formulierten die Autorinnen und Autoren der Studie 14 Empfehlungen. Die zuständigen Gremien von SODK, SKOS und Städteinitiative Sozialpolitik hätten diese in ihrem Kern bereits gutgeheissen. Ihnen sei bewusst, dass die Umsetzung der Vorschläge zu höhere Kosten in der Sozialhilfe führen würde. Aber für sie sei die Umsetzung der Kinderrechte, das Wohl der Kinder und die angemessene Deckung der Kinder-spezifischen Bedürfnissen wichtiger.

Zur Studie

Die Studie wurde durchgeführt vom Büro für Arbeits- und Sozialpolitische Studien Bass AG. In Auftrag gegeben haben sie die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS), der schweizerische Städteverband (SSV), die Städteinitiative Sozialpolitik, die Stadt Zürich sowie das Eidgenössische Migrationskommission (EMK).

Weiterlesen - ein Beitrag von SRF 4 News; 17.10.2024



Die Entwicklung der erwerbstätigen Bevölkerung in den letzten 50 Jahren: Demografie, Teilzeiterwerbstätigkeit und Berufe

Die erwerbstätige Bevölkerung der Schweiz ist zwischen 1970 und 2023 kräftig gewachsen: von 2,843 auf 4,848 Millionen Personen. Im gleichen Zeitraum hat sich der Anteil der Frauen auf dem Arbeitsmarkt von 33,9% auf 46,7% und jener der ausländischen Arbeitskräfte von 19,2% auf 27,5% erhöht. Ebenfalls an Bedeutung gewonnen hat die Teilzeiterwerbstätigkeit: 1970 hatten lediglich 12,7% aller Erwerbstätigen ein Teilzeitpensum, 2023 waren es 37,6%. Zudem sind sowohl die Geschlechter als auch die schweizerischen und ausländischen Arbeitskräfte in den Berufshauptgruppen gleichmässiger vertreten. Dies sind einige Ergebnisse der Publikation «Die Entwicklung der erwerbstätigen Bevölkerung in den letzten 50 Jahren: Demografie, Arbeitszeit und Berufe». 

Der Anteil der Erwerbstätigen in einem «intellektuellen und wissenschaftlichen Beruf» ist zwischen 1970 und 2023 deutlich angestiegen (von 7,3% auf 26,8%). Auch bei den «Techniker/-innen und gleichrangigen nichttechnischen Berufen» (von 10,6% auf 17,0%) sowie bei den «Führungskräften» (von 4,7% auf 8,7%) war ein Plus zu verzeichnen. 2023 arbeiteten 52,5% der Erwerbstätigen in einer dieser drei hochqualifizierten Berufsgruppen, gegenüber 22,6% im Jahr 1970. Den stärksten Rückgang verzeichneten die «Handwerks- und verwandten Berufe» (von 25,1% auf 9,5%).

Feminisierung des Arbeitsmarkts 

Zwischen 1970 und 2023 hat sich die Zahl der erwerbstätigen Frauen mehr als verdoppelt. Sie ist von 964 000 auf 2,264 Millionen gestiegen. Auch die Arbeitsmarktteilnahme der Männer nahm in diesem Zeitraum zu. Ihre Anzahl erhöhte sich von 1,878 auf 2,584 Millionen Erwerbstätige. 

Den grössten Frauenanteil verzeichneten sowohl 1970 mit 69,3% als auch 2023 mit 65,9% die «Dienstleistungsberufe und Verkäufer/-innen». Männer waren hingegen in den «Handwerks- und verwandten Berufen» (1970: 81,7%; 2023: 87,1%) und bei den «Bediener/-innen von Anlagen und Maschinen und Montageberufen» (1970: 83,3%; 2023: 85,0%) klar in der Mehrheit. Männer und Frauen sind in den verschiedenen Berufen heute generell gleichmässiger vertreten als noch vor 50 Jahren: Der Dissimilaritätsindex ist von 0,318 im Jahr 1970 auf 0,250 im Jahr 2023 gesunken.

Mehr ausländische Arbeitskräfte

2023 waren in der Schweiz 1,336 Millionen ausländische Arbeitskräfte tätig, gegenüber 545 000 im Jahr 1970. Auch die Zahl der Erwerbstätigen mit schweizerischer Staatsangehörigkeit erhöhte sich in diesem Zeitraum, von 2,298 Millionen auf 3,513 Millionen.

Sowohl 1970 als auch 2023 waren ausländische Erwerbstätige bei den «Hilfsarbeitskräften» (1970: 29,2%; 2023: 55,4%), den «Handwerks- und verwandten Berufen» (1970: 28,0%; 2023: 31,3%) sowie bei den «Bediener/-innen von Anlagen und Maschinen und Montageberufen» (1970: 25,9%; 2023: 42,5%) am stärksten vertreten. Der tiefste Ausländeranteil wurde bei den Fachkräften im primären Sektor, d. h. der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei (1970: 2,8%; 2023: 7,8%) registriert. Analog zu den Geschlechtern verteilen sich die schweizerischen und die ausländischen Arbeitskräfte gleichmässiger auf die Berufe als noch vor 50 Jahren: Hier ist der Dissimilaritätsindex von 0,249 im Jahr 1970 auf 0,152 im Jahr 2023 gesunken.

Zunahme der Teilzeiterwerbstätigkeit

Teilzeiterwerbstätigkeit hat in den letzten fünf Jahrzehnten stark zugenommen: von 12,7% im Jahr 1970 auf 37,6% im Jahr 2023. Bei den Frauen hat sich ihr Anteil in diesem Zeitraum nahezu verdoppelt. 2023 arbeiteten mehr als die Hälfte der Frauen Teilzeit (1970: 29,4%; 2023: 58,0%). Bei den Männern er sich sogar nahezu verfünffacht, von 4,1% im Jahr 1970 auf 19,6% im Jahr 2023. Der Anteil der Teilzeiterwerbstätigkeit ist in allen Berufshauptgruppen gestiegen, am stärksten bei den «Hilfsarbeitskräften» (von 19,8% auf 53,2%), am zweitstärksten bei den «Dienstleistungsberufen und Verkäufer/-innen» (von 21,4% auf 52,7%). Diese beiden Gruppen wiesen 2023 auch die höchsten Anteile an Teilzeitpensen auf: Über die Hälfte der Erwerbstätigen arbeiteten Teilzeit. 

Höheres Durchschnittsalter der Erwerbstätigen

Das Durchschnittsalter der erwerbstätigen Bevölkerung hat sich zwischen 1970 und 2023 von 38,4 auf 42,4 Jahre erhöht. Dieser deutliche Anstieg deckt sich mit der Bevölkerungsalterung und der längeren Ausbildungsdauer. Die Zahl der Erwerbstätigen hat nahezu in allen Altersklassen zugenommen. Einzig bei den 15- bis 24-Jährigen ist sie gesunken, von 631 000 im Jahr 1970 auf 546 000 im Jahr 2023.

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