In der Schweiz werden 64% der Kinder unter 13 Jahren familienergänzend betreut

Grosseltern sowie Kindertagesstätten und schulergänzende Betreuungseinrichtungen sind die meist genutzten Betreuungsformen. Sie werden für je einen Drittel der 0- bis 12-jährigen Kinder in Anspruch genommen. 81% der Familien in Grossstädten lassen ihre Kinder fremdbetreuen, im Vergleich zu 66% der Familien in ländlichen Gebieten. Der Zufriedenheitsgrad der Eltern mit der genutzten Bereuungsform ist hoch, aber es besteht noch ungedeckter Bedarf. Das sind Ergebnisse einer neuen Publikation des Bundesamts für Statistik (BFS). Sie gibt einen Überblick über die aktuellsten verfügbaren Daten zur familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung in der Schweiz.

Kindertagesstätten und schulergänzende Betreuungseinrichtungen sowie Grosseltern übernehmen in der Schweiz etwa gleich grosse Anteile der Kinderbetreuung. Sie betreuen 32% bzw. 33% aller Kinder im Alter von 0-12 Jahren. Bei den Grosseltern zeigt sich jedoch ein deutlicher Unterschied nach Alter der Kinder: 40% der 0- bis 3-Jährigen werden regelmässig durch ihre Grosseltern betreut. Bei Kindern im Schulalter (4 bis 12 Jahre) sind es noch 29%. Knapp ein Zehntel der Kinder (9,3%) wird von anderen Personen aus dem Umfeld, z.B. von Verwandten, Freunden oder Nachbarn betreut. Tagesfamilien sowie Nannys, Au-Pairs und Babysitter betreuen je 5% der Kinder.

77% der in Einelternhaushalten lebenden Kinder werden familienergänzend betreut

Alleinlebende Eltern nehmen für ihre Kinder häufiger familienergänzende Betreuung in Anspruch als Paarhaushalte (77% bzw. 62%). Sie stützen sich zudem vermehrt auf institutionelle Kinderbetreuung: 49% der Kinder in Einelternhaushalten werden in einer Kindertagesstätte oder schulergänzenden Einrichtung betreut. In Paarhaushalten entspricht dieser Anteil 30%.

Sind beide Eltern Teilzeit erwerbstätig, werden 78% der Kinder familienergänzend betreut

Sind beide Eltern erwerbstätig, nutzen sie erwartungsgemäss vermehrt familienergänzende Kinderbetreuung als Elternpaare, bei denen die Mutter nicht erwerbstätig ist: Mit über 70% im Vergleich zu 34% werden doppelt so viele Kinder fremdbetreut.

Sind beide Eltern Vollzeit oder beide Teilzeit erwerbstätig, werden die Kinder mit 41% bzw. 40% häufiger in Kindertagesstätten oder schulergänzenden Strukturen betreut als Kinder von Paaren, bei denen der Vater Vollzeit und die Mutter Teilzeit oder nicht erwerbstätig ist (33% bzw. 15%). Aufgrund des hohen Betreuungsbedarfs und der grösseren organisatorischen Flexibilität kommen Nannys, Au-Pairs und Babysitter (11%) vor allem für Kinder zum Einsatz, deren Eltern beide Vollzeit arbeiten.

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Studie von Pro Familia Schweiz und Empiricon AG zur Arbeitszufriedenheit von Frauen und den Anreizen zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung

Medienmitteilung vom 24.05.2020

Pro Familia Schweiz und die Empiricon AG haben eine Umfrage mit einer Stichprobe von 500 erwerbstätigen Frauen aus der Schweiz – mit jeweils einem oder mehreren Kindern – durchgeführt. Ziel der Umfrage war es, zu untersuchen, wie zufrieden die Frauen mit ihrer gegenwärtigen Situation sind, inwieweit sie ihren Beschäftigungsgrad erhöhen wollen und unter welchen Bedingungen. Die Ergebnisse zeigen, dass – auch wenn die Frauen mit ihrer aktuellen Situation zufrieden sind – sie ihren Beschäftigungs­grad erhöhen möchten, vorausgesetzt die Rahmenbedingungen wären besser (gilt für 70 % von ihnen).

Drei Viertel der Frauen haben aufgrund der Mutterschaft ihren Beschäftigungsgrad reduziert. 63 % der Frauen sind mit dieser Reduktion zufrieden, 20 % möchten ihren Beschäftigungsgrad weiter senken und lediglich 17 % möchten ihn erhöhen.Andererseits, wären alle Rahmenbe­dingungen erfüllt, um die berufliche Arbeit von Müttern zu erleichtern, so würden 70 % gerne ihren Beschäftigungsgrad erhöhen und 32 % würden zu 70 % oder mehr bzw. 17 % würden zu 60 % arbeiten.

Als wir die Frauen nach den Gründen für den aktuellen Beschäftigungsgrad befragt haben, waren die vier häufigsten Antworten:

1. Ich möchte finanziell unabhängig sein.
2. Ich möchte meine Kinder mehrheitlich selber betreuen.
3. Ein Einkommen allein reicht nicht aus; heute müssen beide Elternteile arbeiten.
4. Es mangelt an zahlbaren Kinderbetreuungsstrukturen.


Die vier Hauptgründe, damit die Frauen ihren Beschäftigungsgrad erhöhen würden, sind:

1. Eine Reduktion der Kinderbetreuungskosten.
2. Eine Flexibilisierung des Arbeitsorts (Möglichkeit von zu Hause aus zu arbeiten).
3. Ein grösserer finanzieller Anreiz.
4. Eine geringere Arbeitsbelastung bei der Kombination von Hausarbeit, Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit.


Bei den anderen erzielten Ergebnissen ist zu beobachten, dass die Zufriedenheit mit dem Be­schäftigungsgrad – je nach Ausbildungsniveau – degressiv ist. Sie liegt vor allem bei Frauen, die nur die obligatorische Schule besucht haben, unter dem Durchschnitt. Entgegen den Erwartungen wollen Frauen mit tertiärer Bildung ihren Beschäftigungsgrad senken. Dieser Anteil – also der Wunsch den Beschäftigungsgrad zu reduzieren – ist im Tessin grösser als in der Deutsch- oder der Westschweiz, in Städten grösser als auf dem Land und auch grösser, wenn das Kind zwischen 0 und 6 Monaten alt ist.

Der Wunsch, den Beschäftigungsgrad zu erhöhen, falls die Rahmenbedingungen besser wä­ren, korreliert mit der Ausbildungsquote. Bei Frauen mit einer höheren Bildung ist er grösser. Es gibt ein Potenzial an Frauen mit höherer Bildung, die bereit wären, ihre Erwerbsquote auf maximal 80 % zu erhöhen. Auf der anderen Seite wären nur wenige bereit, 100 % zu arbeiten. Dieser Prozentsatz derer, die die Erwerbsquote erhöhen wollen, ist in der Westschweiz höher als in den beiden anderen Sprachregionen.

Der aktuelle Beschäftigungsgrad hängt zwar vom Alter der Kinder ab, wird aber auch von anderen Faktoren beeinflusst. Je gebildeter die Person ist, desto höher ist ihr Beschäftigungs­grad. Die Beschäftigungsquote ist in der Westschweiz und im Tessin höher als in der Deutschschweiz und bei Frauen die in der Stadt leben, höher als auf dem Land.

Schlussfolgerungen

Im Allgemeinen sind Frauen mit Kindern mit ihrer Beschäftigungssituation zufrieden. Dieser Punkt muss jedoch relativiert werden: Falls die Rahmenbedingungen besser wären, so dass Frauen mehr Zeit zur Verfügung hätten (z.B. infolge tieferer Kosten für die externe Kinderbe­treuung, Möglichkeiten von zu Hause aus zu arbeiten oder infolge grösserer finanzieller Anreize und weniger Verantwortung für Hausarbeit und Kinder), wären 70 % der Frauen mit Kindern bereit, sich stärker am Arbeitsmarkt zu beteiligen. Dieses grössere Engagement zeigt sich eher bei Frauen mit tertiärem Bildungsabschluss und in der Westschweiz. Ein Beschäfti­gungsgrad zwischen 80 und 100 % ist nicht beliebt. Das maximale Steigerungspotenzial liegt bei einem Beschäftigungsgrad von bis zu 80 %. Andererseits wären Frauen mit tertiärer Bildung heute eher geneigt, ihren Beschäftigungsgrad zu senken, weil die Rahmenbedingun­gen nicht erfüllt sind.

Medienmitteilung vom 24.05.2020
Bericht Grafiken
Artikel in der NZZ am Sonntag vom 24.05.2020 (zahlpflichtig)

Twitter-Mitarbeiter dürfen «für immer» von zu Hause aus arbeiten

Ein Beitrag erschienen am 13.05.2020 auf www.20min.ch

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Twitter dürfen auch nach der Corona-Krise weiterhin von zu Hause aus arbeiten. Der Kurznachrichtendienst will seinen 4900 Beschäftigten je 1000 Dollar zur Homeoffice-Ausstattung geben. Andere Tech-Firmen planen die Rückkehr ihrer Mitarbeiter ins Büro.

Twitter wird seinen Mitarbeitern erlauben, auch nach dem Ende der Coronavirus-Krise uneingeschränkt im Homeoffice zu arbeiten. Dies teilte der Konzern am Dienstag mit.

«Falls unsere Beschäftigten in einer Rolle und Lage sind, die es ihnen erlauben, von zu Hause aus zu arbeiten, und sie für immer damit weitermachen wollen, werden wir das möglich machen», erklärte der Kurznachrichtendienst. Die vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass es funktioniere, wenn Menschen an verschiedenen Orten zusammenarbeiteten. Twitter hatte nach jüngsten Angaben Ende des vergangenen Jahres 4900 Beschäftigte.

Twitter gehörte zu den ersten Unternehmen, die nach Ausbruch der Coronavirus-Krise die Mitarbeiter zum Arbeiten ins Homeoffice schickten. Die Büros sollen nun mindestens bis September geschlossen bleiben. «Es wird unsere Entscheidung sein, die Büros zu öffnen – und die Mitarbeiter entscheiden, wann und ob sie zurückkehren», betonte Twitter-Personalchefin Jennifer Christie in einem Blogeintrag am Dienstag zudem.

Geld für Ausstattung zu Hause

Die meisten Dienstreisen werden bis mindestens September gestrichen und interne Veranstaltungen bis Jahresende abgesagt. Die Twitter-Mitarbeiter könnten nun auch bis zu 1000 Dollar für ihre Homeoffice-Ausstattung ausgeben, berichtete die Website «Buzzfeed».

Der Dienst, der unter anderem grössere Büroflächen an der Market Street im Herzen von San Francisco hat, geht damit bereits weiter als andere Tech-Firmen. Facebook und Google stellen sich bisher darauf ein, dass viele ihrer Mitarbeiter noch bis Ende des Jahres von zu Hause aus arbeiten werden. Apple plane dagegen unterdessen die Rückkehr in die Büros in mehreren Wellen im Juni und Juli, berichtete der Finanzdienst Bloomberg unter Berufung auf informierte Personen.

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Homeoffice bleibt erhalten

Ein Beitrag von Jorgos Brouzos, Andrea Fischer, Stefan Häne erschienen am 11.05.2020 auf www.bernerzeitung.ch

Zahlreiche Grosskonzerne lassen sich bei der Rückkehr aus dem Homeoffice Zeit. Doch viele Arbeitnehmer sehnen sich nach dem Büro. Nicht wegen der Arbeit, sondern wegen der Kollegen.

Nun gelten also die ersten Lockerungen, die Wirtschaft fährt damit langsam wieder hoch. Viele Unternehmen holen ihre Arbeitnehmer seit Montag wieder zurück in die Büros oder Produktionsstätten. Doch sie lassen sich dabei Zeit, wie eine Umfrage dieser Zeitung unter einigen grossen Arbeitgebern zeigt. So waren etwa beim Pharmakonzern Roche 85 Prozent der Mitarbeiter im Homeoffice, rund 1500 waren auch während des Lockdown vor Ort, seit Montag sind es wieder 3000. Wie es nun weitergeht, hängt von den Vorgaben des Bundes ab.

Eine schnelle Rückkehr ist bei vielen Grosskonzernen nicht geplant. Beim Nahrungsmittelkonzern Nestlé heisst es: «Wir orientieren uns an den Empfehlungen der Landesregierung, dass Homeoffice wann immer möglich weiterhin empfohlen bleibt.»

Weniger Risiken durch Heimbüro

Auch der Versicherer Zurich will nichts überstürzen: «Unbedachte Eile bei der Rückkehr an die Standorte ist nicht geboten, weil sich Zurich Schweiz täglich im Homeoffice-Modus als funktionierende Organisation bewährt und als widerstandsfähig erweist.»

Auch bei der Grossbank UBS hat sich die Arbeit von zu Hause aus bewährt. «Dadurch sind wir in der komfortablen Lage, unseren Betrieb nach und nach anzupassen, ohne etwas zu überstürzen oder unnötige Risiken einzugehen», so eine Sprecherin. Bei der Credit Suisse soll zuerst eine kleine Anzahl wichtiger Mitarbeiter in die Büros zurückkommen, danach weitere Angestellte in wechselnden Gruppen zurückkehren. Dies könnte dann ausgeweitet werden, bis alle wieder zurück an ihrem Arbeitsplatz sind.

Beim Versicher Swiss Life erfolgt nun schrittweise ein Übergang ins Split-Office, wo wöchentlich abwechselnd jeweils ein Teil eines Teams am Arbeitsplatz und der andere Teil von zu Hause aus arbeitet. Generalagenturen und Büros sind wieder geöffnet. Auch bei der Zürcher Kantonalbank findet die Arbeit nun in einem Mix zwischen Arbeit im Büro, Teamsplitting und Homeoffice statt. Alle Mitarbeiter haben zudem eine persönliche Schutzausrüstung bestehend aus Desinfektionsmittel für die Hände und zur grossflächigen Reinigung ihres Arbeitsplatzes sowie einigen Schutzmasken.

Firmen sind mit dem Homeoffice zufrieden

Grosse Arbeitgeber wollen also nichts überstürzen, dies auch, weil sich das Homeoffice in den letzten Wochen vielerorts bewährt hat. Für die Gewerkschaften und Arbeitnehmendenverbände steht der Gesundheitsschutz der Angestellten im Vordergrund. Adrian Wüthrich, Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes Travailsuisse weist auf die nach wie vor geltenden Empfehlungen des Bundes hin. Demnach sollen Arbeitnehmende weiterhin von zu Hause aus arbeiten, wo dies möglich sei. Eine Rückkehr an den Arbeitsplatz sei deshalb nur mit entsprechenden Massnahmen vor Ort akzeptabel.

«Viele Arbeitnehmende haben nach wochenlangem Homeoffice aber auch das Bedürfnis nach Austausch mit ihren Kolleginnen oder gar mit dem Chef.» Denise Chervet, Bankpersonalverband

«Viele Arbeitnehmende haben nach wochenlangem Homeoffice aber auch das Bedürfnis nach Austausch mit ihren Kolleginnen oder gar mit dem Chef», sagt Denise Chervet vom Bankpersonalverband SBPV. Dem müssten die Unternehmen ebenso Rechnung tragen. Gleich sieht das auch Christian Capacoel von der Gewerkschaft Syndicom. Ohne den direkten Austausch untereinander werde das Arbeiten zu Hause auf längere Sicht erschwert.

Nur weil es gut läuft, muss es nicht so bleiben

Da die Umstellung auf Homeoffice sehr plötzlich erfolgt ist, seien viele Heimarbeitsplätze auch nicht für längeres Arbeiten eingerichtet, sagt Capacoel. Es liege in der Verantwortung der Arbeitgeber, dies zu kontrollieren und allenfalls Anpassungen vorzunehmen. Die positiven Erfahrungen der Unternehmen in den vergangenen Wochen dürften kein Argument sein, die derzeitigen Bedingungen zu verstetigen.

Bei vielen Firmen gibt es noch keine Reglemente für den Umgang mit dem Homeoffice. Auch Denise Chervet vom Bankpersonalverband fordert nun von den Unternehmen, klare Regeln zu erlassen, wenn sie Homeoffice auch künftig ermöglichen wollen. Dabei seien auch die betriebsinternen Arbeitnehmervertretungen mit einzubeziehen. Keinesfalls dürfe Homeoffice zu einer Sparmassnahme werden, indem die betriebsinternen Arbeitsplätze weiter abgebaut werden.

Die Heimarbeit dürfte also weiter an Bedeutung gewinnen. Das zeigt sich auch in Bern. Der Bundesrat soll in einer Analyse das Potenzial der Telearbeit und die Auswirkungen auf den Verkehr während der Coronakrise darstellen, fordert SP-Nationalrat Bruno Storni. In eine ähnliche Richtung geht das Postulat der Genfer Nationalrätin Isabelle Pasquier. Der Bundesrat soll unter anderem aufzeigen, welche Bedingungen es braucht, um die Fortsetzung der Telearbeit in Unternehmen zu fördern.

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1,8 Millionen Schweizer wollen nach der Krise weiter zu Hause arbeiten

Ein Beitrag von Barbara Scherer erschienen am 06.05.2020 auf www.20min.ch

Viele Unternehmen mussten im Lockdown auf Homeoffice umstellen. Den Arbeitnehmern gefällts: Drei Viertel würden gerne weiterhin von zu Hause aus arbeiten. Trotzdem bieten nur wenige Firmen Stellen mit Homeoffice an. Darum gehts: Wegen Corona mussten viele Firmen auf Homeoffice umstellen. Aber nur rund 1 Prozent der offenen Stellen bietet die Möglichkeit für Homeoffice an. Dabei würden drei Viertel der Schweizer gerne weiterhin zu Hause arbeiten. Laut Experte gehört Homeoffice in Zukunft sowieso zur Normalität.

Das Coronavirus hat die Schweizer Arbeitswelt radikal verändert: Von heute auf morgen mussten viele Unternehmen wo möglich auf Homeoffice umstellen. Trotzdem gehört das Arbeiten von zu Hause aus noch nicht zum Standard. Nur rund 1 Prozent der ausgeschriebenen Stellen bietet die Möglichkeit für Homeoffice an, wie eine Untersuchung der Firma Jobchannel zeigt.

Von aktuell 180’000 offenen Stellen in der Schweiz bieten nur 1500 Homeoffice an. Dabei möchten fast drei Viertel der Schweizer auch nach der Corona-Krise zu Hause arbeiten können. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW und der Zürcher Hochschule ZHAW.

Produktiver im Homeoffice

Hochgerechnet auf den Schweizer Arbeitsmarkt können und wollen über 1,8 Millionen Schweizer im Homeoffice arbeiten. Das sei nicht erstaunlich, sagt Personalexperte Michel Ganouchi: «Viele Arbeitnehmer haben in der Krise gelernt, von zu Hause aus zu arbeiten, und dabei gemerkt, welche Vorteile das hat.»

Viele Menschen würden zu Hause effizienter und produktiver arbeiten. «Natürlich gibt es auch Leute, die Mühe haben im Homeoffice.» Gerade für Eltern mit Kindern im Homeschooling könne das Arbeiten zu Hause schwierig werden.

Auch würde gewissen Personen das technische Equipment fehlen. «Wer einmal richtig ausgestattet ist und sich organisiert hat, merkt aber rasch, dass beim Homeoffice mehr Freizeit bleibt, weil der Arbeitsweg wegfällt.»

Firmen mit Homeoffice sind attraktiver

Bei vielen Berufen gehöre Homeoffice in Zukunft mit dazu. Davon ist der Personalexperte überzeugt. «Einige Tage pro Woche zu Hause arbeiten wird in Berufen, bei denen ortsunabhängig gearbeitet werden kann, zur Normalität werden», sagt Ganouchi.

Den Arbeitgebern empfiehlt der Experte deshalb, die Möglichkeit für Homeoffice in Stellenbeschreibungen zu erwähnen. Damit würden Firmen attraktiver für Arbeitnehmer werden. Zudem würden sich Unternehmen auch einen Vorteil bei der Suche nach gut qualifiziertem Personal verschaffen.

Führungskräfte müssen sich anpassen

Dass viele Firmen trotzdem kein Homeoffice anbieten, liege daran, dass Arbeitgeber einen Kontrollverlust fürchten. «Die Mitarbeiter können dann natürlich nicht mehr so gut überwacht werden», sagt Ganouchi. Führungskräfte müssen sich beim Homeoffice anpassen und lernen, die Mitarbeiter aus der Ferne zu leiten. Eine derartige Vertrauenskultur müsse sich oft erst aufbauen und etablieren.

Die aktuelle Situation beweise aber, dass Arbeiten von zu Hause aus bei den meisten Firmen möglich sei. «Ich bin deshalb überzeugt, dass die Corona-Krise einen nachhaltigen Effekt auf unsere Arbeitswelt haben wird», so Ganouchi.

Auch seien weitere Pandemien in Zukunft nicht auszuschliessen. Unternehmen mit der Möglichkeit für Homeoffice wären bei einer nächsten Krise dann klar im Vorteil.

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«Homeoffice hat sich mit der Krise definitiv etabliert»

Ein Beitrag von Fabian von Allmen aus 10vor10 vom 05.05.2020

Hunderttausende Arbeitstätige haben die letzten Wochen zwangsweise zu Hause gearbeitet. War Homeoffice vorher noch eine Randerscheinung, hat sich die Arbeitsform dank der Krise nun schweizweit etabliert.

Es ging Schlag auf Schlag. Als der Bundesrat 16. März die Schliessung aller Geschäfte ausser in den lebensnotwendigen Bereichen verordnete, zogen hunderttausende Büro-Arbeitskräfte ins Homeoffice. Für viele war es das erste Mal.

«Zuerst habe ich mich gewehrt», sagt Willem Baumann. Der Werber arbeitet bei der Agentur Contexta. «Es musste schnell gehen. Ich habe den Computer nach Hause genommen, einen Tisch eingerichtet, Skype gestartet und los ging es.» Die Umstellung funktioniere aber erstaunlich gut, so Baumann.

Eine SRF-Umfrage unter grossen Schweizer Unternehmen zeigt die Dimensionen des Homeoffice. Drei Beispiele: Bei der Versicherung Zurich arbeiten momentan 95 Prozent von zu Hause aus, bei der Swisscom 90 Prozent und sogar bei der Novartis sind es 80 Prozent.

«Vor der Krise arbeiteten nur etwas mehr als 10 Prozent der Arbeitstätigen in der Schweiz mehrheitlich von zu Hause aus», sagt Fachhochschuldozent Marc K. Peter. Er hat das Phänomen Homeoffice schon vor der Krise untersucht.

Die Krise als Chance

«Jetzt könnte durchaus Druck von den Mitarbeitenden kommen, auch in Zukunft mehr zu Hause zu arbeiten», ist Marc K. Peter überzeugt. Aber auch für die Unternehmungen ergäben sich Chancen: «Brauchen wir noch so viel Bürofläche? Braucht es all die ineffizienten Team-Meetings noch, bei denen heute alle dabei sein müssen?»

Die Chefin im Homeoffice: Gabriela Länger ist Mitglied der Geschäftsleitung bei der Postfinance und verantwortet unter anderem das Personal. Innerhalb von wenigen Tagen hat die Postfinance fast 3000 Mitarbeitende nach Hause geschickt. «Ein Kraftakt», betont sie. «Wir haben gezwungenermassen einen Digitalisierungsschub mitgemacht», sagt sie. «Aber davon werden wir nun profitieren.» Sie hätten zum Beispiel für über 70 Personen eine Kaderveranstaltung kurzfristig online ansetzen müssen. Das Resultat sei eine neue Telekonferenz-Plattform: «Die steht uns nun jederzeit zur Verfügung.»

Nicht ohne Risiken

«Ich arbeite mehr als vorher», sagt Willem Baumann. Im Homeoffice falle es ihm schwerer, Arbeit und Freizeit voneinander zu trennen: «Der Weg ins ‹Büro› beträgt nun nur noch wenige Meter.»

«Die Risiken des Homeoffice sind nicht zu unterschätzen», sagt auch Marc K. Peter. Isolation, Kontakte nur noch virtuell und die Familiensituation – etwa wenn gleichzeitig auch Kinder betreut werden müssten – könne belastend sein. Und: Manch ein Arbeitgeber überwache die Angestellten stärker als im Büro. «Es ist problemlos möglich, lückenlos zu verfolgen, was am Firmenlaptop gearbeitet wird», sagt Peter. Das werfe grosse Fragen zum Persönlichkeitsschutz und zur Kontrolle auf.

Grosses Potenzial

«In Zukunft werden mehr also ‹doppelt› so viele regelmässig zu Hause arbeiten», schätzt der Forscher. Das biete grosses Potenzial, etwa für abgelegenere Gegenden. Ausserdem würde weniger gependelt, was auch für die Umwelt Vorteile bieten würde.

Trotz all dem: Werber Baumann freut sich, bald wieder ins Büro gehen zu können: «Ich vermisse im Homeoffice den Arbeitsweg», sagt er. «Die Zeit im Tram oder auf dem Velo hilft mir, den Tag mental vorzubereiten, oder am Abend abzuschalten.»

Auch wenn nach dem Ende der ausserordentlichen Lage nicht mehr gefühlt die ganze Schweiz zu Hause arbeiten wird, ist klar: Homeoffice hat sich mit der Krise definitiv etabliert.

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