Corona-Massnahmen: Die meisten Eltern akzeptieren Masken und Tests an Schulen

Nur sehr wenige Eltern sind offenbar dagegen, dass ihre schulpflichtigen Kinder mit Masken und Tests geschützt werden.

Es sind harsche Worte, die ein Vater kürzlich einem Berner Schulleiter schrieb: «Sollten gegen mein ausdrückliches Verbot eine medizinische Massnahme oder ein Test an meinem Kind durchgeführt werden, informiere ich sie hiermit, dass ich rechtliche Schritte – gegebenenfalls bezüglich Körperverletzung und Nötigung – einleiten werde.»

Musterbriefe im Umlauf

Der Vater sandte das Schreiben als Vorlage an weitere Eltern. Bildungs-Departemente verschiedener Kantone bestätigen, dass Musterbriefe gegen Corona-Tests oder das Maskentragen in Schulen im Umlauf sind. Andere Briefe seien selber formuliert und zeugten von juristischem Wissen. Das Bundesgericht muss sich bereits mit einer Beschwerde aus dem Kanton Bern gegen das Maskentragen von Schulkindern befassen.

Petition im Kanton Zürich

Im Kanton Zürich sind rund 30 Rekurse gegen die Verfügung zum Maskentragen ab der 4. Klasse hängig. Rund 6000 Personen haben eine Bittschrift gegen die Maskenpflicht für Kinder unter 12 Jahren unterschrieben. Myriam Ziegler, Leiterin des Zürcher Volksschulamtes, spricht von einer «grösseren Welle», ausgelöst durch die Maskenpflicht ab der 4. Klasse.

Widerstand gegen Tests in Zug

Widerstand bildet sich auch gegen die Tests. Zum Beispiel in Zug. Es ist der erste Kanton, der seine Oberstufenschülerinnen und -schüler regelmässig und zweimal pro Woche testen lässt, um so auch positive Personen ohne Symptome zu isolieren. Auch hier muss die Justiz nach einer Beschwerde prüfen, ob die Zuger Regierung richtig gehandelt hat. Immerhin werde es so Leitplanken für künftige Fälle geben, sagt Bildungsdirektor Stephan Schleiss. Viele Eltern seien aber inzwischen beruhigt, so Schleiss. Zum Beispiel, dass die Kinder nicht einem unangenehmen Nasen-Rachenabstrich ausgesetzt würden: «Wenn man klarmachte, dass es Spucktests sind und die Individualprobe auf dem Zahnfleisch entnommen wird, war das Problem meist gelöst.» Andere Eltern haben laut Schleiss ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Behörden. Einige befürchteten, der Massentest sei der Anfang vor einem Impf-Obligatorium. Zum Test werde niemand gezwungen. Allerdings erhielten Ungetestete keine Lockerungen bei einer allfälligen Quarantäne. Die meisten Eltern hätten sich von der Massnahme überzeugen lassen, so der Zuger Bildungsdirektor: 7500 Personen seien betroffen. Nur 88 hätten eine Verzichtserklärung eingereicht. Damit machten fast 99 Prozent der betroffenen Leute mit. Der Kanton Bern plant ebenfalls Pilotprojekte für solche Massentests. Bis jetzt werden nur dann alle getestet, wenn es in einer Klasse einen Ausbruch mit einer mutierten Covid-Variante gibt. Im Berner Schulhaus, an welches der Brief des Vaters adressiert war, war dies in zwei Klassen der Fall.

Fall Bern: Auch viele Angehörige liessen sich testen

Der Brief des betreffenden Vaters, der die Proteste ankurbeln wollte, habe keine Resonanz erhalten, erzählt Schulleiter Peter Kämpfen: «Wir haben zwei Meldungen von Eltern bekommen – bei 360 Schülerinnen und Schülern. Das ist verschwindend wenig.»Einige Familienangehörige von betroffenen Kindern hätten zudem das Angebot genutzt und sich gleich selber testen lassen: «Wir rechneten bei unseren Kindern mit 250 Testungen. Inklusive der Familienmitglieder und des Umfelds wurden es dann 560 Testungen.»

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am Andrea Jaggi erschienen am 22.03.2021

Häusliche Gewalt während Corona-Pandemie: Wachsamkeit weiterhin nötig

Die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) stellt für das Jahr 2020 keine signifikante Erhö-hung bei Gewaltstraftaten im häuslichen Bereich fest. Es gibt aber in verschiedenen Landesteilen Hinweise auf vermehrte Konflikte innerhalb der Familie. Für die «Task Force Häusliche Gewalt und Corona» steht fest: Es braucht weiterhin eine erhöhte Wachsamkeit. Betroffene sind auch in den nächsten Monaten auf Hilfsangebote ange-wiesen und die Öffentlichkeit muss weiter für das Thema sensibilisiert werden.

Laut der PKS gibt es 2020 bei den Gewaltstraftaten im häuslichen Bereich keine signifikante Änderung zum Trend der Vorjahre. Allerdings erfasst die PKS nur einen bestimmten Teil der häuslichen Gewalt in der Schweiz, nämlich Straftaten im häuslichen Bereich, welche gemeldet und polizeilich registriert werden. Aus einer früheren Studie im Auftrag des Bundesamts für Justiz ist bekannt, dass nur rund 20 Prozent der Fälle häuslicher Gewalt überhaupt der Polizei gemeldet werden.

Die «Task Force Häusliche Gewalt und Corona» von Bund und Kantonen nimmt seit Frühling 2020 regelmässig Lagebeurteilungen anhand der Informationen der Einsatzbehörden, der kantonalen Opferhilfestellen und der Schutzunterkünfte vor. Gemäss der aktuellen Beurteilung gibt es Hinweise dafür, dass Familienkonflikte und leichtere Formen häuslicher Gewalt, die nicht zu einer Anzeige führen, zugenommen haben. So stellen die Opferberatungsstellen in gewissen Kantonen eine Tendenz zur Zunahme von Neumeldungen fest; Frauenhäuser sind weitgehend ausgelastet und müssen Hilfesuchende teils an Unterkünfte in anderen Kantonen vermitteln; und mehrere Kantone, in denen die Zahl der Polizeieinsätze (auch ohne Strafverfahren) erhoben wird, beobachten temporär einen Zuwachs an Interventionen.  

Die Corona-Pandemie verstärkt Risikofaktoren, die häusliche Gewalt begünstigen. Zu nennen sind hier insbesondere wirtschaftliche Not und Suchtprobleme, die potenziell zu Stresssituationen innerhalb des Haushalts führen. Stresssituationen, die durch die eingeschränkte Mobilität und Massnahmen wie Homeoffice zusätzlich verschärft werden können. Diese Ausgangslage erfordert auch in den nächsten Monaten eine intensive Beobachtung vonseiten der Behörden. Gewaltbetroffene selbst, ihre Angehörigen oder Nachbarinnen und Nachbarn müssen wissen, wo sie Hilfe erhalten: Sei dies in Form von Beratung bei der Opferhilfe oder bei der Polizei unter der Notrufnummer 117.

Um diese Hilfsangebote bekannter zu machen, gab es im vergangenen Jahr verschiedene kantonale Kampagnen. Auf nationaler Ebene führte die Task Force eine Plakataktion in 13 Sprachen sowie zwei Social-Media-Kampagnen zur nationalen Website www.opferhilfe-schweiz.ch durch. Mit Letzteren konnten 2,3 Millionen Personen erreicht werden, davon 600'000 Jugendliche. Eine Wiederaufnahme dieser Kampagne wird geprüft.

Die Task Force beobachtet die Situation in Bezug auf häusliche Gewalt weiterhin aufmerksam. Sie begrüsst die Überlegungen der SODK, eine zentrale Telefonnummer für Opfer von Gewalt einzuführen, ebenso wie die Initiativen gewisser Kantone (etwa Genf, St. Gallen, Waadt, Wallis oder Zürich) eine ähnliche kantonale Task Force zu häuslicher Gewalt und Corona einzusetzen.

Adressen bei Gewalt
Beratung und Hilfe für Opfer von Gewalt: www.opferhilfe-schweiz.ch
Beratung und Hilfe für gewaltausübende Personen: www.fvgs.ch/Fachstellen.html
Polizeiliche Notfallnummer: Tel. 117

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Arbeiten wir bald alle nur noch vier Tage die Woche?

Spanien testet die 4-Tage-Woche auf nationaler Ebene. Auch in der Schweiz könnte das Modell funktionieren. Dafür braucht es aber klare Rahmenbedingungen. Die verkürzte Arbeitswoche birgt aber auch Gefahren. Spanien unterstützt 200 Unternehmen darin, eine 4-Tage-Woche umzusetzen. In der Schweiz wäre das auch möglich, sagt SP-Nationalrätin Barbara Gysi. Der Arbeitgeberverband spricht sich dagegen aus, die Kosten müssten die Steuerzahler tragen.

Vier Tage pro Woche arbeiten und gleich viel verdienen: Das wird in Spanien zur Realität. Die Regierung hat einem Antrag der linken Partei Más País zugestimmt. Demnach sollen etwa 200 Unternehmen finanziell dabei unterstützt werden, die Arbeitszeit ihrer Angestellten auf 32 Wochenstunden zu reduzieren. Das Pilotprojekt soll frühestens im Oktober starten und drei Jahre dauern. Ziel ist es, die Produktivität zu steigern. Spanien könnte damit weltweiter Vorreiter beim Thema der 4-Tage-Woche werden. Auch in der Schweiz könnte eine verkürzte Arbeitswoche funktionieren, sagt SP-Nationalrätin Barbara Gysi.

«Das würde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern», so Gysi. Mitarbeitende, die Teilzeit arbeiten, seien zudem effizienter und motivierter, das wirke sich positiv auf das Unternehmen aus. Finanziert könnte das Ganze beispielsweise über Transaktionssteuern werden. «Oder Firmen mit hoher Wertschöpfung unterstützen schwächere Unternehmen», so Gysi.

4-Tage-Woche hilft gegen Arbeitslosigkeit

Eine 4-Tage-Woche könnte auch gegen die Arbeitslosigkeit helfen, sagt Arbeitspsychologin Nicola Jacobshagen: «Um eine verkürzte Arbeitswoche zu ermöglichen, müssten Betriebe, die rund um die Uhr funktionieren müssen, mehr Personal einstellen.» Finanzielle Unterstützung durch den Staat ist dabei essentiell. Denn es sei wichtig, dass Arbeitnehmer in vier Tagen nicht gleich viel leisten müssen wie sonst in fünf Tagen. «Ansonsten könnten die Mitarbeiter schnell ausbrennen und arbeitsunfähig werden.»

Führungskräfte müssen richtig geschult sein

Die Corona-Krise habe gezeigt, dass alte Arbeitsstrukturen durchbrochen werden können. Damit eine 4-Tage-Woche funktioniert, brauche es aber die richtigen Rahmenbedingungen. «Es muss klar kommuniziert werden, was von den Mitarbeitenden gefordert wird», so Jacobshagen. Dafür müssten auch die Führungskräfte richtig geschult werden. Noch fehlen aber die Langzeitstudien zu diesem Thema. Das Projekt in Spanien könnte erste Daten liefern. «Um zu wissen, ob eine 32-Stunden-Woche auch hierzulande funktioniert, müssten wir aber unsere eigenen Pilotprojekte starten», sagt Jacobshagen.

Steuerzahler müssten Kosten tragen

Weniger arbeiten für den gleichen Lohn, das funktioniert laut Valentin Vogt, Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, nicht: «Das geht finanziell nicht auf – die zusätzlichen Kosten müssten dann letztlich entweder die Kunden oder die Steuerzahler tragen.» Zudem könne eine verkürzte Arbeitswoche nicht in jeder Branche eingeführt werden: Im Verkauf oder bei der Polizei herrschen andere Arbeitsbedingungen. «Bei den Berufen mit vorgegebener Präsenzzeit würde es 20 Prozent mehr Personal brauchen, eine Utopie in Zeiten des Fachkräftemangels und auch nicht finanzierbar» so Vogt.

Arbeitnehmende durch Maschinen ersetzen

Nur weil die Produktivität der Arbeiter steige, wachse die Wertschöpfung der Firma insgesamt nicht zwingend, gab die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich im Rahmen der Berichterstattung über die 4-Tage-Woche bei Microsoft in Japan zu bedenken. Denn je mehr Stunden ein Unternehmen produzieren kann, desto mehr Ertrag entsteht. Das heisst: Schlussendlich zählt die Anzahl Arbeitsstunden. Um Kosten zu senken, könnten Firmen dann Arbeitskräfte mit Maschinen ersetzen oder neue Standorte im Ausland aufbauen.

Weiterlesen - ein Beitrag von Barbara Scherer erschienen am 18.03.2021 auf www.20min.ch

Meinung: Das neue Unterhaltsrecht ist zu kurz gedacht

Heiraten ist für Frauen keine lebenslange Absicherung mehr – Unterhaltszahlungen bis zur Pensionierung bei einer Trennung oder Scheidung sind passé, sagt das Bundesgericht. Was es jetzt braucht, ist endlich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Mit einer Serie von Urteilen zum neuen Unterhaltsrecht hat das Bundesgericht entschieden, dass gleichberechtigte, egalitäre Lebensmodelle von Familien gestärkt werden. Je eher beide Elternteile während der Ehe für die Betreuung der Kinder und den Unterhalt der Familie aufkommen, desto einfacher gestaltet sich also eine Trennung oder Scheidung. In diesem Sinne sind die Urteile zu begrüssen. Aus der Sicht von Männern, die bis anhin ihre Ex-Frauen zum Teil bis ans Lebensende finanziell unterstützen mussten, ist diese Umkehr der Praxis eine Erleichterung. Sie werden nicht mehr automatisch in die Rolle des Zahlvaters und Alleinernährers gedrängt. Es bedingt jedoch auch, dass sie während der Ehe zumindest teilweise die Verantwortung für die Betreuung der Kinder getragen haben.

Berechtigte Ängste

Für Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Familienarbeit aufgegeben oder reduziert haben, erwecken diese Urteile jedoch nicht ganz unberechtigte Ängste. So gut es ist, die finanzielle Unabhängigkeit der Frauen zu fordern und zu fördern und ihnen auch mit 45 Jahren zuzutrauen, wieder einen Job zu finden, so ergeben sich daraus doch einige Fallstricke.

Denn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in diesem Land ist nach wie vor ein Trauerspiel. Frauen werden in dem Moment, in dem sie zur Mutter werden, mit zahlreichen rechtlichen Ungleichbehandlungen, Hürden und gesellschaftlichen Erwartungen konfrontiert – die für Väter nicht gleichermassen gelten. Beispielsweise zementiert eine fehlende gleichberechtigte Elternzeit die traditionelle Rollenverteilung nach der Geburt eines Kindes (2 Wochen Vaterschaftsurlaub hin oder her) – und diskriminiert die Frauen auf dem Arbeitsmarkt, weil ihr Risiko auszufallen dadurch ungleich grösser ist.

«Einmal mehr obliegt es nun den Frauen, sich für Vereinbarkeit einzusetzen»

Beim Wiedereinstieg tragen Mütter, da es sich eben über Monate eingespielt hat, auf einmal zusätzlich zum Job noch die Verantwortung für Haushalt und Kind zu haben – eine Belastung, die zusammen mit durchwachten Nächten, Krankheitsfällen und Still- und Hormonrallye die Frauen an ihre Grenzen bringt. Überdies entscheidet nur bei den Frauen das Engagement zuhause über ihre Qualitäten als Mütter – Väter sind da vogelfreier und jedes Engagement wird als Leistung bewertet.

Die Konsequenz davon ist, dass viele Frauen irgendwann, nachdem sie Mütter werden, ihre Erwerbstätigkeit massgeblich reduzieren oder spätestens mit dem zweiten Kind ganz aufgeben – und die Paare endgültig in eine traditionelle Rollenverteilung rutschen. Zumal der niedrigere Zweitverdienst übermässig besteuert wird und Ende Monat abzüglich der Kinderbetreuungskosten nicht mehr viel übrig bleibt. Wozu also der ganze Stress, sagen sich viele Mütter – und bleiben zuhause.

Drohkulisse für Väter

Bis anhin galt die bestehende Rechtspraxis des Unterhaltsrechts ein wenig wie eine Drohkulisse für Väter, die sich zuhause nicht engagierten oder die Frau nicht in ihrer Erwerbstätigkeit unterstützten und später einfach zahlen müssen. Jetzt fällt dieses Szenario weg – und es obliegt nach diesem Bundesgerichtsentscheid einmal mehr den Frauen und Müttern, sich für die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie einzusetzen.

Gibt es gemeinsame Kinder, wird bei einer Trennung oder Scheidung zudem spätestens ab dem Eintritt des jüngsten Kindes in die obligatorische Schulzeit (in vielen Kantonen ist das der Kindergarten mit 4 Jahren) eine Beschäftigung von 50 Prozent vorausgesetzt, die dem Unterhalt angerechnet wird. Die alte Regel, die einen Wiedereinstieg vorsah, wenn das jüngste Kind zehn Jahre alt war, hatte das Bundesgericht bereits 2018 in einem Entscheid aufgehoben.

Die Konsequenz aus der Rechtsprechung muss sein, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie endlich als gesamtwirtschaftliches, lösbares(!) Problem angesehen wird, das alle angeht – Frauen wie Männer. Es kann nicht sein, dass die fehlende Vereinbarkeit weiterhin auf den Schultern der Frauen ausgetragen wird.

Die Richter haben das Gesetz angewendet, wie es vor wenigen Jahren vom Parlament beschlossen wurde. Diese Entscheide waren zu erwarten, aber solang die Teilhabe am Arbeitsmarkt als Mutter erschwert ist, ja ein Zweiteinkommen sich für Verheiratete teilweise finanziell gar nicht lohnt, hat die zweite zivilrechtliche Kammer des Bundesgerichts (bestehend ausschliesslich aus bürgerlichen Männern) die Realität für einmal fast überholt. Ohne gleiche Chancen als Mutter am Arbeitsmarkt ist das neue Unterhaltsrecht zu kurz gedacht.

Was es braucht, ist endlich die Einführung der Individualbesteuerung, für deren Volksinitiative momentan Unterschriften gesammelt werden. Zudem braucht es eine gleichberechtigte Elternzeit, zahlbare, qualitativ hochwertige Betreuungsplätze, voll abziehbare Betreuungskosten, Tagesschulen, flexible Arbeitszeiten und -modelle auch für Väter sowie Lohngleichheit. Und das Bewusstsein aller, dass Frauen in dem Moment, in dem sie Mütter werden, nicht einfach aus dem Arbeitsleben gedrängt werden dürfen. Das sind gesamtgesellschaftliche Aufträge, denen sich die Politik, die Wirtschaft und alle jetzt annehmen müssen. Lippenbekenntnisse haben wir genug gehört. Es geht uns alle an.

«Liebe Männer, ihr seid jetzt auch in der Pflicht zuhause»

Das heisst, liebe Männer: Teilzeitarbeit, Haushalt und Kinderbetreuung sind ab sofort auch eure Ressorts. Bringt euch ein, fördert eure Frauen und unterstützt sie, wenn sie abends lange Sitzungen haben, steht nachts ebenfalls auf und bleibt zuhause, wenn die Kinder krank sind. Fordert von euren Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen die gleiche Flexibilität ein, wie die Frauen es tun. Ihr seid jetzt auch in der Pflicht zuhause. Und euch, liebe Frauen, möchte ich Mut machen: Bleibt erwerbstätig! Gebt eure finanzielle Selbständigkeit nicht leichtfertig auf. Handelt eure Bedingungen für ein egalitäres Modell aus – bevor ihr schwanger werdet. Und wenn ihr bereits Kinder habt und momentan zuhause Familienarbeit macht – geniesst es. Spätestens wenn das jüngste Kind im Kindergarten ist, wird es dann Zeit, sich um weitere Wirkungsfelder zu kümmern. Vielleicht findet ihr ja sogar ungeahnte neue Berufsfelder, in denen ihr neben und nach den Kindern eine Erfüllung findet.

Das wurde entschieden:

 
  1. Die 45er-Regel fällt weg: Neu wird auch Frauen über 45 Jahren der berufliche Wiedereinstieg zugetraut. Ansonsten wird ihnen ein fiktives Einkommen angerechnet, das vom Unterhalt abgezogen wird.
  2. Die «lebensprägende Ehe» wird neu definiert: Bis anhin bestand die Vermutung, dass eine Ehe lebensprägend war bei gemeinsamen Kindern oder bei mehr als zehn Ehejahren. Nun muss in jedem Fall individuell geprüft werden, welche Bedeutung die Ehe für die Verheirateten hatte. Und selbst wenn eine lebensprägende Ehe bejaht wird, führt diese nicht automatisch zu einem Anspruch auf nachehelichen Unterhalt. Die geschiedenen Eheleute sind angehalten, sich selber zu versorgen, und sind verpflichtet, sich wieder in die Arbeitswelt einzugliedern oder die Erwerbstätigkeit auszudehnen. Ein Unterhaltsbeitrag wird nur zugesprochen, soweit dieser nicht oder nicht vollständig selbst gedeckt werden kann. Eine Ausnahme gilt jedoch immer noch: Werden gemeinsame Kinder betreut, bemisst sich die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit nach dem Alter und den Bedürfnissen des Kindes nach dem bereits 2018 neu entschiedenen Schulstufenmodell, welches die 10/16er-Regel abgelöst hat.
  3. Es gibt neu eine einheitliche Berechnung des Unterhalts für alle Gerichte in der Schweiz: Sie heisst «zweistufige Methode mit Überschussberechnung» und ermittelt sich wie folgt:
    – Feststellung des gemeinsamen Gesamteinkommens
    – Sowie der Bedarf der betroffenen Familienmitglieder
    – Übersteigen die Mittel das familienrechtliche Existenzminimum, wird der Überschuss nach Ermessen verteilt
    – Sind zu wenige Mittel verfügbar, wird zuerst der Bedarf der minderjährigen Kinder gedeckt
    – Erst danach sind die vormaligen Ehe- oder Konkubinatspartner an der Reihe
 Weiterlesen - ein Beitrag von Nadine Jürgensen erschienen am 18.03.2021 im annabelle

Videokonferenz ist anstrengender als normale Sitzung

Das Coronavirus hat das Arbeitsleben verändert. Viele Sitzungen finden nun digital statt. Das ermüdet. Ein Kommunikationsprofessor erklärt, weshalb das so ist. Sitzungen via Zoom, Skype oder Teams sind anstrengender als «normale» Meetings. In einer Studie der Universität Stanford wurde die sogenannte Zoom-Fatigue erforscht. Der Experte gibt Tipps, was man dagegen tun kann.

Das Coronavirus sorgt dafür, dass im Berufsleben jeder unnötige Kontakt vermieden werden sollte. Videokonferenz um Videokonferenz ist die Folge – vor allem für jene, die sonst viel Zeit in Sitzungen verbringen. Meetings via Zoom, Skype oder Teams verschlingen jedoch viel mehr Energie als eine gewöhnliche Sitzung mit physischer Präsenz. Das hält der Kommunikationswissenschaftler Jeremy Bailenson in einer aktuellen Studie der Universität Stanford fest. Er hat das Phänomen der «Zoom-Fatigue» untersucht und vier Hauptursachen dafür gefunden.

Immer in Augenkontakt

Ein Grund für die Anstrengung ist gemäss Studie der intensive Augenkontakt, den eine Videokonferenz mit sich bringt. In einem normalen Meeting schaut man öfter woanders hin oder macht sich kurz Notizen. «Aber bei Zoom-Anrufen schaut jeder jeden die ganze Zeit an», heisst es im Artikel der Stanford-Uni. Ein anderer Stressfaktor sind die Gesichter, die man je nach Bildschirm-Einstellung in Übergrösse sieht. Das passe nicht zur Distanz, die man sonst unter Arbeitskollegen einhalte, so Bailenson. Er empfiehlt deshalb, die Grösse des Fensters zu verändern, damit mehr virtuelle Distanz zu den Sitzungsteilnehmern entsteht.

Ständig das eigene Gesicht im Blick

Ein weiterer Effekt, den Videokonferenzen mit sich bringen: Ständig sieht man sich selber wie in einem Spiegel. Das sei anstrengend und unnatürlich, so der Kommunikationswissenschaftler. Man verfolge in der realen Welt ja auch nicht ständig jemanden mit einem Spiegel. Er rät deshalb dazu, die Selbstansicht auszuschalten.

Weiterlesen - ein Beitrag von Karin Aebischer erschienen am 17.03.2021 auf www.nau.ch

Der Homo Homeoffice: Produktiver, aber weniger teamfähig

Die Mitarbeitenden geben sich gute Noten für ihre Arbeit im Homeoffice. Nicht ganz so euphorisch sind die Chefs.

Lange Jahre weissagten Zukunftsforscher, dass die Digitalisierung unseren Arbeitsalltag fundamental verändern wird. Trotzdem drängten sich allmorgendlich die Autos auf der Autobahn und die Menschen in den Zügen, um quer durchs Land zum Arbeitsplatz zu fahren. Und auch das Kafi und Znüni waren fester Bestandteil des Nine-to-Five-Jobs – wie in den guten alten, analogen Zeiten. Durch Shutdowns und Homeoffice-Pflicht hat sich dies in Windeseile geändert: Seit einem Jahr gehört das Arbeiten von zuhause zum Alltag vieler Menschen in der Schweiz. Durch die Pandemie ist eine Art Versuchslabor in Sachen Homeoffice entstanden – auch für die Arbeitgeber, die nicht selten befürchteten, dass Homeoffice den Schlendrian befördern würde.

Meinungen im Management «polarisiert»

Eine neue Studie kommt nun zu anderen Schlüssen: Tatsächlich hat die Effizienz und Produktivität der «Heimarbeitenden» im letzten Jahr nicht gelitten. Durchgeführt wurde die Erhebung vom Personalberatungsunternehmen von Rundstedt. Laut Studienleiter Pascal Scheiwiller werden die neuen Freiheiten aus Sicht der Mitarbeitenden geschätzt. «Und sie glauben auch, dass Qualität und Effizienz im Homeoffice gestiegen sind.» Eine Sicht der Dinge, die tendenziell auch vom Management geteilt werde, sagt der Arbeitsmarkt-Experte. «Aber die Meinungen sind sehr polarisiert. Es gibt einen anderen Teil im Management, der findet, dass Qualität und Effizienz eher sanken.» Die verbreitete Skepsis in den Chefetagen begründet der Studienleiter damit, dass sich die Erwartungen an den Arbeitsalltag und die Angestellten über Jahrzehnte eingeschliffen haben. «Es braucht seine Zeit, bis man sich an den neuen Modus gewöhnt und auch die positiven Resultate erkennt.» Also alles eitel Sonnenschein im Homeoffice-Land Schweiz? Nur bedingt. Das isolierte Arbeiten behagt auf Dauer nicht allen. «Den Mitarbeitenden fehlt die Beziehungsebene», sagt Scheiwiller. Laut der Studie haben Teamwork und Zusammenhalt aus Sicht vieler Mitarbeitenden gelitten. So manch einem schlagen die fehlenden sozialen Kontakte aufs Gemüt. «Wir sehen, dass die Unzufriedenheit zunimmt. Am Anfang war das alles noch spannend», so der Arbeitsmarkt-Experte. «Und auch die Zoom-Apéros waren lustig. Aber irgendwann hat man die Nase voll und braucht den direkten Austausch, die physische Nähe.»

Die richtige Balance finden

Für Scheiwiller ist klar: Es braucht einen gesunden Mix. Eine Homeoffice-Pflicht, in der Mitarbeitende teils Wochen einsam vor sich hinarbeiten, sei kontraproduktiv: «Das wirkt sich negativ auf die Motivation und Beziehungsqualität im Unternehmen aus.» Die Verbundenheit zur Firma leidet also. Ein Jahr Corona hat die Arbeitswelt laut der Studie nachhaltig verändert. «Die meisten Unternehmen glauben, dass Homeoffice bleiben wird – sich aber in einem vernünftigen und sinnvollen Mittelmass einpendeln wird.» Diese Kombination von Heim- und Büroarbeit könne eine gesunde und produktive Balance herbeiführen, glaubt Scheiwiller.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 16.03.2021 auf www.srf.ch