35-Stunden-Woche für alle - Island schaltet auf die Vier-Tage-Woche um

Weniger lang arbeiten bei gleichem Lohn: Ein fleissiges kleines Inselvolk gönnt sich eine bessere Work-Life-Balance. Versuche bestätigten zuvor die gleichbleibende Produktivität ohne Überstunden.

Was nach Wunschdenken klingt, wird für viele Menschen in Island Realität. Nachdem die Vier-Tage-Woche mit 35 Stunden jahrelang getestet wurde, hat die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung nun das Recht auf fünf Stunden kürzere Arbeitszeiten – bei vollem Lohn. Island verspreche sich davon eine Win-Win-Entwicklung mit mehr Lebensqualität einerseits und höherer Produktivität andererseits, sagt SRF-Nordeuropa-Mitarbeiter Bruno Kaufmann: «Nach heutigem Stand haben nun 86 Prozent der Angestellten das Recht auf kürzere Arbeitszeiten im Vertrag.» Das neue System wurde während drei Jahren in einer Studie mit einem Prozent der Angestellten getestet und zeigte laut Kaufmann recht erstaunliche Resultate: Weniger Burnouts und zufriedenere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei gleichbleibenden oder sogar verbesserten Leistungen.

Angst vor sinkender Produktivität unbegründet

Dies wiederum schlug sich auch in der Zufriedenheit der Arbeitgeber nieder, die bei fehlenden fünf Stunden pro Woche eine verminderte Produktivität befürchtet hatten. Doch diese Angst erwies sich gemäss Studie unbegründet. Laut Kaufmann hängt das auch mit der Entwicklung von intelligenteren Arbeitsformen zusammen: Sitzungen und Pausen wurden zurückgefahren. Man setzte viel stärker auf digitale Hilfsmittel und konnte die Effizienz steigern: «Es gab Ausnahmen, doch diese bestätigten eher die Regel, dass das System insgesamt gut funktioniert.»

Überstunden – laut Studie kein Problem

Auch die Befürchtung einer massiven Zunahme der Überstunden gerade in Berufssparten mit festen Präsenzzeiten hat sich laut Kaufmann nicht bewahrheitet. Mit verschiedenen Formen von neuen Schichten und den erwähnten zusätzlichen digitalen Hilfsmitteln sei das vermieden worden. «Das ist jetzt wahrscheinlich auch der Grund, warum man sich auf diese Arbeitszeitverkürzung geeinigt hat.»

Island ist ein Ausnahmefall

Island mit seinen nur 200'000 Arbeitnehmenden sei sicher ein Ausnahmefall in den reichen OECD-Staaten, stellt Kaufmann fest. Die Veränderungen in der Arbeitswelt, wie sie viele Länder seit den 1950-Jahren erlebten, hätten in Island so nicht stattgefunden. So liege die isländische Jahresarbeitszeit immer noch bei ungefähr 2000 Stunden, während sie in Ländern wie der Schweiz auch wegen Teilzeitstellen in den letzten 70 Jahren massiv zurückgegangen sei. Auch der Beschäftigungsgrad ist in Island viel höher als anderswo: 87 Prozent der Isländerinnen und Isländer sind erwerbstätig, verglichen mit weniger als 70 Prozent in der Schweiz. «Das hängt sicher mit den regionalen Besonderheiten zusammen wie dem enormen Dienstleistungssektor und der Fischerei in Island», erklärt Kaufmann.

Bessere Work-Life-Balance

Ganz gratis dürfte die Reduktion der Arbeitszeit auch an Island nicht vorbeigehen. Aber anscheinend ist man überzeugt, dass der Gewinn die Kosten rechtfertigt. Isländerinnen und Isländer seien sich sehr harte Arbeit gewohnt und hätten die karge abgelegenen Vulkaninsel zu einem der wohlhabendsten Länder der Welt gemacht, so Kaufmann. Gleichzeitig seien sie zu einem sehr überarbeiteten Volk geworden. So habe kaum ein Isländer neben seiner Anstellung nicht noch eine eigene kleine Firma, um die soziale Sicherheit zu sichern. Nun sehe man in Erinnerung an die Finanzkrise vor zehn Jahren und angesichts der Coronakrise wohl ein, dass es neben der Arbeit noch andere Aspekte des Lebens gibt, so Kaufmann.

Vier-Tage-Woche – ein Modell für die Schweiz?

Weniger arbeiten für den gleichen Lohn funktioniere schlicht nicht, sagt Regine Sauter, FDP-Nationalrätin und Direktorin der Zürcher Handelskammer. Letztlich müsse die zusätzlichen Kosten jemand bezahlen, entweder Kundinnen und Kunden und im öffentlichen Bereich die Steuerzahlenden: «Frankreich kennt die 35-Stunden-Woche längst und sie funktioniert im Ergebnis nicht.» In Island seien offenbar vor allem die Bereiche der öffentlichen Verwaltung untersucht worden, so Sauter. Wenn Mitarbeitenden nun die gleiche Leistung in vier Tagen erbrächten, stelle sich die Frage, warum das nicht bereits vorher so war. Eine Vier-Tage-Woche bei fünf Tagen Lohn sieht Sauter nicht als Modell für die Schweiz. Die Schweiz sei eine hochproduktive Volkswirtschaft, und der Wohlstand sei auch der hohen Arbeitsproduktivität geschuldet. Laut einer UBS-Studie werde die Schweiz in rund zehn Jahren eine halbe Million Arbeitskräfte mehr benötigen, wegen der Pensionierung der Baby-Boomer, so Sauter.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 9. Juli 2021 auf www.srf.ch

Kitaplätze in der Schweiz: Nicht alle Kinder haben die gleichen Zugangschancen

Für die Entwicklung von Kindern ist die Betreuung in Kindertagesstätten sehr förderlich. Obwohl diese Tatsache bekannt ist, haben mehrere Studien signifikante Hindernisse beim Zugang zu diesen Betreuungseinrichtungen in der Schweiz aufgezeigt. Die Ursachen sind sozioökonomischer Natur und in geringerem Masse auf den Migrationsstatus zurückzuführen. Das Autorenteam des heute von der Eidgenössischen Kommission für Familienfragen (EKFF) veröffentlichten Kurzdossiers fordert einen Ausbau der Betreuungsplätze und eine deutliche Senkung der Kosten für die Eltern.

In der Schweiz haben Kinder aus benachteiligten Familien oder mit Migrationshintergrund geringere Chancen, vorschulisch betreut zu werden. Das sollte nicht sein, denn gerade diese Kinder profitieren am meisten von den Vorteilen der Betreuung in einer Kindertagesstätte sowohl für ihre Entwicklung als auch für ihren Schulerfolg. Die Autorin und der Autor des Policy Briefs empfehlen, die Ungleichheiten beim Zugang in der gesamten Schweiz zu beseitigen. Dazu bedarf es mehr Kinderbetreuungsplätze und niedrigere Tarife für die Eltern. Vor allem Familien mit tiefen bis mittleren Einkommen müssten günstigere Tarifen erhalten. Die Einführung klar vordefinierter Prioritätskriterien könnte ebenfalls dazu beitragen, Unterschiede beim Zugang zu Betreuungsplätzen zu verringern. 

Gesellschafts- und familienpolitische Fragen

Die EKFF ist eine ausserparlamentarische Kommission, die sich für familienfreundliche Rahmenbedingungen einsetzt. Als Fachkommission stellt die EKFF spezifisches Fachwissen im Bereich Familienpolitik bereit, auf welches Politik und Verwaltungsbehörden bei Bedarf zurückgreifen können.

Weiterlesen - ein Beitrag vom 5. Juli 2021 erschienen auf www.admin.ch

 

Ständeratskommission will Familien zusätzlich steuerlich entlasten

Wie der Nationalrat spricht sich auch die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S) für deutlich höhere Abzüge bei den Steuern für die familienexterne Kinderbetreuung aus. Sie möchte zusätzlich einen weiteren Abzug für Familien mit Kindern erhöhen.

Wie der Nationalrat spricht sich auch die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S) für deutlich höhere Abzüge bei den Steuern für die familienexterne Kinderbetreuung aus. Sie möchte zusätzlich einen weiteren Abzug für Familien mit Kindern erhöhen. Geht es nach dem Nationalrat, soll künftig der Steuerabzug für ein extern betreutes Kind von 10'100 auf 25'000 Franken angehoben werden. Ziel davon ist es, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Integration gut ausgebildeter Frauen in den Arbeitsmarkt weiter zu fördern.

Kommt allen zugute

Die WAK-S stimmt diesem Vorschlag zu. Zusätzlich beantragt sie ihrem Rat eine Erhöhung des Abzugs vom geschuldeten Steuerbetrag von 251 auf 300 Franken pro Kind - mit 10 zu 3 Stimmen, wie die Parlamentsdienste am Freitag mitteilten. Die Kommission argumentiert demnach, ein Abzug vom Steuerbetrag komme allen Familien zugute, unabhängig vom gewählten Familienmodell. Ausserdem würden Familien mit tieferen Einkommen durch einen Abzug vom Steuerbetrag verhältnismässig stärker entlastet als solche mit hohen Einkommen. Die zusätzlichen Mindereinnahmen infolge dieses höheren Abzugs belaufen sich laut der WAK-S auf rund 69 Millionen Franken. Diese Einbusse scheint der Kommission angesichts der guten Wirtschaftslage vertretbar. Eine Minderheit lehnt eine Erhöhung des Steuerabzugs gemäss Mitteilung ab, weil sie dieses Ansinnen im Rahmen des vorliegenden Entwurfs für sachfremd hält.

Auf Abzug wird verzichtet

Der Ständerat wird die Vorlage in der Herbstsession 2021 beraten. Dabei handelt es sich um den zweiten Anlauf. Im September 2020 hatte das Stimmvolk die Erhöhung der Kinderabzüge an der Urne mit rund 63 Prozent abgelehnt. Zum Verhängnis geworden war der Vorlage laut Beobachtern der allgemeine Abzug pro Kind, der von 6500 auf 10'000 Franken hätte erhöht werden sollen. Auf diesen Abzug soll nun verzichtet werden.

Weiterlesen - ein Beitrag von SDA erschienen am 2. Juli 2021 auf www.nau.ch

Keine abwechselnde Obhut - Kontakt zu den Kindern bleibt für einige Väter ein Wunschtraum

Verlassene Väter und entfremdete Kinder: Was im Fachjargon ganz nüchtern daherkommt, ist in der Realität eine Tragödie.

«Ich habe meine Kinder zuletzt im Frühling 2014 gesehen. Ich schreibe ihnen zu wichtigen Ereignissen in ihrem Leben. Die Situation heute ist die, dass ich jeden Monat meine Alimente an die Kindsmutter überweise, aber irgendein Zeichen von meinen Kindern habe ich seither nicht mehr gehabt.» Andreas Oppliger zieht eine bittere Bilanz seines siebenjährigen Kampfes um seine Kinder. Streit, Vermittlung, Hoffnung und Resignation – ein Wechselbad der Gefühle. Seine Tochter und sein Sohn wollen ihn nicht mehr sehen. Die Ex-Frau habe schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben; Vorwürfe, die er bestreitet und für die er nie verurteilt wurde. Die Anschuldigungen führten dazu, dass das Verhältnis zu seinen Kindern nachhaltig zerrüttet wurde. Er hadert auch mit dem Schweizer Rechtssystem: «Es toleriert heute, dass Kinder dem einen oder anderen Elternteil vorenthalten werden. Man tut es als Kavaliersdelikt ab und handelt nicht aktiv dagegen.»

Mütter am längeren Hebel

Etwa 13'000 entfremdete Kinder gebe es in der Schweiz, schätzt der Verband GeCoBi. Er vertritt vor allem Männer- und Väterorganisationen. Für den Präsidenten Oliver Hunziker sitzen die Mütter grundsätzlich am längeren Hebel: «Es trifft meistens die Väter, weil bei einer Trennung die Kinder meist bei der Mutter verbleiben oder ihr gerichtlich zugesprochen werden.» Doch eigentlich könnte heute alles anders sein. Das Bundesgericht hat in mehreren Urteilen die alternierende Obhut zur Regel erklärt. Getrennte oder geschiedene Eltern sollen Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit möglichst gleichmässig untereinander aufteilen. Sie dürfen sich aber nicht streiten.

Mehr Zeit für Betreuung

Das könnten Mütter ausnützen, weil sie wüssten, dass meist sie die Kinder bekämen, so Hunziker: «Wenn Konflikte geschürt werden, kann dies dazu führen, dass ein Gericht die alternierende Obhut verweigert. Dies, obwohl die Person, die den Konflikt schürt, jene ist, die in den Genuss der Obhut kommt.» Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) vermittelt bei Trennungsproblemen von unverheirateten Eltern. Dass Kinder abwechselnd bei Mutter und Vater leben, hat sich in der Schweiz noch nicht durchgesetzt, stellt auch sie fest. Ein Grund dafür sei das Verhalten der Väter vor der Trennung. Es sei der gleiche Grund, weswegen Kinder eher der Mutter zugesprochen würden, sagt Michael Allgäuer, Präsident der Kesb Zürich. «In Beziehungen ist es immer noch so, dass viele Väter leider nur einen kleinen Teil bei der Betreuung übernehmen. Wenn sie dann bei der Trennung einen viel grösseren Teil übernehmen wollen, ist das nicht so leicht machbar.»

Streit ums Geld

Dies, weil es schnell einmal ums Geld gehe. Der Vater möchte mehr für die Kinder da sein, dafür aber weniger arbeiten. Das störe die Mutter, wenn sie hauptsächlich die Kinder betreute und nun wieder in den Beruf einsteigen müsse. Hier begännen die Konflikte. Väter könnten das verhindern, wenn sie sich schon vor der Trennung in der Kinderbetreuung engagieren würden. So habe ein Vater grosse Chancen, im Leben seiner Kinder weiterhin eine grosse Rolle zu spielen, auch wenn die Mutter das verhindern wolle, so Allgäuer. Auch Andreas Oppliger würde heute vieles anders machen. Er hofft weiterhin auf ein Wiedersehen mit seinen Kindern. «Ich trage sie im Herzen, ich trage sie auf Bildern mit mir herum, ich habe sie in sehr schöner Erinnerung. Ich wünsche ihnen alles Gute, und meine Türe steht offen.»

Weiterlesen - ein Beitrag von Ruth Wittwer erschienen am 27. Juni 2021 auf www.srf.ch

Das musst du zum Bezug deines Vaterschaftsurlaubs wissen

Seit dem 1. Januar 2021 können – als Pendant zum Mutterschaftsurlaub – neu auch Väter Urlaubstage beziehen. Auf ein paar Dinge sollte man hierbei achten.

Dank der Volksabstimmung im September 2020 ist es seit Anfang dieses Jahres möglich, als frischgebackener Vater einen zweiwöchigen Urlaub zu beziehen. Das Parlament hat den Vaterschaftsurlaub auf das Maximum von zwei Wochen festgesetzt (anstatt wie ursprünglich gefordert von vier Wochen). Genau wie der Mutterschaftsurlaub wird der Vaterschaftsurlaub über die Erwerbsersatzordnung finanziert – also überwiegend mit den Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Folgende Dinge solltest du wissen:

• Anrecht auf eine Entschädigung hast du, wenn du zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes erwerbstätig warst – ob als Arbeitnehmender oder selbständig Erwerbender.

• In den neun Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes musst du ausserdem auch AHV-versichert und während dieser Zeit mindestens fünf Monate erwerbstätig gewesen sein.

• Anspruch auf den Vaterschaftsurlaub besteht ausserdem nur, wenn du zum Zeitpunkt der Geburt der rechtliche Vater des Kindes bist oder dies innerhalb der darauffolgenden Monate wirst.

• Wie beim Mutterschaftsurlaub beträgt die Entschädigung 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens vor der Geburt des Kindes, höchstens jedoch 196 Franken am Tag.

• Die zwei Wochen kannst du entweder am Stück oder in einzelnen Tagen beziehen. Wie beim Mutterschaftsurlaub wird auch hier das Wochenende mitentschädigt.

• Nach Ablauf der sechsmonatigen Rahmenfrist oder nach Ausschöpfung der zwei Ferienwochen à 14 Taggelder endet dein Anspruch auf Vaterschaftsurlaub.

So schützt du dich vor Missbrauch:

• Deinem Arbeitgeber ist es verboten, beim Bezug deines Vaterschaftsurlaubs im Gegenzug die Ferien zu kürzen.

• Sollte dir gekündigt werden, wird die Kündigungsfrist um die nicht bezogenen Urlaubstage verlängert – dies natürlich nur, wenn du noch Anspruch auf die Vaterschaftstage hast.

So beziehst du deine 14 Taggelder:

• Für nicht-selbständig Erwerbende erfolgt die Auszahlung über den Arbeitgeber.

• Falls du selbständig, arbeitsunfähig oder arbeitslos bist, kannst du bei der zuständigen Ausgleichskasse ein Gesuch um Vaterschaftsentschädigung einreichen. Zuständig ist die Ausgleichskasse, die als letzte für dich AHV-, IV- oder EO-Beträge auf ein massgebendes Einkommen in Rechnung gestellt hat.

Weiterlesen- ein Beitrag von Dominic Benz erschienen am 26. Juni 2021

Eltern verstärken Medienerziehung während der Pandemie

Familien haben im Frühling 2020 mehr Zeit online verbracht und ihre digitalen Kompetenzen verbessert. Einige Kinder und Jugendliche begegneten häufiger Falschmeldungen oder Hassreden und Eltern intensivierten ihre Medienerziehung, wie eine ZHAW-Studie zeigt.

Der Covid19-bedingte Lockdown im Frühling 2020 hat den Alltag vieler Familien in der Schweiz auf den Kopf gestellt. Die neue Situation veränderte auch das Medienverhalten. Die Familien verbrachten deutlich mehr Zeit mit digitalen Medien und im Internet als in der Zeit vor dem Lockdown. Besonders intensiviert hat sich dabei die Kommunikation über digitale Medien. Dies zeigt eine aktuelle Studie der ZHAW-Fachgruppe Medienpsychologie mit finanzieller Unterstützung des Bundesamtes für Sozialversicherungen. Die Forschenden untersuchten als Teil des internationalen Projekts «Kids' Digital lives in Covid-19 Times» die Veränderungen des Medienalltags von 10- bis 18-jährigen Kindern, Jugendlichen und deren Eltern während des pandemiebedingten Lockdowns im Frühling 2020.

Soziale Kontakte online pflegen

Mehr als die Hälfte der befragten Kinder und Jugendlichen nutzte Smartphones, Computer oder Laptops und Messenger-Apps häufiger als vor dem Lockdown. «Wir gehen davon aus, dass die Kinder und Jugendlichen digitale Medien vermehrt für die Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten einsetzten, aber auch stärker als Zeitvertreib und zur Unterhaltung», sagt Lilian Suter, Mitautorin der Studie. «Zudem wurden digitale Geräte auch vermehrt für schulische Zwecke genutzt.»


Für viele Kinder und Jugendliche war es herausfordernd, ihre Mediennutzung massvoll zu gestalten. 41 Prozent hatten häufiger oder viel häufiger als vor dem Lockdown das Gefühl, zu viel Zeit mit digitalen Medien zu verbringen. Nur etwas mehr als ein Viertel gab an, dass dieses Gefühl ungefähr gleich häufig wie zuvor auftrat.


Auch Eltern nutzten digitale Medien stärker

Die befragten Eltern berichteten ebenfalls von einer Zunahme ihrer Online-Tätigkeiten während des Lockdowns. Über die Hälfte der Eltern gab an, online häufiger nach Informations-Webseiten oder Nachrichten gesucht sowie mehr Online-Shopping genutzt zu haben. 49 Prozent arbeiteten zudem häufiger oder viel häufiger als vorher von zuhause aus. Die Väter berichteten dabei von einem deutlicheren Zuwachs an Homeoffice als die Mütter. Dies vermutlich, weil Mütter entweder aufgrund der Kinderbetreuung weniger berufstätig sind, eher in einem Teilzeitpensum arbeiten oder aus organisatorischen Gründen bereits vorher häufiger von zu Hause aus tätig waren.

Viele Eltern erkannten während des Lockdowns auch die Vorteile der digitalen Mediennutzung. 84 Prozent der Eltern fanden digitale Medien bei der Informationsbeschaffung wie beispielsweise dem Zugang zu Nachrichten nützlich, 77 Prozent für die Aufrechterhaltung ihrer sozialen Kontakte. Rund drei Viertel der Eltern empfanden digitale Medien zudem für ihre Freizeitbeschäftigung oder ihre Arbeit hilfreich. Die Hälfte der Eltern gab an, dass sie während des Lockdowns als Familie neue digitale Tools entdeckt hätten. 45 Prozent nutzten digitale Medien in der Familie zudem kreativer als vor dem Lockdown.

Digitale Kompetenzen gesteigert

Im Zeitraum des Lockdowns wurde in den Haushalten die Ausstattung mit digitalen Geräten teilweise erhöht, zum Beispiel durch eigene Käufe oder das Ausleihen von Geräten vom Arbeitgeber oder der Schule. Rund ein Viertel der Eltern gab an, dass während des Lockdowns in der Familie mindestens ein neues Smartphone angeschafft wurde. Der verstärkte Einsatz von digitalen Medien im Alltag sorgte dafür, dass digitale Kompetenzen zunahmen. 69 Prozent der Eltern verbesserten sich im Umgang mit Videokonferenzen. Aber auch in anderen Bereichen wie der Suche nach Gesundheitsinformationen, beim Wissen über Privatsphäre-Einstellungen in sozialen Netzwerken und beim Teilen privater Informationen gaben über 40 Prozent der Eltern an, sich verbessert zu haben.

Die Kinder und Jugendlichen verbesserten sich ebenfalls am häufigsten im Umgang mit Videokonferenzen (73 Prozent). Über die Hälfte verbesserte zudem ihr Wissen darüber, welche Informationen sie online teilen sollten und welche nicht sowie über Änderung der Privatsphäre-Einstellungen in sozialen Netzwerken. Und 45 Prozent der Kinder und Jugenlichen legten mehr Wert auf die Überprüfung der Richtigkeit von Informationen aus dem Internet.

Vermehrt Fake News und Hate Speech ausgesetzt

Zwei Fünftel der Eltern machten sich Sorgen darüber, dass ihre Kinder bestimmten Online-Risiken verstärkt ausgesetzt sein könnten. Die vorherrschenden Themen waren dabei «Fake News», Cybermobbing und eine zu intensive Mediennutzung. Auf Seiten der Kinder und Jugendlichen nahmen 31 Prozent einen Zuwachs an Falschmeldungen wahr und rund ein Viertel stiess während des Lockdowns vermehrt auf Hassreden. Von Erfahrungen mit Cybermobbing, Missbrauch von persönlichen Daten oder Kontakt mit unangebrachten Inhalten berichteten 10 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen. Ein Drittel hat häufiger als zuvor erfolglos versucht, weniger Zeit im Internet zu verbringen. Bei diesen Ergebnissen ist anzumerken, dass die Kinder und Jugendlichen während des Lockdowns nicht nur freiwillig mehr Zeit mit digitalen Geräten verbrachten, sondern der schulische Fernunterricht es oft nötig machte, mehr Zeit vor einem Bildschirm zu verbringen.

Eltern verstärken Medienerziehung

Als Reaktion auf die verstärkte Mediennutzung und den veränderten Familienalltag intensivierten viele Eltern ihre Medienerziehungsmassnahmen. 44 Prozent der Eltern interessierten sich häufiger als vor dem Lockdown dafür, was ihr Kind online macht. Über ein Drittel der Eltern erklärte dem Kind häufiger als vorher, warum manche Internetseiten unangemessen sind. Und ein Drittel der Eltern verstärkte die Kontrolle der digitalen Aktivitäten des Kindes und kontrollierte zum Beispiel den Browserverlauf. «Da Kinder und Eltern vermehrt Zeit zuhause verbrachten, gab es auch mehr Raum für medienerzieherische Massnahmen», sagt ZHAW-Forscher Gregor Waller, der die Studie zusammen mit seinem Team durchführte.
Durch den verstärkten Einsatz von digitalen Medien in den Familien mussten beispielsweise Medienerziehungsmassnahmen neu ausgehandelt und an die Situation angepasst werden. Väter haben sich im Vergleich zu Müttern bei einzelnen Aspekten der Medienerziehung stärker eingebracht als zuvor. Dies hängt wohl damit zusammen, dass einige Väter durch Homeoffice näher bei ihren Kindern waren als vorher und so ihre Medienerziehung intensivieren konnten. «Wir hoffen, dass möglichst viele Eltern ihr verstärkes Engagement für medienerzieherische Massnahmen auch nach der Lockdown-Periode weiterführen konnten» sagt Martina Robbiani, Projektleiterin der Plattform Jugend und Medien des Bundesamtes für Sozialversicherungen. «Ihre aktive Begleitung ist wichtig, damit ihre Kinder digitale Medien sicher und verantwortungsvoll nutzen können».

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 24.06.2021 auf www.jugendundmedien.ch