Bundesrat gegen Kündigungsschutz für frischgebackene Väter

Eine von SP-, Grünen-, Mitte- und FDP-Nationalrätinnen und -Nationalräten unterstützte Motion verlangt, dass frischgebackene Väter in gleicher Weise vor einer Kündigung geschützt sind, wie dies für Frauen im Mutterschaftsurlaub gilt. Der Bundesrat ist dagegen.

Er verweist in seiner am Donnerstag publizierten Antwort auf die Diskussionen im Rahmen des Vaterschaftsurlaubs. Damals sei explizit festgehalten worden, dass der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag des Vaters, der Anspruch auf einen Vaterschaftsurlaub hat, auflösen könne. «Der Gesetzgeber hat somit bewusst darauf verzichtet, einen Kündigungsschutz vorzusehen, der demjenigen für die Mutter nach der Niederkunft entspricht.»

Für den Bundesrat besteht nach eigenen Angaben «kein Anlass, diesen klaren Willen des Gesetzgebers bereits wieder infrage zu stellen, nachdem der Vaterschaftsurlaub erst seit ein paar Monaten in Kraft ist».

Anders sieht es die Motionärin. Die Tessiner Grünen-Nationalrätin Greta Gysin begründet ihren Vorstoss damit, dass einige Väter aus Angst vor Konsequenzen wie einer Kündigung zögerten, den Vaterschaftsurlaub zu beziehen. Manche Arbeitnehmer würden unter Druck gesetzt, damit sie auf ihren Vaterschaftsurlaub verzichten. Die Schweiz wäre laut Gysin nicht der erste Staat, der einen Kündigungsschutz für frischgebackene Väter einführen würde: In Frankreich zum Beispiel sieht das Arbeitsrecht einen Kündigungsschutz für Väter vor. (aeg/sda)

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 02.09.2021 auf www.watson.ch

Breite politische Allianz für die «Ehe für alle»

Vertreterinnen und Vertreter aller sechs Parlamentsfraktionen wollen der Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zum Durchbruch verhelfen. Mit der vom Parlament verabschiedeten Vorlage «Ehe für alle» sollen gleichgeschlechtliche Paare künftig zivil heiraten dürfen. Ein Komitee mit Vertreterinnen und Vertretern der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) und der SVP hat das Referendum ergriffen. Über die Vorlage entscheidet das Stimmvolk am 26. September.

Heute können zwei Frauen oder zwei Männer in der Schweiz nicht heiraten. Sie haben lediglich die Möglichkeit, eine eingetragene Partnerschaft einzugehen. Pro Jahr tun dies etwa 700 Paare. Diese eingetragene Partnerschaft wurde in den vergangenen Jahren in einzelnen Punkten rechtlich der Ehe angenähert. Es bestehen aber weiterhin grosse Unterschiede. Mit der vom Parlament verabschiedeten Vorlage «Ehe für alle» sollen gleichgeschlechtliche Paare künftig zivil heiraten dürfen. Sie würden anderen Ehepaaren damit institutionell, aber auch rechtlich gleichgestellt. Das gilt etwa für die erleichterte Einbürgerung eines ausländischen Ehegatten, einer ausländischen Ehegattin.

Diskriminierung beseitigen

Homosexuelle Paare sollen zudem gemeinsam ein Kind adoptieren können. Ausserdem erhalten verheiratete Frauenpaare Zugang zur gesetzlich geregelten Samenspende. Eingetragene Partnerschaften sollen künftig weitergeführt oder in eine Ehe umgewandelt, jedoch nicht mehr neu eingegangen werden können. Die Niederlande ermöglichte gleichgeschlechtlichen Paaren 2001 als erstes Land die Schliessung einer Ehe. In zahlreichen anderen europäischen Ländern können gleichgeschlechtliche Paare heiraten, etwa in den Benelux-Staaten, in Deutschland, Frankreich, Österreich, Portugal, Spanien, Irland, Island und in allen skandinavischen Ländern sowie im Vereinigten Königreich.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 19.08.2021 auf www.srf.ch

Wegen neuen Papi-Ferien Mutterschaftsurlaub gekürzt

Seit Anfang Jahr gilt ein Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen. Eine Kantonalbank kürzt im Gegenzug den Mutterschaftsurlaub um zwei Wochen – und begründet dies mit der «Gleichbehandlung». Eine enttäuschte Mitarbeiterin packt aus.

Diese Nachricht aus der Personalabteilung hat es in sich: Der Mutterschaftsurlaub wird gekürzt. Von 16 auf 14 Wochen – das gesetzliche Minimum. Betroffen sind die 330 Mitarbeitenden der Schaffhauser Kantonalbank, knapp die Hälfte davon sind Frauen. «Ich dachte, ich spinne, als ich die Mitteilung gelesen habe», sagt Nicole W.* zu Blick. Sie arbeitet seit Jahren bei der Schaffhauser Kantonalbank und möchte aus Angst vor Konsequenzen ihres Arbeitgebers anonym bleiben.

«Die wollen uns für dumm verkaufen»

Die Bank begründet die Kürzung in einem internen E-Mail, das Blick vorliegt, so: «Der Gesetzgeber hat neu einen Vaterschaftsurlaub vorgesehen. Daher ist es im Sinne der Gleichbehandlung richtig, die Dauer des Mutterschaftsurlaubes auf 14 Wochen anzupassen.» Oder anders formuliert: Die Männer kriegen nur das gesetzliche Minimum, zwei Wochen. Also reduziert man auch bei den Frauen aufs Minimum. Ein Hohn, findet die langjährige Mitarbeiterin: «Die wollen uns doch für dumm verkaufen! Gleichbehandlung? Es geht doch nur ums Sparen!» Tatsächlich profitierte die Bank tendenziell von der Einführung des gesetzlichen Vaterschaftsurlaubes. Seit Anfang des Jahres wird dieser nämlich über die Erwerbsersatzordnung und damit mehrheitlich aus der Staatskasse finanziert. Zuvor bezahlte die Bank den Vaterschaftsurlaub freiwillig und aus der eigenen Tasche. Unter dem Strich kommt die Schaffhauser Kantonalbank neu also günstiger weg.

«Absolut nicht branchenüblich»

Mit der Kürzung des Mutterschaftsurlaubes spart die Bank nun noch mehr Geld. Stossend erscheint das insbesondere angesichts der jüngsten Zahlen: Die Kantonalbank erwirtschaftete 2020 einen Gewinn von 46 Millionen Franken – der dritthöchste in der Firmengeschichte. Die enttäuschte Mitarbeiterin Nicole W. erhält bei ihrer Kritik Rückendeckung vom Schweizerischen Bankpersonalverband (SBPV). «Die Kürzung des Mutterschaftsurlaubes ist absolut nicht branchenüblich», wundert sich SBPV-Co-Geschäftsführerin Anne-Wienke Palm (41). «Mich überrascht vor allem, dass das ausgerechnet bei einer Kantonalbank passiert. Die stehen normalerweise für familienfreundliche Arbeitsbedingungen.» Besonders paradox: Die Schaffhauser Kantonalbank präsentiert sich in ihrem Geschäftsbericht als Pionierin in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie schreibt über sich selber etwa, sie sei «modern und fair». Geleitet wird die Bank im Übrigen von einem reinen Männergremium. In der sechsköpfigen Geschäftsleitung sitzt keine einzige Frau.

Teilzeit für Mütter entscheidender

Blick konfrontiert die Schaffhauser Kantonalbank mit den Vorwürfen. Die Bank verteidigt sich: Der Mutterschaftsurlaub könne nicht isoliert betrachtet werden. «Für Arbeitnehmende ist das Gesamtpaket entscheidend. Dieses setzt sich aus vielen Aspekten wie Arbeitsinhalt, flexiblen Arbeitszeitmodellen, Unternehmenskultur, Arbeitsplatzsicherheit, Sozialleistungen etc. zusammen. Bei der Mutterschaft respektive Vaterschaft sind der Umgang mit speziellen Wünschen bezüglich Weiterbeschäftigung, Möglichkeiten für eine längere Dauer des Urlaubs, Teilzeitmöglichkeiten etc. viel entscheidender für die Attraktivität des Arbeitgebers», heisst es in einem schriftlichen Statement. Und weiter: «Wir brauchen den Quervergleich mit anderen Arbeitgebern nicht zu scheuen.» Das sieht Gewerkschafterin Anne-Wienke Palm anders. «In anderen Banken geht die Tendenz hin zu sechs oder gar zwölf Monaten Mutterschaftsurlaub.» Die 14 Wochen bei der SHKB – das entspricht gut drei Monaten – wirken dagegen geradezu mickrig. Immerhin: Die SHKB bezahlt frischgebackenen Müttern den vollen Lohn aus. Gesetzlich vorgeschrieben wären lediglich 80 Prozent. Allerdings gilt auch diese Regel nur für Mütter mit einer bestimmten Anzahl Dienstjahren. Neuzugänge bleiben auf der Strecke.

Kein Mitspracherecht für Mitarbeiterinnen

Dass die Bank den Mutterschaftsurlaub überhaupt kürzen kann, liegt daran, dass er nicht im Arbeitsvertrag geregelt ist, sondern im Personalreglement. Auch dieses darf der Arbeitgeber allerdings nicht beliebig anpassen, erklärt Gewerkschafterin Palm: «Er muss das Okay der Arbeitnehmenden einholen. Die Mitarbeitenden müssen die Möglichkeit haben, Änderungen auch abzulehnen.» Die Schaffhauser Kantonalbank schreibt dazu: «Die Überlegungen wurden mit der Personalkommission besprochen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begründet kommuniziert.» Gerade bei kleineren Banken ein übliches Vorgehen, bestätigt Palm. Nicht überall sind die Personalkommissionen aber gleich stark aufgestellt, von einer tatsächlichen Mitsprache kann nicht immer die Rede sein. Palm kündigt daher an: «Ob das Vorgehen juristisch korrekt war, können wir derzeit nicht abschliessend beurteilen. Wir werden diesbezüglich auf jeden Fall das Gespräch mit den Mitarbeitenden der Bank suchen.»  Bleibt die Frage, ob die Mitarbeitenden der Schaffhauser Kantonalbank die Änderung anstandslos hinnehmen. Die Bank selber schreibt, sie habe vonseiten der Mitarbeitenden keine negativen Reaktionen erhalten. Wahrscheinlicher ist, dass viele stumm die Faust im Sack machen. Wie Nicole W. «Es überrascht mich schon gar nicht mehr ... Es bringt auch nichts, dagegen anzukämpfen. Man kann es nur hinnehmen.»

*Name von der Redaktion geändert

Weiterlesen - ein Beitrag von Levin Stamm erschienen am 16.08.2021 auf www.blick.ch

Ehe für alle: Fragen und Antworten im weltweiten Kontext

Weltweit können homosexuelle Paare in 28 Ländern heiraten. Diese und weitere Antworten auf Fragen zur «Ehe für alle» im Überblick. Die Niederlande erlaubte 2001 als erste Land die gleichgeschlechtliche Ehe. Seither wurde die «Ehe für alle» in dutzenden weiteren Ländern angenommen. Hierzulande sind für homosexuelle Paare nur eingetragene Partnerschaften möglich.

Heute können zwei Frauen oder zwei Männer in der Schweiz nicht heiraten. Sie haben lediglich die Möglichkeit, eine eingetragene Partnerschaft einzugehen. Pro Jahr tun dies etwa 700 Paare. Diese eingetragene Partnerschaft wurde in den vergangenen Jahren in einzelnen Punkten rechtlich der Ehe angenähert. Es bestehen aber weiterhin grosse Unterschiede. Gleichgeschlechtliche Paare sollen zivil heiraten dürfen. Sie würden anderen Ehepaaren damit institutionell, aber auch rechtlich gleichgestellt. Das gilt etwa für die erleichterte Einbürgerung eines ausländischen Ehegatten, einer ausländischen Ehegattin.

Adoption für homosexuelle Paare ermöglichen

Homosexuelle Paare sollen zudem gemeinsam ein Kind adoptieren können. Ausserdem erhalten verheiratete Frauenpaare Zugang zur gesetzlich geregelten Samenspende. Eingetragene Partnerschaften sollen künftig weitergeführt oder in eine Ehe umgewandelt, jedoch nicht mehr neu eingegangen werden können. Der europäische Teil der Niederlande ermöglichte gleichgeschlechtlichen Paaren 2001 als erstes Land die Schliessung einer Ehe. In zahlreichen anderen europäischen Ländern können gleichgeschlechtliche Paare heiraten: etwa in den Benelux-Staaten, Deutschland, Frankreich, Österreich, Portugal, Spanien, Irland, Island, allen skandinavischen Ländern sowie im Vereinigten Königreich.

Irland nahm «Ehe für alle» klar an

In 22 von 28 Ländern, die die Homo-Ehe kennen, wurde diese per Parlamentsbeschluss eingeführt. In sechs Ländern waren es die nationalen Gerichte, welche den Weg frei machten. Eine Volksabstimmung zur «Ehe für alle» gab es 2015 in Irland (62,1 Prozent Ja). In Australien führte die Regierung Ende 2017 eine landesweite freiwillige Befragung per Post durch (62 Prozent Ja). In Rumänien und Slowenien erreichte die gleichgeschlechtliche Ehe in Abstimmungen bisher nicht die erforderliche Mehrheit.

Weiterlesen - ein Beitrag von SDA erschienen am 15.08.2021 auf www.nau.ch

Jetzt drohen Homeoffice-Angestellten Lohnkürzungen

Homeoffice-Angestellte bei Google bekommen weniger Lohn. Auch in der Schweiz ist das ein Thema: Wer viel zuhause arbeitet, muss eher auf Lohnerhöhungen und Prämien verzichten. Google-Mitarbeitende in den USA erhalten im Homeoffice weniger Lohn. Auch in der Schweiz wird das Homeoffice in Lohnverhandlungen wichtig. Wer ins Büro zurückkehrt, kann eher mit Lohnerhöhungen und Prämien rechnen.

Ausschlafen und kein Arbeitsweg, dafür weniger Geld: Wer bei Google dauerhaft im Homeoffice arbeiten will, muss in den USA mit Lohnkürzungen rechnen. Das Gehalt unterscheidet sich von Stadt zu Stadt und Bundesstaat zu Bundesstaat, wie aus einem firmeninternen Lohnrechner hervorgeht.

Die Lohneinbussen bewegen sich zwischen fünf und 25 Prozent, wie die «Handelszeitung» schreibt. Mit dem Lohnrechner sollen Mitarbeitende sehen, wie sich ein Umzug auf ihr Gehalt auswirkt, erklärt ein Google-Sprecher auf Anfrage. Weltweit richte Google die Löhne nach dem Standort. Ob es Lohnunterschiede aufgrund von Homeoffice innerhalb der Schweiz gebe, sei aber noch unklar.

Dabei ist Google nicht die erste Firma, die Angestellten im Homeoffice das Gehalt kürzt: Bei Facebook und Twitter erhalten US-Mitarbeitende, die in günstigere Wohngegenden umgezogen sind, weniger Geld. Die Online-Plattform Reddit und das Immobilien-Portal Zillow haben ebenfalls ortsabhängige Lohnmodelle eingeführt.

Lohnerhöhung gibt es eher im Büro

Auch in der Schweiz wird das Thema Homeoffice vermehrt in Lohnverhandlungen aufgeworfen, wie Avenir-Suisse-Arbeitsmarktexperte Marco Salvi gegenüber 20 Minuten bestätigt. Denn mehr Flexibilität habe für Arbeitnehmende einen Wert «und sie sind bereit, etwas dafür zu zahlen.»

Dabei werden aber nicht die bestehenden Löhne gekürzt. Vielmehr nutzen Firmen positive Anreize: «Wer vor Ort arbeitet, wird langfristig eher mit einer Prämie oder einer Lohnerhöhung rechnen», sagt Salvi. So können Arbeitgeber Druck auf die Arbeitnehmenden ausüben, wieder ins Büro zu kommen.

Es gehe den Arbeitgebern dabei meist nicht um die Kontrolle, sondern um die Kommunikation. Diese funktioniere vor Ort meist besser, was einen positiven Einfluss auf die Firma habe. Und: «Unternehmen haben viel Geld in zentrale Standorte investiert und wollen nicht, dass die Büros jetzt halb leer stehen, weil die Mehrheit der Angestellten zuhause arbeitet», erklärt Salvi.

Denn auch in der Schweiz gibt es ortsabhängige Lohnmodelle: Firmen in Städten zahlen meist bessere Gehälter, weil die Produktivität der Mitarbeitenden dort höher ist als in ländlichen Gebieten. Wer weiterhin auf dem Land lebt und in der Stadt arbeitet, hat tiefere Lebenskosten. «Den Preis zahlt man dann in Form des Pendelns», so Salvi.

Schlussendlich sei es eine Verhandlungsfrage. So seien viele Angestellte bereit fürs Homeoffice bis zu zehn Prozent ihres Lohnes aufzugeben, wie neuste Untersuchungen zeigten, sagt Salvi. Diese Zahlungsbereitschaft sei bei Frauen höher. Doch: «Wer sehr viel zuhause arbeiten möchte, läuft aber Gefahr, karrieretechnisch langsamer voranzukommen.»

Weiterlesen - ein Beitrag von Barbara Scherer erschienen am 13.08.2021

Angepasste Scheidungsregeln: Im Moment herrscht bei Scheidungen «Wilder Westen»

Das Bundesgericht hat an neuen Regeln bei Scheidungen festgehalten. Viele Details sind noch unklar. Eine Anwältin und eine Richterin erzählen, wie es zurzeit läuft.

Die Arbeit von Stefanie Althaus und Andrea Waldner unterscheidet sich ziemlich. Stefanie Althaus ist Anwältin in der Stadt Zürich und betreut vor allem Scheidungen, in welchen viel Geld zu verteilen ist. Waldner ist Richterin am Bezirksgericht Hinwil, einem kleinen Gericht im Kanton Zürich, in einer eher ländlichen Gegend. Wer sich bei ihr scheiden lässt, hat meist nicht viel Geld. Beide müssen sie aber damit umgehen, dass das Bundesgericht beschlossen hat, dass nach einer Scheidung die Ex-Partner möglichst schnell für sich selbst sorgen sollen. Auch wer zum Beispiel beruflich jahrelang zurückgesteckt und die Kinderbetreuung übernommen hat, soll nach einer Scheidung schnell wieder selbst Geld verdienen. Diese groben Regeln hat das Bundesgericht in seinen Urteilen zwar festgehalten, viele Details sind aber noch unklar.

Im Berufsalltag bedeutet dies für Anwältin Althaus, dass sie ihren Klientinnen kaum mehr voraussagen kann, ob sie nach einer Scheidung Geld vom Ex-Mann erhalten werden. Und falls ja, wie viel und wie lange. Das ist eine schwierige Situation für die Klientinnen. «Sie kommen zu uns, weil sie wissen wollen, was sie für Ansprüche und Rechte haben. Sie wollen wissen, wie es ist – und nicht, wie es sein könnte.» Genau solche klaren Antworten könne sie zurzeit aber nicht geben, sagt Althaus. Das sei auch für sie selbst schwierig: «Wir können den Leuten das, was sie bei uns am meisten suchen, nämlich Sicherheit, nicht geben. Das ist unbefriedigend und dieser Teil der Arbeit macht keinen Spass.»

Unklare Situation für Klientinnen

Auch Richterin Waldner kennt diese Situation. Bei einer Scheidung fällt das Gericht nicht einfach ein Urteil. In den meisten Fällen versucht es, eine Einigung zu erzielen. Dies wird aber umso schwieriger, wenn man als Richterin gar nicht weiss, ob die Einigung, die man vorschlägt, juristisch wasserdicht ist. «Man muss offenlegen, dass es auch anders aussehen kann, dass dies die persönliche Meinung ist und Einzelfall-gerecht erscheint. Die einen interessiert es nicht, weil sie einfach wissen wollen, was unter dem Strich übrigbleibt. Andere möchten es gerne im Detail wissen.» Da erkläre sie dann noch genauer, wer ihrer Meinung nach warum wie viel Unterhalt bezahlen müsse. Nur: die Unsicherheit, was wirklich gilt, ist im Moment gross.

Stefanie Althaus beschreibt es so: «Im Moment herrscht ein bisschen Wilder Westen, niemand weiss, wie man es macht. Auch die Gerichte wissen es nicht.» Als Richterin könne sie mit der Situation aber einfacher umgehen, hat Andrea Waldner in den letzten Monaten bemerkt. «Da ist die Unsicherheit bei den Parteien oder bei der Anwaltschaft noch etwas grösser als bei der Richterschaft.» Die momentane Situation sei für die Gerichte wahrscheinlich auch einfacher, sagt Waldner. «Vielleicht haben wir aufseiten des Gerichts auch den Vorteil, dass wir einen Entscheid fällen müssen, also mutig sein müssen. Vielleicht wird der Entscheid dann weitergezogen, um wieder Klarheit in Fällen oder Teilbereichen zu schaffen.» Bis diese Klarheit in Scheidungsfragen wieder da ist, bis die vielen offenen Fragen geklärt sind, dürfte es aber dauern, schätzt Anwältin Althaus. «Wahrscheinlich dauert es mehrere Jahre, bis wir wieder ein System haben, bei dem wir sagen können: wenn so – dann so. Durch die vielen Fälle, die man begleitet hat, hatte man eine Art Kompass. Und diesen Kompass müssen wir nun neu justieren», sagt Althaus.

Weiterlesen - ein Beitrag von Nicole Marti erschienen am 13.08.2021 auf www.srf.ch