Repräsentative Befragung zeigt: Jeder zweite Jugendliche fühlt sich nicht gut

Die Schweizer Bevölkerung ist zunehmend psychisch belastet. Experten schlagen Alarm und fordern, dass der Bund das Thema endlich ernst nimmt.

Der Schweizer Jugend geht es schlecht. Zu diesem Schluss kommt eine repräsentative Befragung der «Wie geht's Dir?»-Kampagne, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut GFS Bern. Die Resultate liegen Blick exklusiv vor – und sie sind deutlich: 56 Prozent der unter 25-Jährigen fühlt sich psychisch stark oder sehr stark belastet. Die Befragung wurde auf Blick.ch durchgeführt. 3748 Personen nahmen teil. Doch nicht nur Junge sind betroffen: 40 Prozent aller Befragten gaben an, sich in den letzten vier Wochen öfter nervös, niedergeschlagen oder entmutigt gefühlt zu haben. Roger Staub (65), Geschäftsleiter der Stiftung Pro Mente Sana, die Teil der Trägerschaft der «Wie geht's Dir?»-Kampagne ist, sagt: «Wir bekommen hier den wissenschaftlichen Beweis für etwas, vor dem wir schon lange warnen.» Gerade Junge hätten besonders unter den Folgen und den sozialen Einschränkungen der Pandemie gelitten. Nun kämen der Krieg in der Ukraine – und drohende Mangellagen bei der Energieversorgung hinzu. «Das trifft diese Generation, die sich Krisen nicht gewohnt ist, mit voller Wucht», so Staub. Auch andere kürzlich erschienene Studien und Umfragen unterstreichen die These. Der SonntagsBlick hatte eine Studie veröffentlicht, gemäss der sich 39 Prozent der Befragten erschöpft, 30 Prozent gestresst und 38 Prozent besorgt fühlen. Auch hier speziell stark betroffen: 18- bis 24-Jährige.

«Da müssen die Alarmglocken schrillen»

Für Roger Staub ist klar: Die Politik muss reagieren: «Bern darf nicht weiter wegschauen, wenn es um die psychische Gesundheit der Bevölkerung geht.» Der psychologische Mechanismus sei bekannt, so Staub. Es fange mit Wohlbefindensstörungen an. Diese führten zu Stress. Stress verursache Krankheiten. «Wer hohe Folgekosten durch Arbeitsunfähigkeit verhindern will, bei dem müssen die Alarmglocken schrillen, wenn 40 Prozent der Bevölkerung sagen, ihnen gehe es nicht gut.» Doch auch die Gesellschaft sei in der Pflicht: «Wir müssen offener über psychische Gesundheit reden und aufhören, Menschen als Schwächlinge hinzustellen, weil sie unter psychischen Belastungen leiden.» Das fange bei der Sprache an: «Das Wort ‹Psycho› gehört aus dem Vokabular gestrichen.»

Die Kampagne von wie-gehts-dir.ch bietet neben der «Wie geht’s dir?»-App ab September 2022 einen auf wissenschaftlicher Grundlage basierenden Selbst-Check für psychische Gesundheit an. Anhand von fünf Fragen kann man seinen Stresslevel checken und bekommt Tipps, wie man seine psychische Gesundheit bewahrt.

Weiterlesen - ein Beitrag vom 31.08.2022 erschienen auf www.blick.ch

 

Mütter in der Teilzeitfalle – jetzt sollen Eltern mehr Geld für die Kita bekommen

Eine Frau verdient nach der Geburt ihres ersten Kindes langfristig deutlich weniger. Die Wirtschaft und linke Politiker wollen das ändern. Kritik kommt von rechts. Die meisten Mütter arbeiten nach der Geburt des ersten Kindes nur noch Teilzeit oder gar nicht. Deshalb verdienen sie im Schnitt 68 Prozent weniger als vor der Mutterschaft. Nun wollen Politik und Wirtschaft das Rollenbild verändern.

Nach der Geburt des Kindes verdienen Mütter deutlich weniger. Längerfristig sinds im Schnitt 68 Prozent weniger als vor der Geburt, wie eine internationale Studie zeigt. In anderen Ländern ist der Einkommensverlust deutlich kleiner, in Dänemark lediglich 21 Prozent (siehe Tweet). In skandinavischen Ländern kehrten Mütter nach der Babypause oft wieder auf ihre Vollzeitstelle zurück, in der Schweiz sei das eher die Ausnahme, sagt Studienmitautor Josef Zweimüller von der Universität Zürich. «Der überwiegende Teil der Mütter reduziert das Arbeitspensum und befindet sich auch zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes noch in einer Teilzeitstelle.» 

Dadurch seien die Karrierechancen kleiner. In Teilzeit sei es schwieriger, im Betrieb aufzusteigen und so einen höheren Lohn zu bekommen. «Das summiert sich zu substanziellen Einkommenseinbussen von Müttern im Vergleich zu Vätern», so Zweimüller. Er erklärt den hohen Teilzeitanteil der Mütter mit den «sehr konservativen Geschlechternormen» in der Schweiz. Laut Umfrage sagen 91 Prozent der Bevölkerung, dass ein Kind darunter leidet, wenn die Mutter Vollzeit arbeitet. Für bessere Karrierechancen der Mütter brauche es neue Geschlechterrollen. «Es müssten nicht nur die Mütter, sondern auch die Väter gleichermassen das Arbeitspensum reduzieren, sobald Kinder da sind», so Zweimüller. Förderlich wäre laut Zweimüller auch ein längerer Vaterschaftsurlaub. Auch Arbeitgeber müssten Eltern entgegenkommen, etwa mit flexiblen Arbeitszeiten, individuellem Elternurlaub und Betreuungsangeboten.

Alliance F, der Bund Schweizerischer Frauenvereine, fordert schon lange Massnahmen, wie Co-Präsidentin und GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy zu 20 Minuten sagt. «Es braucht die Möglichkeit, dass Väter gleich lange Elternzeit beziehen können wie Mütter, zum Beispiel je 16 oder 18 Wochen.» In Island gebe es das schon lange und man habe gute Erfahrungen damit gemacht. Die Mütter arbeiteten dann rascher und in höheren Pensen in ihren Berufen weiter, während die Väter auch langfristig mehr Betreuungsaufgaben übernähmen. Auch bei den Betreuungsangeboten lohne sich eine gezieltere Unterstützung. «Die Schweiz hat mit die höchsten Elternbeiträge weltweit bei der Kinderbetreuung. Wenn der Staat hier mehr finanziert, zahlt sich das für die ganze Volkswirtschaft aus», so Bertschy (siehe Box). Die SP lancierte dazu auch die Kita-Initiative, die gute und bezahlbare Kitas garantieren soll.

Auch der Arbeitgeberverband nennt finanziell unattraktive Drittbetreuungsangebote als wesentlichen Grund für die geringe Beschäftigungsquote von Müttern, wie Chefökonom Simon Wey sagt. Die Wirtschaft wolle dieses ungenutzte Potenzial der Frauen im Arbeitsmarkt nutzen. Dafür befinde sich eine Initiative in der Vernehmlassung im Parlament, die vorsieht, dass die Beiträge der Eltern für die Kita sinken. 

 

«Betreuung in der Familie ist wichtiger»

Von einem verlängerten Vaterschaftsurlaub hält SVP-Nationalrat Manuel Strupler nichts. «Ich wurde erst kürzlich zum zweiten Mal glücklicher Vater, naturgemäss ist es aber so, dass Kinder gerade am Anfang vor allem auf die Mutter angewiesen sind.» Ausserdem würde sich der Fachkräftemangel noch verstärken, wenn Väter zusätzlich länger in der Babypause wären, so Strupler. Bei Kita-Plätzen ist Strupler gegen mehr bezahlte Leistungen vom Staat mit Steuergeldern. Eher solle die Familie wieder gestärkt werden. Es brauche deshalb nicht immer mehr Steuergelder und dadurch höhere Steuern. «Dann wären wir wie in den skandinavischen Ländern gezwungen, dass wegen der Steuern beide Eltern arbeiten müssen», so Strupler. «Ich will niemandem die Krippe verbieten, aber für mich persönlich ist die Betreuung in der Familie wichtiger. Deshalb soll jedes Paar selber wählen können, wie es dies organisiert, aber im Normalfall mehrheitlich auch selbst finanziell dafür aufkommen», so Strupler. So sei es schliesslich auch bei denjenigen, bei denen ein Elternteil zu Hause bleibe und die wertvolle Arbeit der Kinderbetreuung übernehme.

Weiterlesen - ein Beitrag von Fabian Pöschl erschienen am 29.08.2022 auf www.20min.ch

Sinkende Geburtenzahlen: 2022 war bisher kein «guter Jahrgang» bei den Babys

Die Stadt Zürich meldete vor wenigen Tagen einen rekordmässigen Einbruch bei den Geburtenzahlen. Wie sieht es anderswo aus? Ein Blick auf die Regionen und Kantone.

«Nicht im üblichen Rahmen», so bezeichnete es das Statistikamt der Stadt Zürich diese Woche: die Anzahl neuer Babys, die im ersten Halbjahr 2022 geboren wurden. Hohe 20 Prozent weniger Geburten als in der Vorjahresperiode. Auch wenn man die entsprechenden Zahlen des gesamten Kantons betrachtet, so beträgt das Minus mit knapp 19 Prozent nicht viel weniger. Zunächst aber zur gesamten Schweiz: Über alle Kantone gesehen ist die Anzahl Lebendgeburten im Vergleich mit der Vorjahresperiode um sagenhafte 17.5 Prozent gesunken. Vergleicht man die ersten sechs Monate dieses Jahres mit jenen im Jahr vor der Pandemie, so ergibt sich ebenfalls ein Minus (rund 11 Prozent).

Zwei Ausnahmen in der Deutschschweiz

Ein Blick auf die Zahlen in den anderen Kantonen zeigt: Zürich ist nicht allein. Mit zwei Ausnahmen ist die Zahl neuer Babys seit den letzten 18 Monaten überall gesunken. Das Bundesamt für Statistik BFS schreibt auf Anfrage von SRF News: «Unter Vorbehalt des provisorischen Charakters der Zahlen kann man festhalten, dass sich ein geburtenschwaches erstes Halbjahr 2022 für alle Kantone der Schweiz abzeichnet.» Uri schlägt mit einem Minus von fast 22.5 Prozent Zürich in Sachen Negativwert – wobei sich bei kleinen Zahlen die Veränderungen prozentual natürlich stärker auswirken. Dasselbe gilt für Schwyz (Abnahme um 19.5 Prozent).  Auffallend in der Innerschweiz ist allerdings folgende Beobachtung: In Obwalden gab es bis Ende Juni dieses Jahr gleich viele Neugeborene wie im ersten Halbjahr 2021. In Nidwalden sind die Geburtenzahlen im gleichen Zeitraum sogar höher als im Vorjahr: um rund 14 Prozent. Am meisten Rückgang wird jedoch für Basel-Stadt vermeldet: Gut 28 Prozent weniger «Buschis» – das ist der Schweizer Spitzenwert. Im grössten Westschweizer Kanton – der Waadt – betrug der Rückgang «nur» knappe 13 Prozent. Ungefähr gleich hoch war er im Wallis (-12.12 Prozent). Auffällig tief liegt die prozentuale Veränderung in Genf (-6.8 Prozent), auffällig hoch im Jura mit über 22 Prozent. Im Südkanton ist die Differenz zwischen den beiden ersten Halbjahren 2021 und 2022 eher gering: knapp 6.5 Prozent.

Kein Mutmassen über die Gründe – und ein Einwand

Warum aber sind die Zahlen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres mancherorts so viel tiefer als ein Jahr zuvor? Das BFS weist darauf hin, dass 2021 ein besonders geburtenstarkes Jahr war. «Nach Perioden aussergewöhnlich hoher Zahlen sind häufig Rückgänge zu beobachten.» Darüber hinaus kann und will sich das BFS nicht zu Gründen für die Entwicklung äussern. Es gelte das zweite Halbjahr und die definitiven Zahlen abzuwarten, um Analysen zum Jahr 2022 anzustellen. Und auch dies gilt: Aus den Zahlen des ersten können keine Schlüsse für das zweite Halbjahr gezogen werden. «Die provisorischen monatlichen Geburtenzahlen 2022 zeigen, dass Mai und Juni weniger deutlicher unter dem Niveau der Vorjahre lagen, als die ersten Monate des Jahres», schreibt das BFS und erklärt, dass die Entwicklung der bekannten Saisonalität der Geburten folgt. Sprich: Der jedes Jahr zu beobachtende Höchststand in den Sommermonaten wird laut BFS mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten. Es ist also durchaus noch möglich, dass auch 2022 ein «gutes Babyjahr» wird – an Zahlen noch etwas ändern lässt sich allerdings zu diesem Zeitpunkt nichts mehr. Die 2022er-Kinder sind alle schon unterwegs.

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Ein Grossteil der Väter bezieht Vaterschaftsurlaub

Bei rund 70 Prozent der Geburten werden Vaterschaftsgelder entrichtet, wie eine erste Auswertung des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) zeigt. Weil die Väter ein halbes Jahr ab der Geburt ihres Kindes Zeit haben, um den Urlaub zu beziehen, liegen die Daten später vor als beim Mutterschaftsurlaub.Es stehen erstmals statistisch verlässliche Angaben zum Vaterschaftsurlaub zur Verfügung. Bei den Geburten des ersten Quartals 2021 werden in rund 70 Prozent der Fälle Vaterschaftsgelder bezogen. Weil Väter den Urlaub bis zu einem halben Jahr aufschieben können, erscheinen die Zahlen später in der Statistik als beim Mutterschaftsurlaub.

Seit Anfang 2021 haben erwerbstätige Väter in der Schweiz Anrecht auf zwei Wochen bezahlten Urlaub. Die 10 Urlaubstage werden als 14 Taggelder ausbezahlt. Wie beim Mutterschaftsurlaub beträgt die Entschädigung 80 Prozent des Erwerbseinkommens vor der Geburt, höchstens aber 196 Franken pro Tag. Finanziert wird der Urlaub über die Erwerbsersatzordnung (EO). Der Vaterschaftsurlaub muss innerhalb eines halben Jahres ab der Geburt des Kindes bezogen werden, wobei die Urlaubstage auch einzeln bezogen werden können.

Nach rund eineinhalb Jahren Erfahrung mit dem Vaterschaftsurlaub stellt sich die Frage: Wie viele Väter beanspruchen die Gelder?

Verschiedene Medien berichteten diesen Frühling, dass nicht einmal die Hälfte der Väter Vaterschaftsurlaub beziehen würde. Sie behaupteten dies aufgrund der Anzahl im Jahr 2021 ausbezahlter Vaterschaftsentschädigungen im Verhältnis zur Anzahl Geburten im selben Jahr. Das ist methodisch aber nicht haltbar.

Quote von 70 Prozent

Statistisch sinnvoll ist es, sich auf die Geburten von Januar bis März 2021 (erstes Quartal) zu beschränken und die Daten der Auszahlungen bis Ende Mai 2022 zu berücksichtigen: So ist der zeitliche Abstand zwischen Geburt und Auszahlung aus heutiger Sicht genügend gross, um erste zuverlässige Aussagen machen zu können. Denn zwischen der Geburt eines Kindes und der Auszahlung der Gelder können mehrere Monate verstreichen. Im ersten Quartal 2021 gab es in der Schweiz 21 516 Lebendgeburten. Mehrlingsgeburten wurden dabei nur einmal gezählt, da diese lediglich einen Leistungsanspruch auslösen. Bis Ende Juni 2021 wurden für 36 Prozent der Geburten des ersten Quartals 2021 Entschädigungen für einen Vaterschaftsurlaub ausbezahlt (siehe Grafik). Diese Quote steigt ein Jahr später (Ende Mai 2022) auf 69 Prozent. Sie wird sich voraussichtlich bei etwa 70 Prozent einpendeln. Aussagekräftige Werte erhält man aus heutiger Sicht somit etwa 15 Monate nach der Geburt. Verbindliche Hochrechnungen oder Approximationen sind allerdings erst in ein paar Jahren möglich, wenn mehr Zahlen zur Verfügung stehen. Zum Vergleich: Bei der Mutterschaftsentschädigung erhält man bereits nach rund neun Monaten verbindliche Werte – was auch der langjährigen Erfahrung entspricht. Für die Geburten des ersten Quartals 2021 beträgt die Bezugsquote Anfang 2022 beispielsweise 77 Prozent. Der Grund für die gegenüber dem Vaterschaftsurlaub frühere Auszahlung liegt in einem anderen Bezugsverhalten: Der Urlaub wird unmittelbar nach der Geburt bezogen. Und darüber, wer die Mutter ist, bestehen keine Zweifel.

Weiterlesen - Soziale Sicherheit CHSS vom 24.08.2022

Zwei Wochen frei für Eltern: Ab nächstem Jahr gibt es Adoptionsurlaub

Wer ein kleines Kind adoptiert, bekommt ab nächstem Jahr einen zweiwöchigen Adoptionsurlaub. Das hat der Bundesrat bekräftig. Wer in Mutterschaftsurlaub gehen will, muss vorher nicht unbedingt ein Kind ausgetragen haben. Ab nächstem Jahr haben Menschen, die ein unter vierjähriges Kind adoptierten, Anspruch auf zwei Wochen zusätzliche Ferienwochen. Das Parlament hatte den sogenannten Adoptionsurlaub im vergangenen Jahr beschlossen.

Der Adoptionsurlaub muss innerhalb des ersten Jahres bezogen werden, und die Adoptionsentschädigung beträgt 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens. «Sind beide Elternteile erwerbstätig, können sie die zwei Wochen Urlaub frei untereinander aufteilen, den Urlaub aber nicht gleichzeitig beziehen», teilt der Bundesrat am Mittwoch mit. Kein Anspruch besteht hingegen bei einer Stiefkindadoption.

Nur wenige Adoptionen

In der Schweiz werden nur wenige Kinder von unter vier Jahren adoptiert. Im Jahr 2020 waren es gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen 33. Deshalb werden die Anträge auf Adoptionsurlaub zentralisiert von der Eidgenössischen Ausgleichskasse (EAK) und nicht wie üblich von der Ausgleichskasse, der die Eltern angeschlossen sind, bearbeitet. Die neue Regelung dürfte gemäss Verwaltung zu jährlichen Zusatzkosten von etwas mehr als 100'000 Franken führen. Die Forderung geht auf eine parlamentarische Initiative des Tessiner Nationalrats Marco Romano (39, Mitte) zurück. Er hatte argumentiert, dass auch Adoptionseltern es verdienten, eine begrenzte Zeit zu erhalten, «die für sie und ihr Kind reserviert und bezahlt ist». Dies sei wichtig, weil ein Adoptionsverfahren lang, beschwerlich und kostspielig sei. Verschiedene Kantone kennen einen solchen Urlaub bereits heute.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 24.08.2022 auf www.blick.ch

Online Tool: Toxische Beziehungen und häusliche Gewalt erkennen

Drei von fünf Betroffenen von häuslicher Gewalt suchen keine Hilfe. Ein neues Online Tool will einfach und unkompliziert Abhilfe schaffen. Gewalt in der Partnerschaft ist auch in der Schweiz ein verbreitetes Problem. Aber weniger als die Hälfte der Betroffenen suchen sich Hilfe. Das neue Online Tool #withyou will dies ändern. Es unterstützt Betroffene diskret, informiert und begleitet bei der Entscheidungsfindung.

Häusliche Gewalt ist in der Schweiz ein verbreitetes Problem: Jede Woche kommt es zu einem Tötungsversuch, alle zwei Wochen stirbt eine Person. Betroffen sind vor allem Frauen, aber auch Männer und Kinder. Die Dunkelziffer ist riesig. Drei von fünf Betroffenen von häuslicher Gewalt suchen keine Hilfe. Aus Angst vor der Reaktion der Tatperson, aus Scham, oder weil sie sich nicht als Opfer einer gewaltsamen Beziehung sehen.

Gewalt hat viele Formen

Gewalt in der Partnerschaft hat viele Erscheinungsformen. Besonders psychische Gewalt ist schwer fassbar. Gewalt bedeutet nicht nur Schläge und blaue Flecken. Besonders bei emotionalem Missbrauch sind sich Betroffene lange nicht bewusst, dass sie Gewalt erleben. Manche toxischen Verhaltensmuster wie Kontrolle und Eifersucht werden als Ausdruck von Liebe und Fürsorge gesehen. Trotzdem bleibt oft ein ungutes Bauchgefühl. Da toxische Verhaltensweisen häufig einem ähnlichen Muster folgen, sind die Warnzeichen oft früh erkennbar. Genau hier setzt das neue Online Tool #withyou an. Das Tool holt Betroffene und ihr Umfeld mit interaktiven Fragebögen und einfachen Definitionen ab, bevor die Gewalt eskaliert und leitet sie – wenn gewünscht – direkt an eine Fachstelle weiter.

Informationen einfach verfügbar

Die Informationssuche für Betroffene ist oft herausfordernd, vor allem im Bereich emotionaler Gewalt. Denn viele würden sich nicht mit den Begriffen Opfer oder häusliche Gewalt identifizieren können, erläutert #withyou-Projektleiterin Simone Eymann. Hier setzt das Tool mit einfachen Definitionen und leicht zugänglichen Informationen an. Das Herzstück des Projekts: 15 Fragen zur Gesundheit einer Beziehung – mit Expert:innen und Betroffenen entwickelt – damit toxische Dynamiken früh erkannt werden können und sich mehr Betroffene an Hilfestellen wenden, bevor die Gewalt eskaliert. #withyou ist aber keine Online-Beratungsstelle, sondern ergänzt die Arbeit von Anlaufstellen, Polizei und Hausärzt:innen.

Ein Tool mit vielen Facetten

#withyou unterstützt Betroffene diskret, informiert und begleitet sie in ihrer Entscheidungsfindung. Denn je besser Gewaltbetroffene über die eigene Situation informiert sind, desto rascher können sie handeln. Das gibt Selbstbewusstsein und weckt das Gefühl von «Ich bin nicht allein. Ich komme hier raus.» Eine gewaltsame Beziehung zu verlassen, ist nicht einfach und kann gefährlich sein. Eine Entscheidungshilfe klärt die wichtigsten Fragen, vom Notfallplan über den Schutz von Kindern bis zur Anleitung, was bei der Erstattung einer Anzeige wichtig ist und zeigt Hilfsangebote auf. Falls sich Betroffene Sorgen um ihre Sicherheit machen, hilft ein Fragebogen, die Gefahrensituation in ihrer Beziehung einzuschätzen. Das Online-Tool richtet sich auch an das Umfeld von Betroffenen. Denn dieses erfährt häufig als Erstes von Gewaltvorfällen, weiss aber oft nicht, wie damit umgehen. Ein eigens für Angehörige und Nachbar:innen konzipierter Bereich gibt wertvolle Tipps im Umgang mit Betroffenen. with-you.ch ist auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Englisch verfügbar. Das Online-Tool wird vom Migros-Pionierfonds ermöglicht.

Weiterlesen - ein Beitrag erschienen am 23.08.2022 auf www.nau.ch